6 Prozent Aussetzungszinsen bei mehrjährigem Zinslauf (noch) nicht verfassungswidrig
FG Hamburg 23.5.2013, 2 K 50/12Die Kläger hatten eine 1996 erworbene Eigentumswohnung im Jahr 2002 wieder veräußert. Gegen die Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns als Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft legten sie Einspruch ein. Das Finanzamt gewährte ihnen antragsgemäß Aussetzung der Vollziehung (AdV) und ordnete im Oktober 2004 im Hinblick auf ein Vorlageverfahren beim BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Verlängerung der Spekulationsfrist das Ruhen des Einspruchsverfahrens gem. § 363 Abs. 2 AO an.
Nach Ergehen der Entscheidung des BVerfG im Juli 2010 hob das Finanzamt die gewährte AdV auf und setzte auf den ausgesetzten Steuerbetrag, soweit eine Abhilfe in der Sache nicht erfolgte, gem. §§ 237, 238 AO Aussetzungszinsen von 6 Prozent per anno für den Zeitraum von mehr als sechs Jahren fest. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Klage. Sie machen geltend, die konkrete Zinsfestsetzung sei wegen der überlangen Verfahrensdauer verfassungsrechtswidrig. Die Vorschrift des § 237 AO müsse verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass sie bei überlanger Verfahrensdauer nicht anzuwenden sei und schon gar nicht Zinsen i.H.v. 6 Prozent per anno festgesetzt werden dürften.
Das FG wie die hiergegen gerichtete Klage ab. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die zwischenzeitlich anhängige Revision wird beim BFH unter dem Az: IX R 31/13 geführt.
Die Gründe:
Die Festsetzung der Zinsen entspricht der geltenden Rechtslage; durchgreifende verfassungsrechtliche Zweifel an der Zinshöhe bestehen für den streitigen Zeitraum nicht. Die Vorschriften der AO, nach denen auf ausgesetzte Steuerbeträge Zinsen von jährlich 6 Prozent zu zahlen sind, verstoßen für einen Zinslauf von 2004 bis 2011 nicht gegen die Verfassung. Die bisherige Rechtsprechung - auch des BVerfG - hielt die Verzinsungsregelungen der AO bisher für verfassungsgemäß.
Nach Auffassung des BVerfG handelt es sich bei der Verzinsung nicht um eine steuerliche Sanktion. Vielmehr solle nur der potentielle Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen abgeschöpft werden. Zwar ermögliche der aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG folgende Anspruch des Steuerpflichtigen, nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zur Leistung von Steuern und steuerlichen Nebenleistungen (wie Zinsen) herangezogen zu werden, es ihm auch, hierbei die Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips einzufordern. Der Steuerpflichtige dürfe nicht zu einer unverhältnismäßigen Abgabe herangezogen werden. In der Verzinsung mit 6 Prozent pro Jahr liege indes keine Verletzung des Übermaßverbots.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich das Zinnsatzniveau im letzten Jahrzehnt kontinuierlich nach unten bewegt hat, und zwar sowohl für Haben- wie für Sollzinsen. Typisierende Regelungen, wie etwa der vorliegende typisierende Zinssatz von 6 Prozent, bedürfen zwar einer Korrektur, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse, die Grundlage einer zulässigen Typisierung waren, durchgreifend geändert haben. Da die Zinssätze mit Rücksicht auf wirtschaftliche und politische Implikationen jedoch Schwankungen unterliegen, wie sie sich in der Vergangenheit stets abgebildet haben, ist dem Gesetzgeber eine gewisse Beobachtungszeit vor einer Anpassung des Zinssatzes zuzubilligen.
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