§ 46 Abs. 2 Nr.8 EStG: Ausübung des Antragsrechts im Insolvenzfall erfordert Mitunterzeichnung der Steuererklärung durch Treuhänder
FG Düsseldorf 28.8.2014, 8 K 3677/13 EÜber das Vermögen der Schuldnerin wurde im Februar 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet. Im März 2013 ging beim Finanzamt eine von der Schuldnerin unterschriebene Einkommensteuererklärung für das Jahr 2012 ein, mit der ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erklärt wurden. Das Finanzamt forderte den Kläger in seiner Eigenschaft als Treuhänder über das Vermögen der Schuldnerin auf, eine Kopie der letzten Seite des Mantelbogens dieser Erklärung unterschrieben zurückzusenden. Es handele sich um einen Antrag auf Einkommensteuerveranlagung, der ohne Unterschrift als nicht gestellt gelte. Die Unterzeichnung durch den Treuhänder könne auch nicht die von ihm im Juni 2013 abgegebene "Negativerklärung" ersetzt werden, wonach ihm über die erklärten Einkünfte hinaus keine sonstigen von der Schuldnerin im Veranlagungszeitraum erzielten Einkünfte bekannt geworden seien.
An dieser Auffassung hielt das Finanzamt auch fest, nachdem das AG im Mai 2013 das Insolvenzverfahren mangels zu verteilender Masse ohne Schlussverteilung aufgehoben, bzgl. etwaiger Einnahmen, u.a. aus einer Einkommensteuererstattung für 2012, aber die Nachtragsverteilung angeordnet hatte. Per Bescheid an den Kläger von Juli 2013 lehnte das Finanzamt die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung 2012 ab. Aufgrund der Nachtragsverteilung falle ein Steuererstattungsanspruch in die Insolvenzmasse, weshalb eine Erklärungspflicht den Treuhänder treffe. Der Kläger sei sogar aufgrund seiner Rechtsstellung als Treuhänder allein antragsberechtigt.
Der Kläger macht geltend, dass ein wirksamer Antrag auf Veranlagung vorliege. Der Treuhänder habe die steuerlichen Pflichten der Schuldnerin lediglich insoweit zu erfüllen, wie seine Verwaltung reiche. Die Insolvenzmasse sei aber aus der insolvenzfreien abhängigen Beschäftigung der Schuldnerin weder berechtigt noch verpflichtet. Nicht maßgeblich sei, dass eine Einkommensteuererstattung aufgrund der generellen Pfändbarkeit des Erstattungsanspruchs zur Insolvenzmasse zu zahlen wäre. Es sei unverhältnismäßig, vom Treuhänder in einem Verfahren, in dem der Schuldner lediglich Einkünfte nach § 19 EStG erziele, die Abgabe einer rechtsverbindlichen Erklärung über einen Sachverhalt zu verlangen, der nicht massezugehörig sei.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat es zu Recht abgelehnt, die Schuldnerin für das Jahr 2012 zur Einkommensteuer zu veranlagen, denn ein wirksamer Antrag auf Veranlagung i.S.d. § 46 Abs. 2 Nr. 8 S. 2 EStG liegt dem Finanzamt angesichts der nur von der Schuldnerin unterschriebenen Einkommensteuererklärung nicht vor.
Es kommt vorliegend allein eine Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG in Betracht. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 S. 2 EStG ist der Antrag durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen. Hier bedurfte es zur wirksamen Antragstellung der Unterschrift des als Treuhänder bestellten Klägers. Denn die Abgabe einer wirksamen Steuererklärung ist eine Handlung, die Handlungsfähigkeit im Rechtssinne voraussetzt. Für die infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der sich daran anschließenden Nachtragsverteilung handlungsunfähige Schuldnerin muss der Treuhänder eigenhändig deren Steuererklärung (mit-)unterschreiben.
Im Rahmen des vereinfachten Insolvenzverfahrens nimmt der vom Insolvenzgericht bestellte Treuhänder grundsätzlich gem. § 313 Abs. 1 InsO a.F. i.V.m. § 34 Abs. 3 Abs. 1 AO die Aufgaben eines Insolvenzverwalters war. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehen die Verwaltungs- und Verfügungsrechte hinsichtlich der zur Masse gehörenden Vermögens auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). In Bezug auf die Insolvenzmasse ist nur der Insolvenzverwalter handlungsfähige Person nach § 79 Abs. 1 Nr. 3 AO. Für den insoweit handlungsunfähigen Schuldner muss der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen vornehmen, er hat die steuerlichen Pflichten (und Rechte) des Schuldners zu übernehmen. Entsprechend muss er als Vermögensverwalter die Steuererklärung eigenhändig unterschreiben.
Für den Treuhänder gelten gem. § 313 Abs. 1 InsO a.F. hinsichtlich der Abgabe von Steuererklärungen die gleichen Grundsätze. Auch der BGH hat im Urteil vom 14.11.2013 (IX ZB 161/11) eine Verpflichtung des Treuhänders zur Abgabe einer Steuererklärung für den Fall bejaht, dass sich hieraus (voraussichtlich) ein Erstattungsanspruch ergibt, da der Treuhänder diesen zugunsten der Masse zu realisieren hat. Es gehört zu seinen Pflichten, mögliche Forderungen (Steuererstattungen) geltend zu machen, und die Insolvenzmasse zu vergrößern. Dies gilt auch dann, wenn der Schuldner ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht und vor diesem Hintergrund ein Antrag auf Veranlagung gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG zu stellen ist. Denn es kann nicht in das Ermessen des Schuldners gestellt werden, einen Antrag nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG einzureichen und den entsprechenden Erstattungsanspruch zu realisieren.
Auch mit dem Hinweis, dass laufender Arbeitslohn in pfändbare und unpfändbare Anteile aufzuteilen ist, lässt sich eine Antragsberechtigung und die Rechtswirksamkeit einer alleinigen eigenhändigen Unterschrift des Schuldners sachlich nicht begründen. Denn ein Einkommensteuererstattungsanspruch, für den nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund vor oder während des Insolvenzverfahrens gelegt worden ist, gehört nach § 35 Abs. 1 InsO in vollem Umfang zur Insolvenzmasse, auch wenn er im Zusammenhang mit pfändungsfreiem Arbeitslohn steht. Ein Erstattungsanspruch wegen überzahlter Lohnsteuer teilt nicht das Schicksal des insolvenzfreien Arbeitslohns und unterfällt nicht dem besonderen Pfändungsschutz.
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