18.10.2024

Pflicht zur Kontrolle des Fristenkalenders gilt auch bei elektronischer Kalenderführung

Auch bei einer elektronischen Kalenderführung bedarf es einer Kontrolle des Fristenkalenders, um Datenverarbeitungsfehler des eingesetzten Programms sowie Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig erkennen und beseitigen zu können.

BGH v. 26.9.2024 - III ZB 82/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin wandte sich mit ihrer Rechtsbeschwerde gegen die Versagung der begehrten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Verwerfung ihrer Berufung gegen ein Urteil des LG, durch das ihre insbesondere auf Zahlung von Schadensersatz wegen behaupteter Verletzung von Pflichten aus einem Anlageberatungs- und Anlagevermittlungsvertrag gerichtete Klage abgewiesen worden war. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat ihr Prozessbevollmächtigter ausgeführt, die Fristversäumung beruhe allein auf einem leichten Versehen zweier sehr zuverlässiger und ansonsten beanstandungsfrei arbeitender Kanzleimitarbeiter. Die Berufungsbegründungsfrist und die zugehörige Vorfrist seien aufgrund eines Datenverarbeitungsfehlers im Fristenkalender einer nicht mehr in der Kanzlei tätigen Mitarbeiterin eingetragen worden und nicht, wie alle anderen Fristen, im Kalender des damals sachbearbeitenden Rechtsanwalts.

Zu einem Datenverarbeitungsfehler der vorliegenden Art sei es in der sechsjährigen anwaltlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts noch nie gekommen. Zwar habe dieser die Deckungsanfrage bei der Rechtsschutzversicherung gestellt und anhand der Notiz überprüft, dass die Fristen eingetragen seien. Er habe aber nicht davon ausgehen müssen, dass die Berufungsbegründungs- und die zugehörige Vorfrist nicht in seinem Termin- und Fristenkalender erscheinen würden.

Das OLG hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin verworfen. Der BGH hat die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Klägerin als unzulässig verworfen.

Gründe:
Bei der Eingabe von Fristen in den elektronischen Fristenkalender bestehen spezifische Fehlermöglichkeiten, insbesondere auch bei der Datenverarbeitung (Senat, Beschl. v. 28.2.2019 - III ZB 96/18). Es bedarf daher auch bei einer elektronischen Kalenderführung einer Kontrolle des Fristenkalenders, um Datenverarbeitungsfehler des eingesetzten Programms sowie Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig erkennen und beseitigen zu können (vgl. Senat aaO; BGH, Beschl. v. 2.2.2021 - X ZB 2/20).

Die Auffassung, ein Rechtsanwalt dürfe die Korrektheit der Datenverarbeitung ohne weiteren Kontrollschritt voraussetzen, ist mit der dargestellten BGH-Rechtsprechung nicht zu vereinbaren. Dabei bedarf es weiterhin keiner Entscheidung, wie diese Kontrolle im Einzelnen zu erfolgen hat, insbesondere ob es eines Kontrollausdrucks in Papierform bedarf. Denn die Klägerin hat vorgetragen, es sei überhaupt keine Kontrolle des Ergebnisses der Datenverarbeitung in Bezug auf die richtige Zuordnung zu dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt vorgenommen worden. Soweit sie geltend gemacht hatte, eine weitergehende Kontrolle sei nicht zumutbar, ergab sich u.a. aus dem vorgelegten Ausdruck der "Termine zur Akte", dass der für die Fristversäumung ursächliche Datenverarbeitungsfehler - die falsche Zuordnung des Sachbearbeiters - sich nicht nur im Fristenkalender ausgewirkt hatte, sondern auch in der Aufstellung der Termine in der elektronischen Akte abgebildet und daher ohne weiteres erkennbar war.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Rechtsprechungsübersicht zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Norbert Vossler, MDR 2024, 474

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