09.09.2014

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Cannabiskonsums - zur Frage der "Gelegentlichkeit"

Einmaliger Cannabiskonsum ist nicht mit einem gelegentlichen i.S.v. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 u. 14 FeV gleichzusetzen, da der Begriff der gelegentlichen Einnahme einen mehrmaligen, d.h. mindestens zweimaligen Cannabiskonsum voraussetzt. Dies gilt auch dann, wenn es der Betroffene unterlässt, sich ausdrücklich auf einen Erstkonsum zu berufen und die Einzelheiten der fraglichen Drogeneinnahme glaubhaft zu erklären.

OVG Hamburg 16.5.2014, 4 Bs 26/14
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller im Oktober 2012 gegen 13.00 Uhr in eine Verkehrskontrolle geraten. Hierbei seien laut Polizeibericht deutliche Anzeichen eines vorangegangenen Drogenkonsums festgestellt worden. Mit einem freiwilligen Drogenurintest sei der Antragsteller nicht einverstanden gewesen, weshalb eine Blutentnahme durchgeführt worden sei. Diese habe ausweislich eines eingeholten rechtsmedizinischen Gutachtens ergeben, dass der Antragsteller Cannabisprodukte konsumiert habe.

Im Mai 2013 entzog die Antragsgegnerin die Fahrerlaubnis des Antragstellers und ordnete die sofortige Vollziehung an. Die Behörde war der Ansicht, der Antragsteller sei ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, da er ein Kfz unter dem Einfluss von Cannabis im öffentlichen Straßenverkehr geführt habe. Die gelegentliche Einnahme von Cannabis schließe die Fahreignung aus, wenn keine Trennung von Konsum und Fahren erfolge. Der Antragsteller machte geltend, er habe an dem Tag der Polizeikontrolle erstmals Cannabis konsumiert. Es habe sich um ein Probierverhalten und nicht um gelegentlichen Konsum gehandelt.

Der Antragsteller begehrte vorläufigen Rechtsschutz gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis. Das VG lehnte den Eilantrag ab. Auf die Beschwerde des Antragstellers hob das OVG den Beschluss auf und stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder her.

Die Gründe:
Der Bescheid der Antragsgegnerin aus Mai 2013 erwies sich nach dem gegenwärtigen Stand als rechtswidrig.

Nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 S. 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde demjenigen die Fahrerlaubnis zu entziehen, der sich als ungeeignet zum Führen von Kfz erweist. Dies gilt gem. § 46 Abs. 1 S. 2 FeV auch und insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kfz ausgeschlossen ist. Gem. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 u. 14 FeV ist derjenige, der gelegentlich Cannabis einnimmt, zum Führen eines Kfz geeignet, wenn Konsum und Fahren getrennt werden. Das heißt im Umkehrschluss, dass ein Fahrzeugführer, der gelegentlich Cannabis konsumiert, dann nicht zum Führen eines Kraftfahrzeugs geeignet ist, wenn er zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs nicht trennen kann.

Das VG hatte im vorliegenden Fall aber zu Unrecht angenommen, der Antragsteller konsumiere gelegentlich Cannabis. Der beschließende Senat geht abweichend von der Rechtsprechung des ehedem für das Verkehrsrecht zuständig gewesenen dritten Senats des OVG Hamburg (Beschl. v. 3.5.2010, 3 Bs 205/09) davon aus, dass ein einmaliger Cannabiskonsum nicht mit einem gelegentlichen i.S.v. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 u. 14 FeV gleichgesetzt werden kann. Vielmehr setzt der Begriff der gelegentlichen Einnahme einen mehrmaligen, d.h. mindestens zweimaligen Cannabiskonsum voraus (so die ganz überwiegende Rechtsprechung).

Hierfür spricht insbesondere der Wortsinn, denn im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff "gelegentlich" i.S.v. "manchmal", "häufiger, aber nicht regelmäßig", "öfters", "hin und wieder" oder "ab und zu" verstanden und dient damit der Beschreibung eines mehr als einmal eingetretenen Ereignisses. Dem steht nicht entgegen, dass der Begriff "gelegentlich" auch die Bedeutung von "bei Gelegenheit" haben kann. Auch diese Wendung kann bei unbefangenem Verständnis auf mehrere und nicht nur auf ein einmaliges Ereignis(se) bezogen werden. Es gibt zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber den Begriff "gelegentlich" i.S.v. "bei Gelegenheit" habe verwenden wollen.

Dass letztlich nur zwei Kategorien gebildet wurden, nämlich die regelmäßige und die gelegentliche Einnahme von Cannabis, und es zur Annahme eines die Fahreignung ausschließenden Eignungsmangels im Fall gelegentlicher Einnahme weiterer Umstände bedarf, rechtfertigt es nicht, den einmaligen mit dem gelegentlichen Cannabiskonsum gleichzusetzen. Dies gilt auch dann, wenn es der Betroffene unterlässt, sich ausdrücklich auf einen Erstkonsum zu berufen und die Einzelheiten der fraglichen Drogeneinnahme glaubhaft zu erklären.

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