Voraussetzungen der Corona-Prämie (Pflege-Bonus): Wann ist eine Unterbrechung der Tätigkeit unbeachtlich?
LAG Hamm v. 21.10.2022 - 13 Sa 413/22
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Zahlung einer Corona-Prämie für das Jahr 2020. Die Klägerin war bei der Beklagten, die einen Pflegedienst betreibt, seit 2017 als Krankenpflegehelferin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung mit dem 17.6.2020.
Vom 22.5.2020 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 17.6.2020 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte hat die Zahlung der Corona-Hilfe für das Jahr 2020 unter Hinweis auf § 150a Abs. 2 SGB XI (idF vom 19.5.2020) verweigert mit der Begründung, dass ein Anspruch nur bestehe für Arbeitnehmer, die zwischen dem 1.3.2020 bis zum 31.10.2020 mindestens drei Monate in einer zugelassenen oder für eine zugelassene Pflegeeinrichtung tätig gewesen seien. Diese Voraussetzung habe die Klägerin aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit ab dem 22.5.2020 nicht erfüllt.
Das ArbG gab der Klage statt. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Corona-Prämie iHv 1.000,- € ergebe sich aus § 150a Abs. 2 Nr. 1 SGB XI. Insbesondere sei sie im maßgeblichen Bemessungszeitraum mehr als drei Monate bei der Beklagten tätig geworden. Zwar sei sie nur bis zum 21.5.2020 tätig gewesen und danach aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit nicht mehr. Nach § 150 Abs. 5 Nr. 1 SGB XI sei die Unterbrechung aufgrund der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin aber erst ab dem 15. Tag beachtlich. Der Wortlaut des § 150 Abs. 5 Nr. 1 SGB XI stelle auf eine Unterbrechung von "bis zu" 14 Tagen ab und lege damit eine Höchstgrenze fest, die für eine Unterbrechung bezogen auf den dreimonatigen Zeitraum unbeachtlich sei. Das Gesetz verlange damit nicht, dass ein Arbeitnehmer tatsächlich drei Monate tätig gewesen sei.
Das LAG gab der Berufung statt, ließ die Revision aber wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfragen zur Auslegung des § 150a SGB XI zu.
Die Gründe:
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung einer Corona-Prämie für das Jahr 2020 nicht zu, denn sie war im streitgegenständlichen Bemessungszeitraum (1.3.2020 bis 31.10.2020) nicht mindestens drei Monate tätig iSd § 150a Abs. 2 SGB IX. Es handelt es sich bei der Arbeitsunfähigkeit ab dem 22.5.2020 nicht lediglich um eine unbeachtliche Unterbrechung nach § 150a Abs. 5 Nr. 1 SGB XI. Deshalb kann der Zeitraum ab dem 22.5.2020 nicht, auch nicht anteilig, bei der Berechnung des Dreimonatszeitraum berücksichtigt werden. Das ergibt die Auslegung der Norm.
§ 150a Abs. 5 Nr. 1 SGB XI ist dahingehend zu interpretieren, dass jedenfalls dann kein Anspruch auf Zahlung einer Corona-Prämie besteht, wenn - wie vorliegend - ein Arbeitnehmer vor Ablauf des maßgeblichen Dreimonatszeitraums faktisch keine Tätigkeiten mehr in der Pflege erbringt und aus dem Pflegebereich ausscheidet. Denn dann liegt nicht lediglich eine "Unterbrechung" iSd Regelung vor. Das ergibt sich schon aus ihrem Wortlaut. Eine "Unterbrechung" einer Tätigkeit setzt nach allgemeinem Sprachverständnis voraus, dass diese Tätigkeit zunächst aufgenommen worden sein muss und nach der Unterbrechung - wenn auch nur für einen Tag - noch weitergeführt wird. Deshalb kann entgegen der Auffassung des ArbG ein Anspruch auf eine Corona-Prämie nicht schon entstehen, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund eines oder verschiedener der in § 150a Abs. 5 SGB XI genannten Tatbestände im Bemessungszeitraum überhaupt keine Arbeitsleistung erbracht hat. Die Worte "tätig waren" verlangen eine tatsächliche, faktische Arbeitsleistung bzw. Anwesenheit im Betrieb und nicht nur das bloße Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zur Pflegeeinrichtung mit einer regelmäßigen oder üblichen Arbeitszeit.
Da nachdem alledem die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ab dem 21.5.2021 nicht lediglich eine unbeachtliche "Unterbrechung" iSd § 150a Abs. 5 SGB XI darstellt, kann offenbleiben, ob nur der 14 Tage überschreitende Zeitraum oder aber der gesamte Arbeitsunfähigkeitszeitraum für die Berechnung des Dreimonatszeitraums unberücksichtigt bleiben muss.
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Justiz NRW online
Die Parteien streiten um die Zahlung einer Corona-Prämie für das Jahr 2020. Die Klägerin war bei der Beklagten, die einen Pflegedienst betreibt, seit 2017 als Krankenpflegehelferin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung mit dem 17.6.2020.
Vom 22.5.2020 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 17.6.2020 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte hat die Zahlung der Corona-Hilfe für das Jahr 2020 unter Hinweis auf § 150a Abs. 2 SGB XI (idF vom 19.5.2020) verweigert mit der Begründung, dass ein Anspruch nur bestehe für Arbeitnehmer, die zwischen dem 1.3.2020 bis zum 31.10.2020 mindestens drei Monate in einer zugelassenen oder für eine zugelassene Pflegeeinrichtung tätig gewesen seien. Diese Voraussetzung habe die Klägerin aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit ab dem 22.5.2020 nicht erfüllt.
Das ArbG gab der Klage statt. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Corona-Prämie iHv 1.000,- € ergebe sich aus § 150a Abs. 2 Nr. 1 SGB XI. Insbesondere sei sie im maßgeblichen Bemessungszeitraum mehr als drei Monate bei der Beklagten tätig geworden. Zwar sei sie nur bis zum 21.5.2020 tätig gewesen und danach aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit nicht mehr. Nach § 150 Abs. 5 Nr. 1 SGB XI sei die Unterbrechung aufgrund der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin aber erst ab dem 15. Tag beachtlich. Der Wortlaut des § 150 Abs. 5 Nr. 1 SGB XI stelle auf eine Unterbrechung von "bis zu" 14 Tagen ab und lege damit eine Höchstgrenze fest, die für eine Unterbrechung bezogen auf den dreimonatigen Zeitraum unbeachtlich sei. Das Gesetz verlange damit nicht, dass ein Arbeitnehmer tatsächlich drei Monate tätig gewesen sei.
Das LAG gab der Berufung statt, ließ die Revision aber wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfragen zur Auslegung des § 150a SGB XI zu.
Die Gründe:
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung einer Corona-Prämie für das Jahr 2020 nicht zu, denn sie war im streitgegenständlichen Bemessungszeitraum (1.3.2020 bis 31.10.2020) nicht mindestens drei Monate tätig iSd § 150a Abs. 2 SGB IX. Es handelt es sich bei der Arbeitsunfähigkeit ab dem 22.5.2020 nicht lediglich um eine unbeachtliche Unterbrechung nach § 150a Abs. 5 Nr. 1 SGB XI. Deshalb kann der Zeitraum ab dem 22.5.2020 nicht, auch nicht anteilig, bei der Berechnung des Dreimonatszeitraum berücksichtigt werden. Das ergibt die Auslegung der Norm.
§ 150a Abs. 5 Nr. 1 SGB XI ist dahingehend zu interpretieren, dass jedenfalls dann kein Anspruch auf Zahlung einer Corona-Prämie besteht, wenn - wie vorliegend - ein Arbeitnehmer vor Ablauf des maßgeblichen Dreimonatszeitraums faktisch keine Tätigkeiten mehr in der Pflege erbringt und aus dem Pflegebereich ausscheidet. Denn dann liegt nicht lediglich eine "Unterbrechung" iSd Regelung vor. Das ergibt sich schon aus ihrem Wortlaut. Eine "Unterbrechung" einer Tätigkeit setzt nach allgemeinem Sprachverständnis voraus, dass diese Tätigkeit zunächst aufgenommen worden sein muss und nach der Unterbrechung - wenn auch nur für einen Tag - noch weitergeführt wird. Deshalb kann entgegen der Auffassung des ArbG ein Anspruch auf eine Corona-Prämie nicht schon entstehen, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund eines oder verschiedener der in § 150a Abs. 5 SGB XI genannten Tatbestände im Bemessungszeitraum überhaupt keine Arbeitsleistung erbracht hat. Die Worte "tätig waren" verlangen eine tatsächliche, faktische Arbeitsleistung bzw. Anwesenheit im Betrieb und nicht nur das bloße Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zur Pflegeeinrichtung mit einer regelmäßigen oder üblichen Arbeitszeit.
Da nachdem alledem die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ab dem 21.5.2021 nicht lediglich eine unbeachtliche "Unterbrechung" iSd § 150a Abs. 5 SGB XI darstellt, kann offenbleiben, ob nur der 14 Tage überschreitende Zeitraum oder aber der gesamte Arbeitsunfähigkeitszeitraum für die Berechnung des Dreimonatszeitraums unberücksichtigt bleiben muss.
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