04.02.2020

Zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates zur Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit

Der Betriebsrat hat nach § 9 Abs. 3 Arbeitssicherheitsgesetz kein Mitbestimmungsrecht, insbesondere kein Initiativrecht, zur Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit. Ist eine Rechtsfrage - wie hier - umstritten und die Frage noch nicht vom BAG geklärt, ist die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig.

LAG Berlin-Brandenburg v. 5.11.2019 - 7 TaBV 1728/19
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller ist der bei der Beteiligten zu 2, einem Unternehmen, das im Auftrag der BVG Fahrdienstleistungen erbringt, mit 17 Mitgliedern gewählte Betriebsrat. Dieser warf der bei der Arbeitgeberin beschäftigten Fachkraft für Arbeitssicherheit vor, nicht ausreichend für den Arbeitsschutz tätig zu werden. Er regte daher gegenüber der Arbeitgeberin an, diesen Mitarbeiter als Fachkraft für Arbeitssicherheit abzuberufen. Nachdem die Arbeitgeberin dieses Ansinnen als unbegründet zurückgewiesen hatte, beschloss der Betriebsrat in seiner ordentlichen Sitzung vom 9.7.2017 bei 13 anwesenden Betriebsratsmitgliedern mit 12 Ja-Stimmen und einer Enthaltung, seine Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen und gegebenenfalls gerichtlichen Geltendmachung seines Mitbestimmungsrechts bei der Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit zu beauftragen.

In seiner Sitzung vom 3.9.2019, an der 15 von 17 Mitgliedern teilnahmen, beschloss der Betriebsrat die Einigungsstelle mit dem Gegenstand "Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit" unter dem Vorsitz des Vorsitzenden Richters Dr. A. am LAG a.D. anzurufen und das Beschlussverfahren nach § 100 Arbeitsgerichtsgesetz einzuleiten. Ob die Einladung zu dieser Sitzung vor dem 30.8.2019 unter Punkt 9 einen entsprechenden Tagesordnungspunkt enthalten hatte und allen Betriebsratsmitgliedern sowie Ersatzmitgliedern rechtzeitig zugegangen war und ob für die beiden abwesenden Betriebsratsmitglieder Ersatzmitglieder hätten geladen werden müssen, blieb zwischen den Beteiligten streitig.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Gegenstand "Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit" Dr. A. bestellt und die Zahl der Beisitzer auf 2 je Seite festgesetzt. Die Arbeitgeberin rügte im Beschwerdeverfahren eine ordnungsgemäße Beschlussfassung und bestritt, dass die Einladung zur Betriebsratssitzung vom 3.9.2019 schon vor dem 30.8.2019 den entsprechenden Tagesordnungspunkt 9 vorgesehen habe und sämtlichen ordentlichen Betriebsratsmitgliedern und ggf. Ersatzmitgliedern rechtzeitig zugegangen sei. Die Beschwerde blieb allerdings vor dem LAG erfolglos.

Die Gründe:
Der Antrag ist zulässig. Das Einigungsstellenverfahren nach § 100 ArbGG wurde ordnungsgemäß bei Gericht eingeleitet. Die Einigungsstelle ist nicht offensichtlich unzuständig.

Nicht offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht und es an einer Klärung des Bundesarbeitsgerichts fehlt. Hier kann eine Zuständigkeit der Einigungsstelle im Rahmen des Verfahrens nach § 100 Arbeitsgerichtsgesetz nicht verneint werden. Denn es ist dann Sache der Einigungsstelle ihre Zuständigkeit zu prüfen und eine entsprechende Entscheidung zu treffen, die im normalen Beschlussverfahren unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter und im vollständigen Instanzenzug überprüft werden kann. Und bei Beachtung dieses Maßstabes erweist sich die Einigungsstelle im vorliegenden Fall nicht als offensichtlich unzuständig.

Zwar spricht der Gesetzeswortlaut in § 9 Arbeitssicherheitsgesetz gegen ein Initiativrecht des Betriebsrats bei der Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit und damit gegen eine Zuständigkeit der Einigungsstelle für einen solchen Antrag. Nach § 9 Abs. 3 Arbeitssicherheitsgesetz sind Fachkräfte für Arbeitssicherheit mit Zustimmung des Betriebsrats zu bestellen und abzuberufen. Das Gleiche soll bei deren Aufgabenerweiterung oder -Einschränkung gelten. Diesbezüglich wird auf § 87 BetrVG verwiesen. Diese Grundsätze gelten nur bei der Bestimmung von Arbeitnehmern als solche Personen, nicht aber bei der Verpflichtung von freiberuflich Tätigen. In letzterem Fall ist der Betriebsrat (nur) zu hören. Das Gesetz sieht daher für den Fall der Abberufung ausdrücklich nur die "Zustimmung" des Betriebsrats vor. Eine "Zustimmung" setzt aber bereits begrifflich eine Maßnahme des Arbeitgebers voraus; nur einer solchen Vorgabe durch den Arbeitgeber kann der Betriebsrat "zustimmen".

Das LAG Hamm ist in einem Beschluss vom 7.1.2008 - 10 TaBV 125 / 07 in Bezug auf einen Betriebsarzt davon ausgegangen, dass in den Fällen, in denen sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf die Anstellung eines Betriebsarztes durch Arbeitsvertrag geeinigt haben, der Betriebsrat bei der Abberufung des jeweiligen Betriebsarztes mitzubestimmen habe. Diese Auffassung überzeugt indes nicht. Es liegt zunächst schon nicht nahe, von einer unbewussten gesetzlichen "Regelungslücke" auszugehen. Der Gesetzgeber kannte die Begrifflichkeiten des Betriebsverfassungsgesetz, wie sich schon daraus ergibt, dass er im Satz 2 des Absatzes 3 von § 87 Betriebsverfassungsgesetz spricht. Wenn es dann im Gesetz heißt, "mit Zustimmung des Betriebsrates", muss diese Gesetzesformulierung als maßgeblich angesehen werden. Hätte der Gesetzgeber dem Betriebsrat ein dem § 87 BetrVG entsprechendes Mitbestimmungsrecht einräumen wollen, hätte er dies ohne weiteres tun können.

Im Hinblick auf die in der Literatur vertretene Auffassung, dem Betriebsrat stünde ein volles Mitbestimmungsrecht und auch ein Initiativrecht zu, ist vorliegend von einer ungeklärten Rechtsfrage auszugehen. Denn die insoweit streitige Frage ist vom BAG noch nicht entschieden worden. Damit war nach den obigen Grundsätzen die Einigungsstelle nach § 100 ArbGG einzusetzen. Diese hat dann in eigener Kompetenz ihrer Zuständigkeit zu klären.
 
Rechtsprechungsdatenbank Berlin-Brandenburg
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