26.02.2015

Vorlage an den EuGH zur Anwendung von Eingriffsnormen eines Drittstaats auf in Deutschland tätige Arbeitnehmer

Das BAG hat dem EuGH mehrere Fragen zur Anwendung von Eingriffsnormen eines Drittstaats auf in Deutschland tätige Arbeitnehmer zur Vorabentscheidung vorgelegt. Hintergrund ist die Klage eines Lehrers einer von Griechenland getragenen Volksschule in Deutschland, dem im Zuge der griechischen Spargesetze das Gehalt gekürzt worden war.

BAG 25.2.2015, 5 AZR 962/13 (A)
+++ Der Sachverhalt:
Der Kläger ist griechischer Staatsangehöriger und als Lehrer an der von der beklagten Republik Griechenland getragenen Griechischen Volksschule in Nürnberg beschäftigt.

In der Vergangenheit hatte Griechenland die Gehälter ihrer in Deutschland tätigen Lehrer nach Maßgabe der Tarifentwicklung im deutschen öffentlichen Dienst erhöht. Im Zusammenhang mit der Finanzkrise erließ das Land zwei Gesetze, die erhebliche Kürzungen der laufenden Bezüge und Sonderzahlungen ihrer Bediensteten vorsahen. Für den Kläger hatte dies in dem Zeitraum von Oktober 2010 bis Dezember 2012 Einkommenseinbußen i.H.v. über 20.000 Euro zur Folge.

Mit seiner Klage verlangte er die Zahlung des einbehaltenen Betrags. Er hielt die Kürzungen für unwirksam, da auf das Arbeitsverhältnis deutsches Arbeitsrecht Anwendung finde. Eine unmittelbare Anwendung der griechischen Gesetze in Deutschland komme nicht in Betracht. Die drohende Staatsinsolvenz der Beklagten und die Auflagen der Troika seien auch deshalb unerheblich, weil die Personalkosten vom Freistaat Bayern refinanziert seien.

Das Arbeitsgericht wies die Klage als unzulässig ab; das LAG gab ihr statt. Auf die Revision Griechenlands setzte das BAG das Verfahren aus und legte dem EuGH einige Fragen zur Auslegung des Unionsrechts zur Vorabentscheidung vor.

+++ Die Gründe:
Streitentscheidend ist, ob die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 als sog. Eingriffsnormen auf das in der Bundesrepublik Deutschland zu erfüllende und deutschem Recht unterliegende Arbeitsverhältnis unmittelbar oder mittelbar Anwendung finden.

Ausgangsfrage ist dabei, ob das 1996 begründete und  jedenfalls bis Ende 2012 fortbestehende Arbeitsverhältnis der Parteien dem Geltungsbereich der Rom I-VO oder noch dem alten IPR Deutschlands (Art. 27 ff. EGBGB a.F.) unterfällt. Sollte Art. 9 Rom I-VO Anwendung finden, sind Bedeutung und Tragweite der Ausnahmebestimmung des Abs. 3 klärungsbedürftig. Des Weiteren bedarf es der Auslegung des in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei Anwendung von Eingriffsnormen anderer Mitgliedstaaten.

+++ Die Vorlagefragen:
Der Fünfte Senat des BAG hat dem EuGH deshalb folgende Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt:

Findet die Rom I-VO nach Art. 28 auf Arbeitsverhältnisse ausschließlich dann Anwendung, wenn das Rechtsverhältnis durch einen nach dem 16.12.2009 vereinbarten Arbeitsvertrag begründet worden ist, oder führt jeder spätere Konsens der Vertragsparteien, ihr Arbeitsverhältnis verändert oder unverändert fortzusetzen, zur Anwendbarkeit der Verordnung?

Schließt Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO allein die direkte Anwendung von Eingriffsnormen eines Drittstaats aus, in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen nicht erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, oder auch die mittelbare Berücksichtigung im Recht des Staates, dessen Recht der Vertrag unterliegt?

Kommt dem in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit rechtliche Bedeutung für die Entscheidung nationaler Gerichte zu, Eingriffsnormen eines anderen Mitgliedstaats unmittelbar oder mittelbar anzuwenden?

+++ Der Hintergrund:
Beim Fünften Senat des BAG sind mehr als 20 ähnlich gelagerte Verfahren griechischer und deutscher Staatsangehöriger anhängig.

+++ Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.

BAG PM Nr. 9/15 vom 26.2.2015
Zurück