28.08.2024

Streit um Anwaltsrechnung

Es würde keinen Sinn ergeben, zum Abschluss des Beratungsgesprächs eine umfassende Prozessvollmacht zu unterzeichnen, wenn der Mandant tatsächlich im unmittelbar vorausgehenden Gespräch eine nach außen gerichtete Tätigkeit des Rechtsanwaltes nicht verlangt hatte. Dabei hat das Gericht nicht verkannt, dass die Vollmacht selber nicht das dieser zugrundeliegende Grundverhältnis beweist, jedoch ist es ein starkes Indiz dafür, da die Vollmacht auf diesem beruhte.

AG Brühl v. 12.7.2024 - 23 C 170/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Rechtsanwalt. Der Beklagte ist selbständiger Maler. Am 12.5.2023 hat der Beklagte den Kläger gegen Mittag angerufen und um einen Termin gebeten, der auch am gleichen Tage stattfand. Der Beklagte erschien mit einer Orthese in der Kanzlei des Klägers. Er hatte bereits am 16.8.2022 einen Unfall bei der Arbeit erlitten, als er von der Leiter abrutschte und mit dem rechten Fuß umknickte. Seither hat er von der Versicherung Leistungen i.H.v. 84.041 € erhalten. Am 10.5.2023 teilte die Versicherung ihm mit, dass sie einen Arbeitsunfall anzweifele und lehnte eine weitere Leistung ab. Sie stellte in Aussicht, auf eine Rückforderung des bereits gezahlten Betrages zu verzichten, sollte der Beklagte die Angelegenheit seinerseits abschließen wollen. Die Ausfallversicherung umfasste insgesamt eine Versicherungssumme von 152.000 €.

Im Anschluss an das Gespräch mit dem Kläger, dessen Einzelheiten zwischen den Parteien streitig blieben, unterzeichnete der Beklagte eine Anwaltsvollmacht. Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.5.2023 bestellte sich der Kläger gegenüber der Versicherung. Am 15.5.2023 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er habe mit seinem Versicherungsvertreter gesprochen und wolle von einer Beauftragung des Klägers Abstand nehmen. Am 24.5.2023 erhielt der Kläger von der Versicherung eine Antwort auf sein Schreiben vom 13.5.2023.

Am 2.6.2023 teilte der Kläger dem Beklagten mit, die Akte geschlossen zu haben und übersandte ihm die Rechnung i.H.v. 3.020 €. Am 22.6.2023 teilte der Beklagte telefonisch mit, die Rechnung nicht zahlen zu wollen. Wiederholte Mahnungen des Klägers blieben erfolglos. Der Kläger behauptet, sein Anliegen habe der Beklagte als sehr dringlich geschildert. Er habe den Beklagten hinsichtlich eines selbständigen Beweisverfahrens beraten und sei auf seine Weisung hin zunächst unverzüglich gegenüber der Versicherung in Kontakt getreten. Eine vorherige Freigabe der Schriftsätze habe der Beklagte zu keiner Zeit begehrt. Der Kläger war der Ansicht, es sei ein Gegenstandswert von 152.500 € zugrunde zu legen.

Das AG hat der Klage weitestgehend stattgegeben.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 2.729 € aus §§ 675, 627, 628 BGB.

Zwischen den Parteien ist ein Anwaltsvertrag i.S.v. § 675 BGB zustande gekommen. Soweit der Beklagte behauptet hatte, es sei lediglich eine Erstberatung ohne Auftrag, nach außen hin tätig zu werden, erfolgt, verfing dies nicht. Denn zunächst widerspracht sich der Beklagte selbst, indem er einerseits behauptete, es sei lediglich eine Erstberatung vereinbart gewesen, aber andererseits vortrug, die anwaltliche Tätigkeit sei unter einer aufschiebenden Bedingung vereinbart worden. Es würde keinen Sinn ergeben, zum Abschluss des Beratungsgesprächs eine umfassende Prozessvollmacht zu unterzeichnen, wenn der Beklagte tatsächlich im unmittelbar vorausgehenden Gespräch eine nach außen gerichtete Tätigkeit des Klägers nicht verlangt hatte. Dabei hat das Gericht nicht verkannt, dass die Vollmacht selber nicht das dieser zugrundeliegende Grundverhältnis beweist, jedoch ist es ein starkes Indiz dafür, da die Vollmacht auf diesem beruhte.

Der Vertrag ist nicht durch Widerruf erloschen. Ein Widerrufsrecht stand dem Beklagten nicht zu. Insbesondere fand § 671 Abs. 1 BGB keine Anwendung, da dieser in die Verweisung des § 675 Abs. 1 BGB nicht einbezogen worden ist. An die Stelle des Widerrufsrechts tritt das Recht zur Kündigung nach den allgemeinen Vorschriften. Vielmehr wurde der Anwaltsvertrag durch die Erklärung des Beklagten vom 15.5.2023 gekündigt. Dem Beklagten stand nach § 627 Abs. 1 ein uneingeschränktes Kündigungsrecht zu. Gem. § 628 Abs. 1 BGB kann in diesem Fall der Verpflichtete einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen.

Gegenstand der Beauftragung war einerseits die Abwehr des Rückzahlungsbegehrens für bereits geleistete Versicherungsleistungen i.H.v. 84.041 € und andererseits von noch zukünftigen Leistungen i.H.v. 40.653 €. Unter Berücksichtigung einer bereits erfolgten Zahlung der Versicherung verblieben Restansprüche für den verbleibenden Zeitraum zum 6.9.2023 (119 Tage x 341,63 €), mithin ein wirtschaftliches Interesse i.H.v. 124.695,29 € (84.041,32 € + 40.653,97 €). Die hieraus errechnete Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG nebst Auslagenpauschale nach Nr. 7001 und 7002 VV-RVG und Mehrwertsteuer beläuft sich auf 2.729 € und nicht auf 3.020 €.

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