Verspätete Krankmeldung kann fristlose Kündigung rechtfertigen
LAG Rheinland-Pfalz 19.1.2012, 10 Sa 593/11Der mit einem GdB von 50 schwerbehinderte Kläger war seit Anfang 2010 bei der Beklagten als Dachdeckerhelfer beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag enthielt folgende Regelung:
"Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber bei Arbeitsunfähigkeit oder einer sonstigen entschuldbaren Verhinderung den Grund und die voraussichtliche Dauer seiner Verhinderung unverzüglich, spätestens bis zu Beginn der üblichen Arbeitszeit mitzuteilen und im Krankheitsfall ab dem ersten Krankheitstag durch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes nachzuweisen."
Nachdem er am Vortag angekündigt hatte, unter Rückenschmerzen zu leiden und deshalb einen Arzt aufsuchen zu wollen, erschien der Kläger ab dem 16.2.2011 nicht mehr zur Arbeit. Da er am 16.2. keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingereicht hatte, erteilte ihm die Beklagte am 17.2. eine Abmahnung, die dem Kläger noch am selben Tag zugestellt wurde.
Auch in den Folgetagen legte der Kläger keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, weshalb die Beklagte am 21.2.2011 das Zustimmungsverfahren für eine fristlose Kündigung einleitete. Erst daraufhin reichte der Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein. Nach Zustimmung des Integrationsamts kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis dennoch am 4.3.2011 fristlos. Die hiergegen gerichtete Klage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG keinen Erfolg.
+++ Die Gründe:
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 4.3.2011 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden.
Die Verletzung der Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit kann bei erschwerenden Umständen nach entsprechender Abmahnung auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen (s. BAG, Urt. v. 15.1.1986 - 7 AZR 128/83). Solche erschwerenden Umstände liegen hier vor, da der Kläger seine Anzeige- und Nachweispflichten im Zusammenhang mit seiner Arbeitsunfähigkeit hartnäckig und uneinsichtig verletzt hat.
Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt die vertragliche Anzeigepflicht nicht gegen die guten Sitten. Er war insbesondere nicht verpflichtet, die Beklagte über die Krankheitsursache zu informieren. Denn das Erfordernis, den "Grund" mitzuteilen, bezieht sich eindeutig auf die Mitteilung, ob eine "Arbeitsunfähigkeit oder eine sonstige entschuldbare Verhinderung" vorliegt und damit nicht auf die ärztliche Diagnose.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG sind Arbeitgeber zudem berechtigt, vom Arbeitnehmer die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung früher als nach drei Kalendertagen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG) zu verlangen. Dies setzt weder eine Begründung des Arbeitgebers noch einen Sachverhalt voraus, der Anlass für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Arbeitnehmers gibt.
Aus dem Umstand, dass der Kläger trotz Abmahnung nicht unverzüglich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingereicht hat, konnte die Beklagte nur den Schluss ziehen, dass dem Kläger die Abmahnung völlig gleichgültig war. Sie musste deshalb befürchten, dass sich ein gleichgelagertes Fehlverhalten schon in naher Zukunft wiederholt. Einen derartigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses musste sie nicht hinnehmen.
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