21.01.2013

Zeugnis: Arbeitgeber tragen für schlechtere als "gute" Leistungen die Beweislast

Verlangt der Arbeitnehmer, dass seine Leistung im Zeugnis mit "gut" anstatt mit "befriedigend" bewertet wird, so muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, was einer "guten" Bewertung entgegensteht. Zwar tragen nach der Rechtsprechung des BAG die Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für eine überdurchschnittliche Beurteilung. Eine "gute" Bewertung kann aber nicht (mehr) als überdurchschnittlich angesehen werden, da mittlerweile in über 85 Prozent aller Zeugnisse "gute" oder bessere Leistungen bescheinigt werden.

ArbG Berlin 26.10.2012, 28 Ca 18230/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war in der beklagten Arztpraxis als Empfangs- und Rezeptionsmitarbeiterin beschäftigt. Nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis stellte die Beklagte der Klägerin ein Zeugnis aus, wonach diese die ihr übertragenen Aufgaben zu ihrer vollen Zufriedenheit ausgeführt habe.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin eine Korrektur des Zeugnisses. Die Beklagte müsse ihre Leistungen als "stets zu ihrer vollen Zufriedenheit" klassifizieren. Sie habe nicht dargelegt und bewiesen, dass sie - die Klägerin - nicht insgesamt gute Leistungen gezeigt habe.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt.

Die Gründe:
Die Beklagte muss der Klägerin eine "gute" ("stets zur vollen Zufriedenheit") anstatt eine "befriedigende" Leistung bescheinigen. Für eine schlechtere Beurteilung hat die Beklagte, die hierfür die Darlegungs- und Beweislast trifft, die tatsächlichen Grundlagen nicht brauchbar aufgezeigt.

Grundsätzlich haben Arbeitgeber als Aussteller des Zeugnisses die tatsächlichen Grundlagen ihrer Beurteilung vorzutragen und ggf. zu beweisen. Nach der neueren Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 14.10.2003 - 9 AZR 12/03) müssen allerdings Arbeitnehmer, die eine "überdurchschnittliche" Beurteilung erstreben, die hierfür erforderlichen Tatsachen beibringen. Das soll jedenfalls dann gelten, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zeugnis (bereits) "eine gut durchschnittliche Leistung" bescheinigt hat.

Galt ursprünglich eine "befriedigende" Leistung als "durchschnittlich" im Sinn der BAG-Rechtsprechung, kann hieran nach neuesten empirischen Erkenntnissen nicht mehr festgehalten werden. Denn danach bescheinigen mittlerweile 86,6 Prozent der erteilten Arbeitszeugnisse "gute" oder bessere Leistungen (vgl. Düwell/Dahl, NZA 2011, 958 ff.). Vor diesem Hintergrund  kann dem Arbeitnehmer nicht länger der Nachweis dafür auferlegt werden, er sei zu Unrecht in die Gruppe der schwächsten 13,4 Prozent aller Beschäftigten eingereiht worden.

Die Beklagte ist ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen. Ihre auf Objektivierung gerichteten Ausführungen waren durchweg derart formelhaft, dass sie dem Gericht nicht einmal die prozessuale Befugnis verschafft haben, dem Sachverhalt mit den ihm verfügbaren Mitteln der Tatsachenfeststellung auf den Grund zu gehen.

juris
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