Abfindung an weichende Erbprätendenten unterliegt nicht mehr der Erbschaftsteuer
BFH 4.5.2011, II R 34/09Der Kläger ist der Neffe der im April 2004 verstorbenen Erblasserin. In den Testamenten aus den Jahren 1986 und 1997 hatte sie jeweils den Kläger als Alleinerben eingesetzt. Im Juni 2002 verfasste sie dann ein weiteres eigenhändiges Testament, in dem sie ihr Sparguthaben an ihre Freundin bzw. deren Tochter (T.) vermachte.
Zwar beantragte der Kläger nach dem Tod seiner Tante die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweisen sollte, da das Testament aus dem Jahr 2002 wegen Testierunfähigkeit seiner Tante aufgrund von Altersdemenz unwirksam sei. Der insoweit geführte Rechtsstreit zwischen dem Kläger und der T. endete allerdings mit einem Vergleich, wonach sich die T. verpflichtete, an den Kläger 45.000 € zu zahlen. Im Gegenzug nahm der Kläger seine Beschwerde gegen die Entscheidung des AG zurück und verpflichtete sich seinerseits, keinen neuen Erbscheinsantrag zu stellen.
Das Finanzamt erfasste die Abfindungszahlung als erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb und setzte gegen den Kläger Erbschaftsteuer i.H.v. 7.155 € fest. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Es ging davon aus, dass der Kläger die Abfindung durch Erbanfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erworben habe. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Die Abfindung des Klägers war kein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb von Todes wegen.
Hat ein Erblasser mehrere Testamente errichtet, in denen er jeweils verschiedene Personen als Alleinerben eingesetzt hat, und ist die Wirksamkeit des zuletzt errichteten Testaments wegen behaupteter Testierunfähigkeit des Erblassers zwischen den potentiellen Erben streitig, ist die Abfindung, die der Nichterbe aufgrund eines Prozessvergleichs vom zuletzt eingesetzten Alleinerben dafür erhält, dass er die Erbenstellung des Alleinerben nicht mehr bestreitet, kein Erwerb von Todes wegen. Die Vorgänge, die als Erwerb von Todes wegen in Betracht kommen, sind in § 3 ErbStG abschließend aufgezählt. Nicht genannte Erwerbsgründe unterliegen somit auch nicht der Erbschaftsteuer. Für die Annahme eines Erwerbs von Todes wegen reicht es auch nicht aus, dass der Erwerb lediglich im Zusammenhang mit einem Erbfall steht.
Der Erwerb i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG durch Erbanfall ist allein der durch Erbfolge eingetretene dingliche Vermögenszuwachs. Der Erwerb "aufgrund" eines Erbfalles wird durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht erfasst. Der Kläger hat die Abfindung somit nicht durch Erbanfall i.S.d. § 1922 BGB erworben. In dem zuletzt errichteten Testament aus dem Jahr 2002 ging T. bzw. ihre verstorbene Mutter als Erben hervor. Die Wirksamkeit dieses Testaments wurde nach Abschluss des Prozessvergleichs weder vom Kläger noch vom Finanzamt bestritten. Damit schied eine Erbenstellung des Klägers aus. Die Abfindung beruhte auch nicht auf einem Vermächtnis nach § 2147 BGB. Denn in dem Testament aus dem Jahr 2002 war nicht bestimmt, dass der Kläger aus dem Sparguthaben der Erblasserin die 45.000 € erhalten sollte.
Soweit der BFH und der RFH zu mit dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalten entschieden haben, die Abfindung aufgrund des Erbvergleichs unterliege als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer, wird daran nicht mehr festgehalten.
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