Notarielles Nachlassverzeichnis: Keine Beschwerde des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem vom Erben beauftragten Notar
BGH v. 19.7.2023 - IV ZB 31/22Der Beschwerdeführer begehrt als Pflichtteilsberechtigter nach dem am 10.5.2018 verstorbenen Erblasser die Anweisung an den Notar, ein notarielles Nachlassverzeichnis aufzunehmen. Die Erbin des Erblassers beauftragte den Notar mit der Erstellung des Verzeichnisses im Juli 2019. Der Notar nahm den Auftrag an; das Nachlassverzeichnis hat er bisher aber nicht erstellt. Der Anspruch des Beschwerdeführers gegen die Erbin auf Erstellung des Verzeichnisses ist zwischenzeitlich durch Anerkenntnisurteil tituliert.
Der Beschwerdeführer hat nach mehrfacher Aufforderung an den Notar, das Nachlassverzeichnis zu erstellen, beim LG Notarbeschwerde gegen dessen Untätigkeit erhoben. Dieses hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers, mit der er die Aufhebung des Beschlusses des LG und die Anweisung an den Notar begehrt, ein notarielles Nachlassverzeichnis zum Nachlass des Erblassers nach Maßgabe des dem Notar von der Erbin erteilten Auftrags aufzunehmen.
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das LG hat ohne Rechtsfehler die Berechtigung des Beschwerdeführers für eine Beschwerde gegen die Untätigkeit des Notars verneint. Es fehlt ihm an der gem. § 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m. § 59 Abs. 1, Abs. 2 FamFG hierfür erforderlichen materiellen Beschwer.
Der Beschwerdeführer macht ohne Erfolg geltend, er sei als Pflichtteilsberechtigter zur Einlegung der Beschwerde berechtigt gewesen, weil die Verweigerung der Amtstätigkeit des Notars das ihm zustehende Recht auf ein Nachlassverzeichnis gefährde. Für eine Beschwerdeberechtigung des Beschwerdeführers fehlt es an einer materiellen Beschwer i.S.v. § 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m. § 59 Abs. 1 FamFG. Nach § 59 Abs. 1 FamFG steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Dafür ist ein unmittelbarer, nachteiliger Eingriff in ein dem Beschwerdeführer zustehendes subjektives Recht erforderlich. Die angefochtene Entscheidung muss ein bestehendes Recht des Beschwerdeführers aufheben, beschränken, mindern, ungünstig beeinflussen oder gefährden, die Ausübung dieses Rechts stören oder dem Beschwerdeführer die mögliche Verbesserung seiner Rechtsstellung vorenthalten oder erschweren.
Gemessen daran fehlt es hier an einer unmittelbaren Rechtsbeeinträchtigung des Beschwerdeführers. Ein Recht, das der Notar negativ durch das Unterlassen der Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses beeinflussen kann, steht dem Beschwerdeführer nicht zu. Ihm geht es in der Sache darum, die Erfüllung seines schuldrechtlichen Auskunftsanspruchs aus § 2314 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 BGB gegen die Erbin herbeizuführen. Das begründet lediglich ein wirtschaftliches und rechtliches Interesse an der begehrten Tätigkeit des Notars, aus dem eine Beschwerdeberechtigung nach § 59 Abs. 1 FamFG nicht hergeleitet werden kann. Daher wird auch nach herrschender Ansicht in der Literatur die Zulässigkeit eines Vorgehens des Pflichtteilsberechtigten gegen den mit der Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses beauftragten Notar im Wege einer Notarbeschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO abgelehnt.
Der durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu erfüllende Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben gem. § 2314 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 BGB wird durch eine Verweigerung der Notartätigkeit ebenso wenig wie sein Pflichtteilsanspruch aus § 2303 BGB im oben genannten Sinne beeinträchtigt. Der Pflichtteilsberechtigte kann seinen Anspruch uneingeschränkt gegenüber dem Erben geltend machen und ggf. im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen. Aus dem Auskunftsanspruch gegen den Erben folgt auch kein unmittelbar gegen den von diesem mit der Verzeichnisaufnahme beauftragten Notar gerichteter Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Errichtung des notariellen Nachlassverzeichnisses i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO.
Nach allgemeiner Auffassung ist daher nur der Erbe Auftraggeber des notariellen Nachlassverzeichnisses; der Pflichtteilsberechtigte selbst ist nicht antragsbefugt und nicht berechtigt, vom Notar die Aufnahme des Verzeichnisses zu verlangen. Der Pflichtteilsberechtigte hat - trotz seines Zuziehungsrechts nach § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB - nach ganz herrschender Auffassung auch keine Mitwirkungsrechte bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses.
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