24.05.2016

Verstoß gegen Handyverbot im Betrieb rechtfertigt nicht ohne weiteres eine Kündigung

Der Verstoß eines Arbeitnehmers gegen ein betriebliches Handyverbot kann zwar grds. einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Hat dieser Verstoß aber keine nachteiligen Folgen für den Arbeitgeber, ist eine deswegen ausgesprochene außerordentliche Kündigung unwirksam. Auch eine ordentliche Kündigung ist ohne vorangegangene Abmahnung nicht sozial gerechtfertigt.

ArbG Karlsruhe 29.12.2015, 1 Ca 206/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist bei der Beklagten, die in der Fensterprofil-Branche tätig ist, als Poliererin beschäftigt. Aus Gründen des Schutzes ihrer Wettbewerbsfähigkeit besteht bei der Beklagten ein Verbot, "mobile Endgeräte" und damit auch Handys auf dem Betriebsgelände der Beklagten zu nutzen. Dennoch fotografierte die Klägerin mit ihrem privaten Handy eine vor ihrem Arbeitsplatz, einem Poliertisch, stehende Pinnwand. Auf dieser war u.a. eine "Aufgabenliste" angeheftet, die firmeninterne Werkzeugnummern beinhaltete. Diese benötigte die Klägerin, um einen Produktsatz zu bearbeiten.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wegen dieses Verstoßes gegen das Handyverbot fristlos und hilfsweise ordentlich. Zur Begründung machte sie geltend, dass die Klägerin hochsensible Daten und Werkzeuge fotografiert habe, die einen großen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Unternehmen darstellten; würden diese bekannt, hätte das verheerende Folgen für ihre Wettbewerbsfähigkeit. Zudem gebe es Anhaltspunkte, dass die Klägerin bereits zuvor Geschäftsunterlagen und Werkzeuge fotografiert habe und dies auch in Zukunft tun werde.

Mit ihrer gegen die Kündigung gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, dass sie die Liste nur aus Bequemlichkeit fotografiert habe, weil diese so hoch gegangen habe und sie stark kurzsichtig sei. Sie habe das nur einmal getan und keine Information nach außen getragen. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Die Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt, die beim LAG Stuttgart unter dem Aktenzeichen 11 Sa 12/16 anhängig ist.

Die Gründe:
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nicht wirksam gekündigt.

Der Verstoß eines Arbeitnehmers gegen ein betriebliches Handyverbot, zumal wenn es - wie hier - der Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen dient, kann zwar grds. eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Voraussetzung hierfür wäre im Streitfall aber gewesen, dass die Klägerin das Foto gegen die Interessen der Beklagten gerichtet weiterverwendet oder wenigsten eine entsprechende Absicht gehabt hätte. Hierfür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte.

Damit bleibt der bloße Verstoß gegen die das Handyverbot regelnde Betriebsvereinbarung. Dieser Verstoß verliert jedoch ohne den eigentlichen Vorwurf der Schädigung der Beklagten dermaßen an Gewicht, dass er - wie jeder Verstoß bei steuerbarem Verhalten - zunächst abzumahnen ist, bevor hierauf eine außerordentlich Kündigung gestützt werden kann. Aus denselben Gründen ist auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG unwirksam: Ohne vorherige Abmahnung war das Verhalten der Klägerin nicht derart schwerwiegend, dass es die Beklagte zur Kündigung berechtigte.

juris
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