Verpflichtung des Wahlvorstands zur unverzüglichen Prüfung der Wahlvorschläge
Hessisches LAG 7.3.2022 - 16 TaBV 108/21
Der Sachverhalt:
Die Antragsteller zu 1) sind die zur gesetzlichen Vertretung des Unternehmens befugten Organe (Beteiligte zu 2). Diese betreibt zwei Krankenhäuser. Ferner besteht ein 100-prozentiges Tochterunternehmen der Beteiligten zu 2). Die Beteiligten zu 3)-6) sind die bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat am 14.1.2021 gewählten Arbeitnehmervertreter, die Beteiligten zu 7)-9) deren Ersatzmitglieder. Beteiligter zu 10) ist der bei der Beteiligten zu 2) gebildete Aufsichtsrat. Das Wahlergebnis wurde am 8.2.2021 im Bundesanzeiger bekannt gemacht.
Mit einem am 18.2.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz haben die Antragsteller die Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat vom 14.1.2021 angefochten. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben und die Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat und ihrer Ersatzmitglieder für unwirksam erklärt. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3)-9) hat das LAG den Beschluss abgeändert und den Antrag zurückgewiesen.
Die Gründe:
Der Hauptwahlvorstand hat nicht gegen die Verpflichtung verstoßen, die Wahlvorschläge unverzüglich zu prüfen, § 29 S. 1 WahlO Drittelbeteiligungsgesetz.
Die Pflicht zur unverzüglichen Prüfung der Vorschlagslisten und zur unverzüglichen Unterrichtung des Vorschlagsvertreters über die Ungültigkeit der Liste dient dazu, es den Einreichern der Liste zu ermöglichen, innerhalb der Einreichungsfrist eine gültige Vorschlagsliste einzureichen. Diese Möglichkeit darf ihnen nicht durch eine verzögerte Behandlung durch den Wahlvorstand genommen werden. Der Wahlvorstand hat daher die ihm obliegende Prüfung grundsätzlich so rechtzeitig vorzunehmen, dass die Einreicher einer ungültigen Vorschlagsliste nach Möglichkeit noch die Gelegenheit erhalten, vor Ablauf der Einreichungsfrist eine gültige Vorschlagsliste einzureichen. Entsprechend dem Regelungszweck besteht eine Pflicht zur möglichst raschen Prüfung und Unterrichtung insbesondere dann, wenn der Ablauf der Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen unmittelbar bevorsteht. Am letzten Tag der Einreichungsfrist hat der Wahlvorstand Vorkehrungen zu treffen, um kurzfristig zusammenzutreten und eingehende Wahlvorschläge prüfen zu können.
Aus der im Anhörungstermin vor dem LAG erfolgten Tatsachenfeststellung ergab sich, dass der Hauptwahlvorstand seiner Verpflichtung zur unverzüglichen Prüfung nachgekommen ist. Der Hauptwahlvorstand bestand aus drei Mitgliedern, den Beteiligten zu 3), 6) und 5). Ferner gab es zwei Ersatzmitglieder, den Beteiligten zu 7) und Frau F. Am 10.12.2020 war die Beteiligte zu 6) krank und der Beteiligte zu 5) wegen der Teilnahme an einer Betriebsausschusssitzung (ab 13 Uhr) verhindert. Das Ersatzmitglied Frau F. war krank. Aufgrund der krankheitsbedingten Abwesenheit weiterer Hauptwahlvorstands- und Ersatzmitglieder war klar, dass die Beteiligte zu 3) als Vorsitzende des Hauptwahlvorstands mit dem einzig noch vorhandenen Ersatzmitglied, dem Beteiligten zu 7), unverzüglich über die Zulassung der Liste von Herrn D. zu entscheiden hatte. Dies ist auch erfolgt. In der spontan abgehaltenen Sitzung des Hauptwahlvorstands war das aus drei Mitgliedern bestehende Gremium durch die Anwesenheit von zwei seiner Mitglieder, den Beteiligten zu 3) und 7), beschlussfähig.
Die vom Hauptwahlvorstand getroffene Entscheidung, den Wahlvorschlag des Vorschlagsvertreters D. als ungültig anzusehen, war auch zutreffend. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 WahlO Drittelbeteiligungsgesetz sind Wahlvorschläge ungültig, die bei der Einreichung nicht die erforderliche Zahl von Unterschriften (§ 6 des Gesetzes) aufweisen. § 6 S. 2 Drittelbeteiligungsgesetz sieht vor, dass die Wahlvorschläge der Arbeitnehmer von mind. einem Zehntel der Wahlberechtigten oder von mind. 100 Wahlberechtigten unterzeichnet sein müssen. Hinsichtlich der Betriebsratswahlen ist anerkannt, dass alle Unterschriften den gesamten Wahlvorschlag decken müssen.
Hierfür ist zwar nicht erforderlich, dass alle Unterschriften auf demselben Blatt geleistet werden. Sie können sich auch auf mehreren Blättern befinden. Es muss aber eindeutig und zweifelsfrei erkennbar sein, dass sich die geleisteten Unterschriften auf den betreffenden Wahlvorschlag beziehen und mit ihm eine einheitliche Urkunde bilden. Dies setzt nicht zwingend voraus, dass die Bewerberliste und die Liste mit den Stützunterschriften körperlich fest und gegen Trennung gesichert, z.B. durch Zusammenheftung, miteinander verbunden sind. Vielmehr kann sich die Einheitlichkeit der Urkunde auch aus anderen den Schriftstücken anhaftenden Umständen, z.B. aus fortlaufender Paginierung, fortlaufender Nummerierung, einheitlicher graphischer Gestaltung, inhaltlichem Zusammenhang des Textes oder ähnlichen Merkmalen ergeben. Auf diese zu Betriebsratswahlen entwickelten Grundsätze kann auch für die Wahlen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat zurückgegriffen werden, da die Interessenlage vergleichbar ist.
Der Hauptwahlvorstand hat den Vorschlagsvertreter, Herrn D., auch unverzüglich schriftlich unter Angabe der Gründe über die Ungültigkeit der Liste unterrichtet, § 9 Abs. 2, § 23 WahlO Drittelbeteiligungsgesetz. Unschädlich ist, dass die E-Mail an den dienstlichen Account und des Vorschlagsvertreters gesandt wurde. Hierbei handelte es sich um die E-Mail-Adresse, die auf dem vom Vorschlagsvertreter verwendeten Anschreiben genannt war. Dort werden ausschließlich dessen dienstliche Telefonnummer, dienstliches Telefax und dienstliche E-Mail-Adresse aufgeführt. Aus diesem Grund ist es nicht zu beanstanden, wenn der Hauptwahlvorstand sich an eine der dort angegebenen Verbindungen wandte und nicht versuchte, die Privatanschrift des Vorschlagsvertreters zu ermitteln.
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Die Antragsteller zu 1) sind die zur gesetzlichen Vertretung des Unternehmens befugten Organe (Beteiligte zu 2). Diese betreibt zwei Krankenhäuser. Ferner besteht ein 100-prozentiges Tochterunternehmen der Beteiligten zu 2). Die Beteiligten zu 3)-6) sind die bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat am 14.1.2021 gewählten Arbeitnehmervertreter, die Beteiligten zu 7)-9) deren Ersatzmitglieder. Beteiligter zu 10) ist der bei der Beteiligten zu 2) gebildete Aufsichtsrat. Das Wahlergebnis wurde am 8.2.2021 im Bundesanzeiger bekannt gemacht.
Mit einem am 18.2.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz haben die Antragsteller die Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat vom 14.1.2021 angefochten. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben und die Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat und ihrer Ersatzmitglieder für unwirksam erklärt. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3)-9) hat das LAG den Beschluss abgeändert und den Antrag zurückgewiesen.
Die Gründe:
Der Hauptwahlvorstand hat nicht gegen die Verpflichtung verstoßen, die Wahlvorschläge unverzüglich zu prüfen, § 29 S. 1 WahlO Drittelbeteiligungsgesetz.
Die Pflicht zur unverzüglichen Prüfung der Vorschlagslisten und zur unverzüglichen Unterrichtung des Vorschlagsvertreters über die Ungültigkeit der Liste dient dazu, es den Einreichern der Liste zu ermöglichen, innerhalb der Einreichungsfrist eine gültige Vorschlagsliste einzureichen. Diese Möglichkeit darf ihnen nicht durch eine verzögerte Behandlung durch den Wahlvorstand genommen werden. Der Wahlvorstand hat daher die ihm obliegende Prüfung grundsätzlich so rechtzeitig vorzunehmen, dass die Einreicher einer ungültigen Vorschlagsliste nach Möglichkeit noch die Gelegenheit erhalten, vor Ablauf der Einreichungsfrist eine gültige Vorschlagsliste einzureichen. Entsprechend dem Regelungszweck besteht eine Pflicht zur möglichst raschen Prüfung und Unterrichtung insbesondere dann, wenn der Ablauf der Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen unmittelbar bevorsteht. Am letzten Tag der Einreichungsfrist hat der Wahlvorstand Vorkehrungen zu treffen, um kurzfristig zusammenzutreten und eingehende Wahlvorschläge prüfen zu können.
Aus der im Anhörungstermin vor dem LAG erfolgten Tatsachenfeststellung ergab sich, dass der Hauptwahlvorstand seiner Verpflichtung zur unverzüglichen Prüfung nachgekommen ist. Der Hauptwahlvorstand bestand aus drei Mitgliedern, den Beteiligten zu 3), 6) und 5). Ferner gab es zwei Ersatzmitglieder, den Beteiligten zu 7) und Frau F. Am 10.12.2020 war die Beteiligte zu 6) krank und der Beteiligte zu 5) wegen der Teilnahme an einer Betriebsausschusssitzung (ab 13 Uhr) verhindert. Das Ersatzmitglied Frau F. war krank. Aufgrund der krankheitsbedingten Abwesenheit weiterer Hauptwahlvorstands- und Ersatzmitglieder war klar, dass die Beteiligte zu 3) als Vorsitzende des Hauptwahlvorstands mit dem einzig noch vorhandenen Ersatzmitglied, dem Beteiligten zu 7), unverzüglich über die Zulassung der Liste von Herrn D. zu entscheiden hatte. Dies ist auch erfolgt. In der spontan abgehaltenen Sitzung des Hauptwahlvorstands war das aus drei Mitgliedern bestehende Gremium durch die Anwesenheit von zwei seiner Mitglieder, den Beteiligten zu 3) und 7), beschlussfähig.
Die vom Hauptwahlvorstand getroffene Entscheidung, den Wahlvorschlag des Vorschlagsvertreters D. als ungültig anzusehen, war auch zutreffend. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 WahlO Drittelbeteiligungsgesetz sind Wahlvorschläge ungültig, die bei der Einreichung nicht die erforderliche Zahl von Unterschriften (§ 6 des Gesetzes) aufweisen. § 6 S. 2 Drittelbeteiligungsgesetz sieht vor, dass die Wahlvorschläge der Arbeitnehmer von mind. einem Zehntel der Wahlberechtigten oder von mind. 100 Wahlberechtigten unterzeichnet sein müssen. Hinsichtlich der Betriebsratswahlen ist anerkannt, dass alle Unterschriften den gesamten Wahlvorschlag decken müssen.
Hierfür ist zwar nicht erforderlich, dass alle Unterschriften auf demselben Blatt geleistet werden. Sie können sich auch auf mehreren Blättern befinden. Es muss aber eindeutig und zweifelsfrei erkennbar sein, dass sich die geleisteten Unterschriften auf den betreffenden Wahlvorschlag beziehen und mit ihm eine einheitliche Urkunde bilden. Dies setzt nicht zwingend voraus, dass die Bewerberliste und die Liste mit den Stützunterschriften körperlich fest und gegen Trennung gesichert, z.B. durch Zusammenheftung, miteinander verbunden sind. Vielmehr kann sich die Einheitlichkeit der Urkunde auch aus anderen den Schriftstücken anhaftenden Umständen, z.B. aus fortlaufender Paginierung, fortlaufender Nummerierung, einheitlicher graphischer Gestaltung, inhaltlichem Zusammenhang des Textes oder ähnlichen Merkmalen ergeben. Auf diese zu Betriebsratswahlen entwickelten Grundsätze kann auch für die Wahlen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat zurückgegriffen werden, da die Interessenlage vergleichbar ist.
Der Hauptwahlvorstand hat den Vorschlagsvertreter, Herrn D., auch unverzüglich schriftlich unter Angabe der Gründe über die Ungültigkeit der Liste unterrichtet, § 9 Abs. 2, § 23 WahlO Drittelbeteiligungsgesetz. Unschädlich ist, dass die E-Mail an den dienstlichen Account und des Vorschlagsvertreters gesandt wurde. Hierbei handelte es sich um die E-Mail-Adresse, die auf dem vom Vorschlagsvertreter verwendeten Anschreiben genannt war. Dort werden ausschließlich dessen dienstliche Telefonnummer, dienstliches Telefax und dienstliche E-Mail-Adresse aufgeführt. Aus diesem Grund ist es nicht zu beanstanden, wenn der Hauptwahlvorstand sich an eine der dort angegebenen Verbindungen wandte und nicht versuchte, die Privatanschrift des Vorschlagsvertreters zu ermitteln.
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