14.09.2020

Wiederbesetzung einer Notarstelle: Keine isolierte Anfechtbarkeit der Stellungnahme der Notarkammer

Die von einer Notarkammer im Rahmen ihrer Anhörung abgegebene Stellungnahme zur Frage der Wiederbesetzung und Neuausschreibung einer Notarstelle ist nicht isoliert gerichtlich angreif- und einklagbar.

BGH v. 20.7.2020 - NotZ(Brfg) 4/19
Der Sachverhalt:
Der Kläger wendet sich gegen Stellungnahmen, die die beklagte Notarkammer zur Wiederbesetzung einer Notarstelle ggü. dem Justizministerium des Landes Sachsen-Anhalt abgegeben hat, und begehrt die Verurteilung zur Abgabe einer neuen Stellungnahme.

Der Kläger ist Notar mit Amtssitz in W. Ende 2017 wurde im dortigen Amtsgerichtsbezirk eine Notarstelle frei. Das Justizministerium prüfte deren Wiederbesetzung und holte in Vorbereitung der Bedürfnisprüfung u.a. fachliche Stellungnahmen der beklagten Notarkammer ein. Diese befürwortete eine Wiederbesetzung der Amtsstelle. Das Justizministerium schrieb die Notarstelle im Juli 2018 neu aus.

Mit seiner Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte zur Abgabe einer neuen fachlichen Stellungnahme zu verpflichten. Das OLG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Hiergegen wendete sich der Kläger mit seiner von der Vorinstanz zugelassenen Berufung. Der BGH hat die Berufung nun zurückgewiesen.

Die Gründe:
Die Berufung ist unbegründet, da die Klage unzulässig ist. Wie in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, steht der Zulässigkeit der Klage § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO i.V.m. § 44a VwGO entgegen. Die von der Beklagten im Rahmen ihres Anhörungs- und Beteiligungsrechts abgegebenen Stellungnahmen zur Frage der Wiederbesetzung und Neuausschreibung der Notarstelle dienten ausschließlich der Vorbereitung der diesbzgl. vom Justizministerium in eigener Verantwortung zu treffenden Sachentscheidung und sind daher gemäß § 44a Satz 1 VwGO nicht isoliert gerichtlich angreif- und einklagbar.

Entgegen der Ansicht der Berufung entsteht durch die Anwendung des § 44a VwGO auf den vorliegenden Fall keine mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbare Rechtsschutzlücke.

Das Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert jedem den Rechtsweg, der geltend macht, durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Damit wird sowohl der Zugang zu den Gerichten als auch die Wirksamkeit des Rechtsschutzes gewährleistet. Der Bürger hat einen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle in allen von der Prozessordnung zur Verfügung gestellten Instanzen. Aus der Garantie effektiven Rechtsschutzes folgt grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, angefochtene Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen. Der Gewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG ist grundsätzlich dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass etwaige Mängel im Verwaltungsverfahren, die wegen § 44a VwGO nicht unmittelbar mit Rechtsbehelfen gegen die Verfahrenshandlung geltend gemacht werden können, im Rahmen eines gegen die Sachentscheidung zulässigen Klageverfahrens gerügt werden können und rechtlich geprüft werden. Allerdings darf der Ausschluss einer gerichtlichen Überprüfung von Verfahrenshandlungen für die Rechtsschutzsuchenden nicht zu unzumutbaren Nachteilen führen, die in einem späteren Prozess nicht mehr vollständig zu beseitigen sind.

Wie in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, steht dem Kläger gegen die - keinen Verwaltungsakt darstellende - Organisationsentscheidung des Justizministeriums, die Notarstelle neu auszuschreiben, der Rechtsbehelf der Unterlassungsklage zur Verfügung, die er auch bereits erhoben hat. Ein unzumutbarer Nachteil durch die Beschränkung des Klägers auf diesen Rechtsbehelf ist nicht zu befürchten. Die Stellungnahmen der beklagten Notarkammer haben keinerlei Bindungswirkung für die in eigener Verantwortung zu treffende Entscheidung des Justizministeriums. Dies schließt es zwar nicht aus, dass etwaige Fehler in den Stellungnahmen der Beklagten auf die Entscheidung des Justizministeriums in der Weise durchgeschlagen haben, dass letztere rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Dies kann aber in dem die Organisationsentscheidung betreffenden gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden. Zwar räumt das Gesetz der Landesjustizverwaltung (§ 12 Satz 1 BNotO) bei der Bestimmung der Zahl der zu schaffenden bzw. zu bewahrenden Notarstellen ein weites Organisationsermessen ein, das von den Gerichten entsprechend § 114 Satz 1 VwGO (i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO, § 125 Abs. 1 VwGO) nur eingeschränkt überprüft werden darf. Zu den gerichtlich zu kontrollierenden Kriterien gehört aber auch, dass die Justizverwaltung, wenn sie sich bei der Bedürfnisprüfung nach § 4 BNotO durch eine Richtlinie oder ständige Übung gebunden hat, die entsprechenden Prüfungsmaßstäbe grundsätzlich zu beachten hat, um eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der von ihren Maßnahmen betroffenen Notare zu vermeiden. Nur bei Vorliegen eines hinreichenden sachlichen Grundes darf sie von ihrer ursprünglichen Verwaltungspraxis abweichen und in eine Einzelfallbetrachtung eintreten. Demzufolge hat das OLG in dem vom Kläger angestrengten Verfahren gegen die Neuausschreibung der Notarstelle auch zu prüfen, ob das von ihm behauptete Abweichen der Stellungnahme der Beklagten von der üblichen Praxis auf die Organisationsentscheidung des Ministeriums "durchgeschlagen" und ob dies zu einem seine Rechte beeinträchtigenden Ermessensfehler geführt hat.

Sollte das Gericht in diesem Verfahren, wie es der Kläger befürchtet, seiner Prüfungspflicht nicht nachkommen, kann der in § 111d BNotO vorgesehene Rechtsbehelf eingelegt werden. Damit ist effektiver Rechtsschutz gewährleistet. Die bloße Besorgnis, dass das Gericht, dem die Kontrolle der Organisationsentscheidung obliegt, diese nicht vollständig ausüben wird oder ausgeübt hat, rechtfertigt es nicht, den Rechtsschutz auf lediglich vorbereitende Verfahrenshandlungen zu erweitern.
BGH online
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