Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung im Kleinbetrieb unter Berücksichtigung des Maßregelungsverbots
LAG Köln v. 23.1.2024 - 4 Sa 389/23
Der Sachverhalt:
Die Beklagte betreibt eine Zahnarztpraxis und beschäftigt dort nicht mehr als zehn Arbeitnehmer. Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem Juni 2019 als Zahnmedizinische Fachangestellte beschäftigt. Im Team der Zahnarztpraxis gab es Konflikte, insbesondere zwischen der Klägerin und einer anderen Arbeitnehmerin. In der Zeit vom 16.5.2022 bis zum 27.5.2022 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Hierzu reichte sie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein. Der letzte Tag der attestierten Arbeitsunfähigkeit fiel auf einen Freitag.
An dem auf das sodann arbeitsfreie Wochenende folgenden Montag dem 30.5.2022 meldete sich die Klägerin erneut krank und übermittelte per WhatsApp ein Foto einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Im Anschluss hieran kam es zu einem Telefongespräch zwischen den Parteien, dessen genauer Inhalt streitig blieb. Mit Schreiben vom selben Tag kündigte die Beklagte das bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.6.2022.
Die Klägerin war der Auffassung gewesen, die Kündigung verstoße gegen das in § 612a BGB normierte Maßregelungsverbot und sei damit unwirksam. Die Beklagte behauptete, die Krankheit der Klägerin sei nicht ursächlich für die Kündigung gewesen. Vielmehr sei die Kündigung ausgesprochen worden, da es bereits seit 2020 Konflikte im Team der Praxis gegeben habe. Die übrigen Beschäftigten hätten der Klägerin hierbei u.a. eine mangelnde Einhaltung der Hygieneregeln vorgeworfen, da sie den Behandlungsplatz nie ausreichend gereinigt habe.
Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Das LAG hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Gründe:
Die ordentliche Kündigung verstößt nicht gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB mit der Folge der Nichtigkeit der Kündigung nach § 134 BGB.
Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB liegt vor, wenn die zulässige Rechtsausübung des Arbeitnehmers der tragende Beweggrund, d.h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet. Handelt der Arbeitgeber aufgrund eines Motivbündels, so ist auf das wesentliche Motiv abzustellen. Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kann eine Maßnahme i.S.v. § 612a BGB sein (BAG 30.3.2023 - 2 AZR 309/22). Der klagende Arbeitnehmer trägt dabei die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB und damit auch für den Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und zulässiger Rechtsausübung. Er muss sich nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen zu diesem Vortrag erklären. Sind entscheidungserhebliche Behauptungen des Arbeitnehmers streitig, sind grundsätzlich die von ihm angebotenen Beweise zu erheben.
Diese Voraussetzungen waren hier nicht gegeben. Dem Vortrag der Klägerin konnte nicht entnommen werden, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis tatsächlich "vornehmlich" deswegen gekündigt hätte, weil die Klägerin trotz Arbeitsunfähigkeit nicht zur Arbeit erschienen war. In dem Telefonat war nicht nur die krankheitsbedingte Abwesenheit der Klägerin Thema, sondern auch die Konflikte am Arbeitsplatz mit zumindest einer weiteren Mitarbeiterin, was die Klägerin auf Nachfrage eingeräumt hat. Damit war ein Rückschluss darauf, dass die Beklagte die Kündigung "vornehmlich" aufgrund des krankheitsbedingten Fernbleibens ausgesprochen hätte, nicht möglich. Ebenso gut konnte die Kündigung "vornehmlich" aufgrund der sonstigen Unstimmigkeiten ausgesprochen worden sein. Es ist vor dem Hintergrund des § 612a BGB nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber im Kleinbetrieb eine Kündigung auf Unstimmigkeiten und Probleme im zwischenmenschlichen Umgang im Betrieb stützt.
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Justiz NRW
Die Beklagte betreibt eine Zahnarztpraxis und beschäftigt dort nicht mehr als zehn Arbeitnehmer. Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem Juni 2019 als Zahnmedizinische Fachangestellte beschäftigt. Im Team der Zahnarztpraxis gab es Konflikte, insbesondere zwischen der Klägerin und einer anderen Arbeitnehmerin. In der Zeit vom 16.5.2022 bis zum 27.5.2022 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Hierzu reichte sie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein. Der letzte Tag der attestierten Arbeitsunfähigkeit fiel auf einen Freitag.
An dem auf das sodann arbeitsfreie Wochenende folgenden Montag dem 30.5.2022 meldete sich die Klägerin erneut krank und übermittelte per WhatsApp ein Foto einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Im Anschluss hieran kam es zu einem Telefongespräch zwischen den Parteien, dessen genauer Inhalt streitig blieb. Mit Schreiben vom selben Tag kündigte die Beklagte das bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.6.2022.
Die Klägerin war der Auffassung gewesen, die Kündigung verstoße gegen das in § 612a BGB normierte Maßregelungsverbot und sei damit unwirksam. Die Beklagte behauptete, die Krankheit der Klägerin sei nicht ursächlich für die Kündigung gewesen. Vielmehr sei die Kündigung ausgesprochen worden, da es bereits seit 2020 Konflikte im Team der Praxis gegeben habe. Die übrigen Beschäftigten hätten der Klägerin hierbei u.a. eine mangelnde Einhaltung der Hygieneregeln vorgeworfen, da sie den Behandlungsplatz nie ausreichend gereinigt habe.
Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Das LAG hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
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Die ordentliche Kündigung verstößt nicht gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB mit der Folge der Nichtigkeit der Kündigung nach § 134 BGB.
Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB liegt vor, wenn die zulässige Rechtsausübung des Arbeitnehmers der tragende Beweggrund, d.h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet. Handelt der Arbeitgeber aufgrund eines Motivbündels, so ist auf das wesentliche Motiv abzustellen. Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kann eine Maßnahme i.S.v. § 612a BGB sein (BAG 30.3.2023 - 2 AZR 309/22). Der klagende Arbeitnehmer trägt dabei die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB und damit auch für den Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und zulässiger Rechtsausübung. Er muss sich nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen zu diesem Vortrag erklären. Sind entscheidungserhebliche Behauptungen des Arbeitnehmers streitig, sind grundsätzlich die von ihm angebotenen Beweise zu erheben.
Diese Voraussetzungen waren hier nicht gegeben. Dem Vortrag der Klägerin konnte nicht entnommen werden, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis tatsächlich "vornehmlich" deswegen gekündigt hätte, weil die Klägerin trotz Arbeitsunfähigkeit nicht zur Arbeit erschienen war. In dem Telefonat war nicht nur die krankheitsbedingte Abwesenheit der Klägerin Thema, sondern auch die Konflikte am Arbeitsplatz mit zumindest einer weiteren Mitarbeiterin, was die Klägerin auf Nachfrage eingeräumt hat. Damit war ein Rückschluss darauf, dass die Beklagte die Kündigung "vornehmlich" aufgrund des krankheitsbedingten Fernbleibens ausgesprochen hätte, nicht möglich. Ebenso gut konnte die Kündigung "vornehmlich" aufgrund der sonstigen Unstimmigkeiten ausgesprochen worden sein. Es ist vor dem Hintergrund des § 612a BGB nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber im Kleinbetrieb eine Kündigung auf Unstimmigkeiten und Probleme im zwischenmenschlichen Umgang im Betrieb stützt.
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