§ 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 ist kein eigenständiger, von Satz 4 losgelöster Ausschlussgrund
Kurzbesprechung
BFH v. 11.8.2021 - I R 39/18
UmwStG 2006 § 15 Abs 2 S 3, § 15 Abs 2 S 4
AO § 42 Abs 1 S 1, § 42 Abs 2
EGAO § 97 § 7 S 2
GG Art 3 Abs 1
UmwG § 124, § 123 Abs 1 Nr. 2
EWGRL 434/90
EGRL 19/2005
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2006 gelten die §§ 11 bis 13 des Gesetzes entsprechend, wenn Vermögen einer Körperschaft durch Aufspaltung oder Abspaltung oder durch Teilübertragung auf andere Körperschaften übergeht. § 11 Abs. 2 und § 13 Abs. 2 UmwStG 2006 sind in diesem Zusammenhang aber nur anzuwenden, wenn auf die Übernehmerin ein Teilbetrieb übertragen wird und im Fall der Abspaltung oder Teilübertragung bei der übertragenden Körperschaft ein Teilbetrieb verbleibt (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006).
Als Teilbetrieb gilt gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 UmwStG 2006 auch ein Mitunternehmeranteil oder die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die das gesamte Nennkapital der Gesellschaft umfasst. Dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UmwStG 2006 erfüllt sind, war im Urteilsfall unstreitig.
Das FG war im Streitfall zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die GmbH 1 mit der 100 %-Beteiligung an der GmbH 2 einen Teilbetrieb i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 3 UmwStG 2006 abgespalten hatte. Ihr verblieben anschließend auch Teilbetriebe, was zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht im Streit stand.
Auch die Voraussetzungen für eine Buchwertfortführung gemäß § 11 Abs. 2 UmwStG 2006 waren im Streitfall erfüllt. Die GmbH 1 hatte insoweit am 02.03.2009 einen Antrag auf Buchwertfortführung gestellt. Sie spaltete ihre 100%ige Beteiligung an der GmbH 2 auf die neu gegründete GmbH 3, deren Anteilseigner identisch mit denen der Steuerpflichtigen waren, gegen Gewährung von Anteilen an der GmbH 3 zu Gunsten dieser Anteilseigner ab. Hierbei handelte es sich um eine Spaltung i.S. des § 123 Abs. 1 Nr. 2 des Umwandlungsgesetzes, durch die das abgespaltene Vermögen entsprechend der im Spaltungsvertrag vorgesehenen Aufteilung auf den übernehmenden Rechtsträger überging. Die entsprechende Eintragung im Handelsregister erfolgte am 11.06.2008.
Der BFH entschied, dass die Buchwertfortführung nicht an § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 scheitert. Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2006 ist § 11 Abs. 2 UmwStG 2006 nicht anzuwenden, wenn durch die Spaltung die Veräußerung an außenstehende Personen vollzogen wird. Das Gleiche gilt nach Satz 3, wenn durch die Spaltung die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden. Davon ist nach Satz 4 auszugehen, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag Anteile an einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft, die mehr als 20 % der vor Wirksamwerden der Spaltung an der Körperschaft bestehenden Anteile ausmachen, veräußert werden.
Die Rechtsfrage, ob § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 als eigenständiger Ausschlussgrund zu bewerten ist, der unabhängig von § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 2006 Anwendung finden kann, wird unterschiedlich beantwortet.
Die überwiegende Mehrheit im Schrifttum, der sich der BFH anschließt, geht allerdings davon aus, dass § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 nur die Grundlage für die Vermutung des Satzes 4 regelt und keinen eigenständigen Anwendungsbereich hat, es sich also um eine einheitliche Missbrauchsvermeidungsregelung bestehend aus den Sätzen 3 und 4 handelt.
Für diese Sichtweise spricht der Wortlaut des § 15 Abs. 2 Satz 3 und 4 UmwStG 2006. Wenn es in § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 heißt, es gelte das Gleiche (wie in Satz 2), wenn durch die Spaltung die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden, und wenn dann in Satz 4 ausgeführt wird, "davon ist auszugehen, wenn ...", legt dies nahe, dass Satz 3 ohne die weiteren Voraussetzungen des Satzes 4 keinen eigenen Anwendungsbereich hat. Hätte der Gesetzgeber in Satz 4 nur ein mögliches Regelbeispiel nennen wollen, so hätte er das Wort "insbesondere" oder "etwa" einfügen können.
Dass nach der vom BFH favorisierten Auslegung im Ergebnis "nur spaltungsfähige Körperschaften die Möglichkeit haben, die entsprechenden Vermögensbestandteile steuerfrei an einen Dritten zu veräußern", ist Folge der gesetzlichen Vorgaben. Der Gesetzgeber wollte die Buchwertfortführung (nur) in den Fällen ausschließen, in denen die Steuerpflicht der Veräußerung eines Teilbetriebs, eines Mitunternehmeranteils oder einer 100%igen Beteiligung dadurch umgangen wird, dass die Anteile der verbleibenden oder der aufnehmenden Körperschaft nach Abspaltung veräußert werden. Dass sich dies entsprechend auch nur auf spaltungsfähige Körperschaften beschränkt, ergibt sich aus der Sache selbst und begründet keinen erkennbaren Gleichheitsverstoß, der zu einer abweichenden verfassungskonformen Auslegung Anlass geben könnte.
Der BFH hält es ferner für ausgeschlossen, § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 2006 unter Rückgriff auf § 42 AO a.F. auszulegen bzw. § 42 AO a.F. unmittelbar anzuwenden. Denn dann, wenn der Gesetzgeber ein missbrauchsverdächtiges Feld "gesichtet" und durch eine Spezialvorschrift abgesteckt hat, legt er für diesen Bereich die Maßstäbe fest und sichert eine einheitliche Rechtsanwendung Sind in einem konkreten Einzelfall --wie hier im Streitfall-- die Voraussetzungen der speziellen Missbrauchsverhinderungsbestimmungen nicht erfüllt, darf die Wertung des Gesetzgebers nicht durch eine extensive Anwendung des § 42 Abs. 1 AO a.F. unterlaufen werden. Verbleiben Rechtsfolgelücken, ist es allein Aufgabe des Gesetzgebers, der mittels der speziellen Missbrauchsbekämpfungsnormen die Grenzen des Missbrauchs gezogen hat, diese zu schließen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
UmwStG 2006 § 15 Abs 2 S 3, § 15 Abs 2 S 4
AO § 42 Abs 1 S 1, § 42 Abs 2
EGAO § 97 § 7 S 2
GG Art 3 Abs 1
UmwG § 124, § 123 Abs 1 Nr. 2
EWGRL 434/90
EGRL 19/2005
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2006 gelten die §§ 11 bis 13 des Gesetzes entsprechend, wenn Vermögen einer Körperschaft durch Aufspaltung oder Abspaltung oder durch Teilübertragung auf andere Körperschaften übergeht. § 11 Abs. 2 und § 13 Abs. 2 UmwStG 2006 sind in diesem Zusammenhang aber nur anzuwenden, wenn auf die Übernehmerin ein Teilbetrieb übertragen wird und im Fall der Abspaltung oder Teilübertragung bei der übertragenden Körperschaft ein Teilbetrieb verbleibt (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006).
Als Teilbetrieb gilt gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 UmwStG 2006 auch ein Mitunternehmeranteil oder die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die das gesamte Nennkapital der Gesellschaft umfasst. Dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UmwStG 2006 erfüllt sind, war im Urteilsfall unstreitig.
Das FG war im Streitfall zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die GmbH 1 mit der 100 %-Beteiligung an der GmbH 2 einen Teilbetrieb i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 3 UmwStG 2006 abgespalten hatte. Ihr verblieben anschließend auch Teilbetriebe, was zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht im Streit stand.
Auch die Voraussetzungen für eine Buchwertfortführung gemäß § 11 Abs. 2 UmwStG 2006 waren im Streitfall erfüllt. Die GmbH 1 hatte insoweit am 02.03.2009 einen Antrag auf Buchwertfortführung gestellt. Sie spaltete ihre 100%ige Beteiligung an der GmbH 2 auf die neu gegründete GmbH 3, deren Anteilseigner identisch mit denen der Steuerpflichtigen waren, gegen Gewährung von Anteilen an der GmbH 3 zu Gunsten dieser Anteilseigner ab. Hierbei handelte es sich um eine Spaltung i.S. des § 123 Abs. 1 Nr. 2 des Umwandlungsgesetzes, durch die das abgespaltene Vermögen entsprechend der im Spaltungsvertrag vorgesehenen Aufteilung auf den übernehmenden Rechtsträger überging. Die entsprechende Eintragung im Handelsregister erfolgte am 11.06.2008.
Der BFH entschied, dass die Buchwertfortführung nicht an § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 scheitert. Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2006 ist § 11 Abs. 2 UmwStG 2006 nicht anzuwenden, wenn durch die Spaltung die Veräußerung an außenstehende Personen vollzogen wird. Das Gleiche gilt nach Satz 3, wenn durch die Spaltung die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden. Davon ist nach Satz 4 auszugehen, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag Anteile an einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft, die mehr als 20 % der vor Wirksamwerden der Spaltung an der Körperschaft bestehenden Anteile ausmachen, veräußert werden.
Die Rechtsfrage, ob § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 als eigenständiger Ausschlussgrund zu bewerten ist, der unabhängig von § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 2006 Anwendung finden kann, wird unterschiedlich beantwortet.
Die überwiegende Mehrheit im Schrifttum, der sich der BFH anschließt, geht allerdings davon aus, dass § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 nur die Grundlage für die Vermutung des Satzes 4 regelt und keinen eigenständigen Anwendungsbereich hat, es sich also um eine einheitliche Missbrauchsvermeidungsregelung bestehend aus den Sätzen 3 und 4 handelt.
Für diese Sichtweise spricht der Wortlaut des § 15 Abs. 2 Satz 3 und 4 UmwStG 2006. Wenn es in § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 heißt, es gelte das Gleiche (wie in Satz 2), wenn durch die Spaltung die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden, und wenn dann in Satz 4 ausgeführt wird, "davon ist auszugehen, wenn ...", legt dies nahe, dass Satz 3 ohne die weiteren Voraussetzungen des Satzes 4 keinen eigenen Anwendungsbereich hat. Hätte der Gesetzgeber in Satz 4 nur ein mögliches Regelbeispiel nennen wollen, so hätte er das Wort "insbesondere" oder "etwa" einfügen können.
Dass nach der vom BFH favorisierten Auslegung im Ergebnis "nur spaltungsfähige Körperschaften die Möglichkeit haben, die entsprechenden Vermögensbestandteile steuerfrei an einen Dritten zu veräußern", ist Folge der gesetzlichen Vorgaben. Der Gesetzgeber wollte die Buchwertfortführung (nur) in den Fällen ausschließen, in denen die Steuerpflicht der Veräußerung eines Teilbetriebs, eines Mitunternehmeranteils oder einer 100%igen Beteiligung dadurch umgangen wird, dass die Anteile der verbleibenden oder der aufnehmenden Körperschaft nach Abspaltung veräußert werden. Dass sich dies entsprechend auch nur auf spaltungsfähige Körperschaften beschränkt, ergibt sich aus der Sache selbst und begründet keinen erkennbaren Gleichheitsverstoß, der zu einer abweichenden verfassungskonformen Auslegung Anlass geben könnte.
Der BFH hält es ferner für ausgeschlossen, § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 2006 unter Rückgriff auf § 42 AO a.F. auszulegen bzw. § 42 AO a.F. unmittelbar anzuwenden. Denn dann, wenn der Gesetzgeber ein missbrauchsverdächtiges Feld "gesichtet" und durch eine Spezialvorschrift abgesteckt hat, legt er für diesen Bereich die Maßstäbe fest und sichert eine einheitliche Rechtsanwendung Sind in einem konkreten Einzelfall --wie hier im Streitfall-- die Voraussetzungen der speziellen Missbrauchsverhinderungsbestimmungen nicht erfüllt, darf die Wertung des Gesetzgebers nicht durch eine extensive Anwendung des § 42 Abs. 1 AO a.F. unterlaufen werden. Verbleiben Rechtsfolgelücken, ist es allein Aufgabe des Gesetzgebers, der mittels der speziellen Missbrauchsbekämpfungsnormen die Grenzen des Missbrauchs gezogen hat, diese zu schließen.