Zusatzversorgung für die Beschäftigten der Brot- und Backwarenindustrie
LAG Düsseldorf v. 8.6.2022 - 12 Sa 8/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung des Verbandes der Deutschen Brot- und Backwarenindustrie und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) aufgrund des zwischen diesen Parteien abgeschlossenen Tarifvertrages über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für die Beschäftigten der Brot- und Backwarenindustrie. Die Beklagte ist ein Unternehmen mit 330 Mitarbeitern und nicht Mitglied des Deutsche Großbäckereien e.V. Sie ist die Schwestergesellschaft der B. C. Deutschland GmbH mit Sitz in Sachsen-Anhalt, die tiefgefrorene Backspezialitäten unterschiedlichster Art in industrieller Fertigung herstellt. Die Beklagte übernahm den Vertrieb dieser Backwaren für ihre Schwestergesellschaft an ca. 15.000 gewerbliche Kunden u.a. durch Außendienstmitarbeiter. Darüber hinaus betrieb sie einen Onlineshop, über den die Produkte ebenfalls ausschließlich an gewerbliche Kunden veräußert wurden. Die Beklagte unterhält keine stationären Verkaufsfilialen.
Im Januar 2021 forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos zur Zahlung der Beiträge für die Jahre 2020 i.H.v. 108.004 € und für 2021 i.H.v. 86.465 € auf. Sie war der Ansicht, bei dem Betrieb der Beklagten handele es sich aufgrund des eigenen Onlineshops im gewerblichen Bereich um einen Betrieb i.S.v.§ 1 b Nr. 1 ZVK-TV, der Brot- und Backwaren vertreibt und verkauft. Entscheidend sei nicht der Kundenkreis, sondern das Sortiment, nämlich industriell gefertigte Brot- und Backwaren jeder Art und Fertigungsstufe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat dies damit begründet, dass der Anwendungsbereich des ZVK-TV gemäß § 1 b Nr. 1 ZVK-TV eröffnet sei. Auf die Berufung der Beklagten hat das LAG das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Allerdings wurde die Revision zum BAG zugelassen.
Die Gründe:
Die Klägerin kann von der Beklagten für die Jahre 2020 und 2021 keine Zahlung von Beiträgen gem. § 4 ZVK-TV i.V.m. 31 Abs. 1 SoKaSiG2 verlangen, weil für die Beklagte der Geltungsbereich des ZVK-TV weder gem. § 1 b Nr. 1 ZVK-TV noch gem. § 1 b Nr. 2 ZVK-TV gegeben ist.
Unstreitig ist die Beklagte selbst kein Betrieb der Brot- und Backwarenindustrie. Sie ist aber auch kein Betrieb, der im Tarifsinne Backwaren vertreibt und verkauft, weil sie die Brot- und Bachwaren der B. C. Deutschland GmbH nicht über den stationären Einzelhandel an die Endverbraucher verkauft. Der gegenteiligen Auslegung des Arbeitsgerichts ist nicht zuzustimmen. Vertrieb ist laut Lexikon die Vorbereitung und Durchführung betrieblicher Arbeiten und Maßnahmen, die darauf abzielen, dass die gefertigten Produkte (oder auch Dienstleistungen) auf den entsprechenden Markt gelangen, dort angeboten werden können. Vertrieb werde danach im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch mit dem Begriff des Verkaufs im weiteren Sinne gleichgesetzt. Beim Vertrieb gehe es um die Gestaltung des Absatzes der Produkte auf den Märkten.
Entgegen der Ansicht der Klägerin steht dem auch nicht der Sinn und Zweck entgegen, die Zusatzversorgungskassen im Bereich der Brot- und Backwarenindustrie umfassend zu verankern. Dieser Zweck trifft zwar als solcher zu. Dies ändert aber nichts an dem differenziert von den Tarifvertragsparteien angeordneten fachlichen Geltungsbereich des ZVK-TV. Die Tarifvertragsparteien haben in § 1 b Nrn. 1 und 2 ZVK-TV gerade eine Differenzierung in Bezug auf den fachlichen Geltungsbereich vorgenommen. § 1 b Nr. 1 ZVK-ZV erfasst letztlich die originäre Wertschöpfung im Bereich der Brot- und Backwarenindustrie, d.h. die Herstellung von Brot- und Backwaren, wobei die in § 1 b Nr. 2 ZVK-TV genannten Hilfsfunktionen des eigenständigen Herstellungs- bzw. Industriebetriebs i.S.v. § 1 b Nr. 1 1. Fall ZVK-TV ebenfalls erfasst sind, wenn er diese selbst erbringt.
Als eigenständige und alleinige Vertriebsform ist von § 1 b Nr. 1 ZVK-TV nur der Verkauf an den Endverbraucher auf einem bestimmten Vertriebsweg, nämlich über Verkaufsstellen erfasst. § 1 b Nr. 2 ZVK-TV hingegen will damit sicherstellen, dass dann, wenn - wie hier - bestimmte Hilfsfunktionen auf andere Unternehmen ausgelagert werden, diese auch erfasst werden. Dies ist aber nur unter den zusätzlichen tatbestandlichen Voraussetzungen von § 1 b Nr. 2 ZVK-TV der Fall. Dies ist allerdings hier nicht der Fall. Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 1 b Nr. 2 ZVK-TV sind nicht gegeben. Bei der Beklagten handelt es sich gerade nicht um einen Betrieb, der gem. § 1 b Nr. 2 ZVK-TV einen Zusammenschluss mit einem von § 1 b Nr. 1 ZVK-TV erfassten Betrieb bildet. Sie erbringt nicht für einen Betrieb gem. § 1 b Nr. 1 ZVK-TV den Vertrieb, sondern sie erbringt für die B. C. Deutschland GmbH die zusätzliche Leistung des Vertriebs ihrer Backwaren als Zwischenschritt, d.h. gerade nicht an die Endverbraucher.
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Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung des Verbandes der Deutschen Brot- und Backwarenindustrie und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) aufgrund des zwischen diesen Parteien abgeschlossenen Tarifvertrages über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für die Beschäftigten der Brot- und Backwarenindustrie. Die Beklagte ist ein Unternehmen mit 330 Mitarbeitern und nicht Mitglied des Deutsche Großbäckereien e.V. Sie ist die Schwestergesellschaft der B. C. Deutschland GmbH mit Sitz in Sachsen-Anhalt, die tiefgefrorene Backspezialitäten unterschiedlichster Art in industrieller Fertigung herstellt. Die Beklagte übernahm den Vertrieb dieser Backwaren für ihre Schwestergesellschaft an ca. 15.000 gewerbliche Kunden u.a. durch Außendienstmitarbeiter. Darüber hinaus betrieb sie einen Onlineshop, über den die Produkte ebenfalls ausschließlich an gewerbliche Kunden veräußert wurden. Die Beklagte unterhält keine stationären Verkaufsfilialen.
Im Januar 2021 forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos zur Zahlung der Beiträge für die Jahre 2020 i.H.v. 108.004 € und für 2021 i.H.v. 86.465 € auf. Sie war der Ansicht, bei dem Betrieb der Beklagten handele es sich aufgrund des eigenen Onlineshops im gewerblichen Bereich um einen Betrieb i.S.v.§ 1 b Nr. 1 ZVK-TV, der Brot- und Backwaren vertreibt und verkauft. Entscheidend sei nicht der Kundenkreis, sondern das Sortiment, nämlich industriell gefertigte Brot- und Backwaren jeder Art und Fertigungsstufe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat dies damit begründet, dass der Anwendungsbereich des ZVK-TV gemäß § 1 b Nr. 1 ZVK-TV eröffnet sei. Auf die Berufung der Beklagten hat das LAG das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Allerdings wurde die Revision zum BAG zugelassen.
Die Gründe:
Die Klägerin kann von der Beklagten für die Jahre 2020 und 2021 keine Zahlung von Beiträgen gem. § 4 ZVK-TV i.V.m. 31 Abs. 1 SoKaSiG2 verlangen, weil für die Beklagte der Geltungsbereich des ZVK-TV weder gem. § 1 b Nr. 1 ZVK-TV noch gem. § 1 b Nr. 2 ZVK-TV gegeben ist.
Unstreitig ist die Beklagte selbst kein Betrieb der Brot- und Backwarenindustrie. Sie ist aber auch kein Betrieb, der im Tarifsinne Backwaren vertreibt und verkauft, weil sie die Brot- und Bachwaren der B. C. Deutschland GmbH nicht über den stationären Einzelhandel an die Endverbraucher verkauft. Der gegenteiligen Auslegung des Arbeitsgerichts ist nicht zuzustimmen. Vertrieb ist laut Lexikon die Vorbereitung und Durchführung betrieblicher Arbeiten und Maßnahmen, die darauf abzielen, dass die gefertigten Produkte (oder auch Dienstleistungen) auf den entsprechenden Markt gelangen, dort angeboten werden können. Vertrieb werde danach im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch mit dem Begriff des Verkaufs im weiteren Sinne gleichgesetzt. Beim Vertrieb gehe es um die Gestaltung des Absatzes der Produkte auf den Märkten.
Entgegen der Ansicht der Klägerin steht dem auch nicht der Sinn und Zweck entgegen, die Zusatzversorgungskassen im Bereich der Brot- und Backwarenindustrie umfassend zu verankern. Dieser Zweck trifft zwar als solcher zu. Dies ändert aber nichts an dem differenziert von den Tarifvertragsparteien angeordneten fachlichen Geltungsbereich des ZVK-TV. Die Tarifvertragsparteien haben in § 1 b Nrn. 1 und 2 ZVK-TV gerade eine Differenzierung in Bezug auf den fachlichen Geltungsbereich vorgenommen. § 1 b Nr. 1 ZVK-ZV erfasst letztlich die originäre Wertschöpfung im Bereich der Brot- und Backwarenindustrie, d.h. die Herstellung von Brot- und Backwaren, wobei die in § 1 b Nr. 2 ZVK-TV genannten Hilfsfunktionen des eigenständigen Herstellungs- bzw. Industriebetriebs i.S.v. § 1 b Nr. 1 1. Fall ZVK-TV ebenfalls erfasst sind, wenn er diese selbst erbringt.
Als eigenständige und alleinige Vertriebsform ist von § 1 b Nr. 1 ZVK-TV nur der Verkauf an den Endverbraucher auf einem bestimmten Vertriebsweg, nämlich über Verkaufsstellen erfasst. § 1 b Nr. 2 ZVK-TV hingegen will damit sicherstellen, dass dann, wenn - wie hier - bestimmte Hilfsfunktionen auf andere Unternehmen ausgelagert werden, diese auch erfasst werden. Dies ist aber nur unter den zusätzlichen tatbestandlichen Voraussetzungen von § 1 b Nr. 2 ZVK-TV der Fall. Dies ist allerdings hier nicht der Fall. Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 1 b Nr. 2 ZVK-TV sind nicht gegeben. Bei der Beklagten handelt es sich gerade nicht um einen Betrieb, der gem. § 1 b Nr. 2 ZVK-TV einen Zusammenschluss mit einem von § 1 b Nr. 1 ZVK-TV erfassten Betrieb bildet. Sie erbringt nicht für einen Betrieb gem. § 1 b Nr. 1 ZVK-TV den Vertrieb, sondern sie erbringt für die B. C. Deutschland GmbH die zusätzliche Leistung des Vertriebs ihrer Backwaren als Zwischenschritt, d.h. gerade nicht an die Endverbraucher.
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