Zur Frage der Unwirksamkeit der Wartezeitkündigung eines schwerbehinderten Menschen bei fehlendem Präventionsverfahren
LAG Köln v. 12.9.2024 - 6 SLa 76/24
Der Sachverhalt:
Der 1984 geborene Kläger verfügt über einen Grad der Behinderung von 80 und war bei der beklagten Kommune seit dem 1.1.2023 im Bauhof beschäftigt. Am 22.6.2023 kündigte die Beklagte dem Kläger innerhalb der Probezeit ohne zuvor ein Präventionsverfahren durchgeführt zu haben.
Das Präventionsverfahren nach §167 SGB IX stellt ein kooperatives Klärungsverfahren dar, das Arbeitgeber unter Beteiligung internen und externen Sachverstandes (insb. Schwerbehindertenvertretung, Integrationsamt, Rehabilitationsträger) durchführen müssen, wenn der Arbeitsplatz eines schwerbehinderten Arbeitnehmers gefährdet ist. Unterlässt der Arbeitgeber die Durchführung des Präventionsverfahrens, kann dies zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Denn in einem solchen Fall wird vermutet, dass der Arbeitgeber den schwerbehinderten Arbeitnehmer wegen des nicht durchgeführten Präventionsverfahrens diskriminiert hat.
Das ArbG gab der Kündigungsschutzklage statt. Auf die Berufung der Beklagten wies das LAG sie ab. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Revision beim BAG eingelegt werden.
Die Gründe:
Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BAG (Urteil v. 21.4.2016 - 8 AZR 402/14) ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei auftretenden Schwierigkeiten bereits innerhalb der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses ein Präventionsverfahren durchzuführen. Die vom BAG vorgenommene zeitliche Begrenzung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch stützt eine Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen dieses Ergebnis.
Wegen der auch vom BAG angenommenen strukturellen Probleme, ein Präventionsverfahren vor Ablauf der ersten sechs Monate ("Probezeit") zum Abschluss zu bringen, hat das LAG für diese Sonderkonstellation aber eine Beweiserleichterung zugunsten des Arbeitgebers vorgenommen, um die Wartezeitkündigung gegenüber einem schwerbehinderten Menschen nicht faktisch vollständig auszuschließen.
Da die beklagte Kommune vorliegend jedoch widerlegen konnte, dass sie dem Kläger wegen der Schwerbehinderung gekündigt hatte, führte die Tatsache, dass hier kein Präventionsverfahren durchgeführt wurde, nicht zur Unwirksamkeit der Probezeitkündigung des Klägers. Die Kündigungsschutzklage des Klägers war daher abzuweisen.
Mehr zum Thema:
Aufsatz
Durchführung des Präventionsverfahrens zugunsten von Schwerbehinderten auch vor einer Kündigung während der Wartezeit?
Wolfgang Kleinebrink, ArbRB Blog 2024
ARBRBBLOG0008215
Rechtsprechung (Vorinstanz)
Arbeitsrecht
AG Köln vom 20.12.2023 - 18 CA 3954/23
Rechtsprechung (die vom LAG zitierte BAG-Entscheidung)
Kündigung eines behinderten Menschen innerhalb der Wartezeit ohne vorheriges Präventionsverfahren
BAG vom 21.4.2016 - 8 AZR 402/14
Patrick Esser, ArbRB 2016, 294
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LAG Köln PM vom 12.9.2024
Der 1984 geborene Kläger verfügt über einen Grad der Behinderung von 80 und war bei der beklagten Kommune seit dem 1.1.2023 im Bauhof beschäftigt. Am 22.6.2023 kündigte die Beklagte dem Kläger innerhalb der Probezeit ohne zuvor ein Präventionsverfahren durchgeführt zu haben.
Das Präventionsverfahren nach §167 SGB IX stellt ein kooperatives Klärungsverfahren dar, das Arbeitgeber unter Beteiligung internen und externen Sachverstandes (insb. Schwerbehindertenvertretung, Integrationsamt, Rehabilitationsträger) durchführen müssen, wenn der Arbeitsplatz eines schwerbehinderten Arbeitnehmers gefährdet ist. Unterlässt der Arbeitgeber die Durchführung des Präventionsverfahrens, kann dies zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Denn in einem solchen Fall wird vermutet, dass der Arbeitgeber den schwerbehinderten Arbeitnehmer wegen des nicht durchgeführten Präventionsverfahrens diskriminiert hat.
Das ArbG gab der Kündigungsschutzklage statt. Auf die Berufung der Beklagten wies das LAG sie ab. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Revision beim BAG eingelegt werden.
Die Gründe:
Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BAG (Urteil v. 21.4.2016 - 8 AZR 402/14) ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei auftretenden Schwierigkeiten bereits innerhalb der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses ein Präventionsverfahren durchzuführen. Die vom BAG vorgenommene zeitliche Begrenzung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch stützt eine Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen dieses Ergebnis.
Wegen der auch vom BAG angenommenen strukturellen Probleme, ein Präventionsverfahren vor Ablauf der ersten sechs Monate ("Probezeit") zum Abschluss zu bringen, hat das LAG für diese Sonderkonstellation aber eine Beweiserleichterung zugunsten des Arbeitgebers vorgenommen, um die Wartezeitkündigung gegenüber einem schwerbehinderten Menschen nicht faktisch vollständig auszuschließen.
Da die beklagte Kommune vorliegend jedoch widerlegen konnte, dass sie dem Kläger wegen der Schwerbehinderung gekündigt hatte, führte die Tatsache, dass hier kein Präventionsverfahren durchgeführt wurde, nicht zur Unwirksamkeit der Probezeitkündigung des Klägers. Die Kündigungsschutzklage des Klägers war daher abzuweisen.
Aufsatz
Durchführung des Präventionsverfahrens zugunsten von Schwerbehinderten auch vor einer Kündigung während der Wartezeit?
Wolfgang Kleinebrink, ArbRB Blog 2024
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Rechtsprechung (Vorinstanz)
Arbeitsrecht
AG Köln vom 20.12.2023 - 18 CA 3954/23
Rechtsprechung (die vom LAG zitierte BAG-Entscheidung)
Kündigung eines behinderten Menschen innerhalb der Wartezeit ohne vorheriges Präventionsverfahren
BAG vom 21.4.2016 - 8 AZR 402/14
Patrick Esser, ArbRB 2016, 294
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Für klare Verhältnisse sorgen: Mit den Inhalten der erstklassigen Standardwerke zum Arbeitsrecht. Topaktuell mit Fachinformationen rund um die Corona-Krise. Zahlreiche bewährte Formulare auch mit LAWLIFT bearbeiten! Neuauflage HWK Arbeitsrecht Kommentar mit Rechtsstand 1.4.2022. Hier online nutzen. 4 Wochen gratis nutzen!