Scheidungsfolgenvereinbarung: Schadensersatz nach unterbliebenem Hinweis des Anwalts auf notwendige steuerliche Beratung wegen Übertragung von Grundeigentum
BGH v. 9.1.2020 - IX ZR 61/19
Der Sachverhalt:
Die Klägerin traf im November 2011 mit ihrem Ehemann eine notariell beurkundete Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung. Danach verpflichtete sich die Klägerin, an ihren Ehemann zur Abgeltung des Zugewinnausgleichs neben einer Zahlung von 40.000 € ein Mietshaus zu übereignen. Bei Abschluss der Vereinbarung wurde die Klägerin, die Eigentümerin eines weiteren Mietshauses ist, von dem Beklagten anwaltlich beraten.
Nach Umsetzung der Vereinbarung wurde gegen die Klägerin wegen eines von ihr aus der Übertragung des Mietshauses erzielten Veräußerungsgewinns über rd. 96.000 € von dem Finanzamt S. eine Steuer von rd. 40.0000 € festgesetzt. Aufgrund eines von der Klägerin gegen eine Vergütung von rd. 2.500 € eingeholten Wertermittlungsgutachtens wurde im Einspruchsverfahren ein geringerer Verkehrswert des Grundstücks festgestellt und die Steuer auf rd. 19.000 € ermäßigt. Die steuerliche Belastung wäre gem. § 22 Nr. 2, § 23 EStG vermeidbar gewesen, wenn die Klägerin das andere ihr gehörende Mietshaus, für das die Spekulationsfrist bereits abgelaufen war, ihrem Ehemann übereignet hätte. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten Erstattung des Steuerbetrages von 19.000 € sowie der Kosten des von ihr eingeholten Sachverständigengutachtens von 2.500 €, also insgesamt 21.500 €.
Das LG wies die Klage ab. Das OLG gab ihr teilweise statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von rd. 14.000 €. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Dem Beklagten ist insbesondere als Pflichtverletzung vorzuwerfen, die Klägerin nicht über die Notwendigkeit der Beteiligung eines Steuerberaters bei Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung unterrichtet zu haben.
Bei einem gegenständlich beschränkten Mandat kann der Rechtsanwalt zu Hinweisen und Warnungen außerhalb des eigentlichen Vertragsgegenstandes verpflichtet sein. Voraussetzung derartiger Pflichten ist, dass die dem Mandanten drohenden Gefahren dem Anwalt bekannt oder für ihn offenkundig sind oder sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Mandats aufdrängen; Voraussetzung ist weiter, dass der Anwalt Grund zu der Annahme hat, dass der Auftraggeber sich der Gefahren nicht bewusst ist. Vorliegend war der Beklagte verpflichtet, die Klägerin bei der Beratung über die Scheidungsfolgenvereinbarung wegen der dort vorgesehenen Grundstücksübertragung und der damit gem. § 22 Nr. 2, § 23 EStG möglicherweise verbundenen steuerlichen Belastungen auf die Notwendigkeit der Einschaltung eines Steuerberaters hinzuweisen. Die Gefahr einer der Klägerin nicht bewussten steuerlichen Belastung drängte sich bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Mandats auf.
Auch im Blick auf die Schadensbemessung ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden. Soweit das OLG den Steuerschaden in Anwendung von § 287 ZPO mit rd. 11.000 € veranschlagt, werden von der Revision keine Rügen erhoben. Erstattungsfähig sind ferner die der Klägerin erwachsenen Gutachterkosten i.H.v. rd. 2.500 €. Denn der durch eine fehlerhafte steuerliche Beratung verursachte Schaden umfasst auch die Kosten eines von dem Mandanten eingeholten Wertgutachtens, mit dessen Hilfe - wie im Streitfall - ein geringerer Verkehrswert eines für die Steuerfestsetzung maßgeblichen Grundstücks nachgewiesen und die Steuerlast verringert werden kann.
Dem OLG kann allerdings nicht gefolgt werden, soweit es einen Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden als erwiesen erachtet. Im Rahmen von Verträgen mit rechtlichen oder steuerlichen Beratern gilt die Vermutung, dass der Mandant beratungsgemäß gehandelt hätte, nur, wenn im Hinblick auf die Interessenlage oder andere objektive Umstände eine bestimmte Entschließung des zutreffend unterrichteten Mandanten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre. Voraussetzung sind danach tatsächliche Feststellungen, die im Falle sachgerechter Aufklärung durch den Berater aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegt hätten. Kommen mehrere objektiv gleich vernünftige Verhaltensweisen in Betracht, hat der Mandant grundsätzlich den Weg zu bezeichnen, für den er sich entschieden hätte. Ist für die behauptete Vorgehensweise notwendigerweise die Bereitschaft Dritter erforderlich, den beabsichtigten Weg mitzugehen, muss der Mandant dessen Bereitschaft hierzu im damaligen maßgeblich Zeitpunkt darlegen und beweisen.
Danach findet vorliegend die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens keine Anwendung. Es mag zwar sein, dass für die Klägerin zur Vermeidung des Steuernachteils die Alternative der Übertragung des anderen Mietshauses auf den Ehemann nahelag. Diese Alternative erforderte jedoch die Bereitschaft des Ehemannes, diese anstelle der tatsächlich übertragenen Immobilie zu übernehmen. Ob diese Bereitschaft bestand, ist bislang nicht geklärt. Deswegen findet die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens keine Anwendung. Das OLG wird daher in der wiedereröffneten mündlichen Verhandlung zu klären haben, ob der Ehemann mit der Übereignung des anderen Mietshauses einverstanden gewesen wäre.
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Die Klägerin traf im November 2011 mit ihrem Ehemann eine notariell beurkundete Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung. Danach verpflichtete sich die Klägerin, an ihren Ehemann zur Abgeltung des Zugewinnausgleichs neben einer Zahlung von 40.000 € ein Mietshaus zu übereignen. Bei Abschluss der Vereinbarung wurde die Klägerin, die Eigentümerin eines weiteren Mietshauses ist, von dem Beklagten anwaltlich beraten.
Nach Umsetzung der Vereinbarung wurde gegen die Klägerin wegen eines von ihr aus der Übertragung des Mietshauses erzielten Veräußerungsgewinns über rd. 96.000 € von dem Finanzamt S. eine Steuer von rd. 40.0000 € festgesetzt. Aufgrund eines von der Klägerin gegen eine Vergütung von rd. 2.500 € eingeholten Wertermittlungsgutachtens wurde im Einspruchsverfahren ein geringerer Verkehrswert des Grundstücks festgestellt und die Steuer auf rd. 19.000 € ermäßigt. Die steuerliche Belastung wäre gem. § 22 Nr. 2, § 23 EStG vermeidbar gewesen, wenn die Klägerin das andere ihr gehörende Mietshaus, für das die Spekulationsfrist bereits abgelaufen war, ihrem Ehemann übereignet hätte. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten Erstattung des Steuerbetrages von 19.000 € sowie der Kosten des von ihr eingeholten Sachverständigengutachtens von 2.500 €, also insgesamt 21.500 €.
Das LG wies die Klage ab. Das OLG gab ihr teilweise statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von rd. 14.000 €. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Dem Beklagten ist insbesondere als Pflichtverletzung vorzuwerfen, die Klägerin nicht über die Notwendigkeit der Beteiligung eines Steuerberaters bei Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung unterrichtet zu haben.
Bei einem gegenständlich beschränkten Mandat kann der Rechtsanwalt zu Hinweisen und Warnungen außerhalb des eigentlichen Vertragsgegenstandes verpflichtet sein. Voraussetzung derartiger Pflichten ist, dass die dem Mandanten drohenden Gefahren dem Anwalt bekannt oder für ihn offenkundig sind oder sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Mandats aufdrängen; Voraussetzung ist weiter, dass der Anwalt Grund zu der Annahme hat, dass der Auftraggeber sich der Gefahren nicht bewusst ist. Vorliegend war der Beklagte verpflichtet, die Klägerin bei der Beratung über die Scheidungsfolgenvereinbarung wegen der dort vorgesehenen Grundstücksübertragung und der damit gem. § 22 Nr. 2, § 23 EStG möglicherweise verbundenen steuerlichen Belastungen auf die Notwendigkeit der Einschaltung eines Steuerberaters hinzuweisen. Die Gefahr einer der Klägerin nicht bewussten steuerlichen Belastung drängte sich bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Mandats auf.
Auch im Blick auf die Schadensbemessung ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden. Soweit das OLG den Steuerschaden in Anwendung von § 287 ZPO mit rd. 11.000 € veranschlagt, werden von der Revision keine Rügen erhoben. Erstattungsfähig sind ferner die der Klägerin erwachsenen Gutachterkosten i.H.v. rd. 2.500 €. Denn der durch eine fehlerhafte steuerliche Beratung verursachte Schaden umfasst auch die Kosten eines von dem Mandanten eingeholten Wertgutachtens, mit dessen Hilfe - wie im Streitfall - ein geringerer Verkehrswert eines für die Steuerfestsetzung maßgeblichen Grundstücks nachgewiesen und die Steuerlast verringert werden kann.
Dem OLG kann allerdings nicht gefolgt werden, soweit es einen Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden als erwiesen erachtet. Im Rahmen von Verträgen mit rechtlichen oder steuerlichen Beratern gilt die Vermutung, dass der Mandant beratungsgemäß gehandelt hätte, nur, wenn im Hinblick auf die Interessenlage oder andere objektive Umstände eine bestimmte Entschließung des zutreffend unterrichteten Mandanten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre. Voraussetzung sind danach tatsächliche Feststellungen, die im Falle sachgerechter Aufklärung durch den Berater aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegt hätten. Kommen mehrere objektiv gleich vernünftige Verhaltensweisen in Betracht, hat der Mandant grundsätzlich den Weg zu bezeichnen, für den er sich entschieden hätte. Ist für die behauptete Vorgehensweise notwendigerweise die Bereitschaft Dritter erforderlich, den beabsichtigten Weg mitzugehen, muss der Mandant dessen Bereitschaft hierzu im damaligen maßgeblich Zeitpunkt darlegen und beweisen.
Danach findet vorliegend die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens keine Anwendung. Es mag zwar sein, dass für die Klägerin zur Vermeidung des Steuernachteils die Alternative der Übertragung des anderen Mietshauses auf den Ehemann nahelag. Diese Alternative erforderte jedoch die Bereitschaft des Ehemannes, diese anstelle der tatsächlich übertragenen Immobilie zu übernehmen. Ob diese Bereitschaft bestand, ist bislang nicht geklärt. Deswegen findet die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens keine Anwendung. Das OLG wird daher in der wiedereröffneten mündlichen Verhandlung zu klären haben, ob der Ehemann mit der Übereignung des anderen Mietshauses einverstanden gewesen wäre.