Abgabenordnung: Änderung wegen nachträglich bekanntgewordener Tatsachen
FG Hamburg v. 15.6.2020 - 2 K 6/17
Der Sachverhalt:
Die Klägerin wandte sich gegen Änderungsbescheide, welche nach einer bei ihr durchgeführten Außenprüfung des Beklagten ergingen. Die Klägerin war der Ansicht, eine Änderung aufgrund nachträglichen Bekanntwerdens von Tatsachen hätte nicht erfolgen dürfen, da der Beklagten die fraglichen Tatsachen bereits vor der Außenprüfung bekannt gewesen sein müssten, es sich also nicht um "neue" Tatsachen gehandelt habe.
Außerdem könnten Steuerbescheide zum Nachteil des Steuerpflichtigen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nur geändert werden, wenn der für die Änderung maßgebende Sachverhalt geklärt sei. Bestünden Zweifel am Vorliegen der für die Änderung des Bescheids maßgebenden Tatsachen, gehe dies regelmäßig zulasten der Finanzbehörde, weil sie für das Vorliegen dieser Tatsachen die Feststellungslast trage. So habe der Beklagte im Veranlagungsverfahren für die entsprechenden Zeiträume Fragen zu Fremdleistungen und andere steuerlich relevante Fragen gestellt. Der dafür zuständige ehemalige Berater könne leider dazu nicht mehr gehört werden, weil dieser verstorben sei.
Das FG wies die Klage jedoch ab, da die Klägerin nicht den - insoweit ihr obliegenden - Nachweis für die behauptete Kenntnis des beklagten Finanzamts über die relevanten Tatsachen geführt habe. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Die Klage ist nicht begründet. Der Beklagte konnte die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wie vorgenommen ändern.
Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide u.a. dann aufzuheben oder zu ändern, wenn "neue Tatsachen" vorliegen, die zu einer höheren Steuer führen. Eine Tatsache ist "neu", wenn sie das Finanzamt bei Erlass des ursprünglichen oder des im Anschluss daran ergangenen geänderten Steuerbescheides noch nicht kannte. Eine Tatsache gilt allerdings dann nicht als "neu", wenn sie dem Finanzamt bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht (vgl. § 88 AO) nicht verborgen geblieben wäre, sofern der Steuerpflichtige seinerseits seiner Mitwirkungspflicht voll genügt hat. Dabei kommt es für die Frage der Neuheit einer Tatsache nach der ständigen Rechtsprechung des BFH auf die Kenntnis der zur Bearbeitung des Steuerfalles organisatorisch berufenen Dienststelle an.
Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO trägt grundsätzlich das Finanzamt. Die Beweislast dafür, dass dem für die Veranlagung des Steuerpflichtigen zuständigen Sachbearbeiter ausnahmsweise auch nicht aktenkundige Tatsachen dienstlich bekannt waren oder nach dem Inhalt der zu bearbeitenden Steuererklärung oder der präsenten Akten als bekannt zuzurechnen sind, trägt jedoch der Steuerpflichtige. Dies gilt insbesondere dann, wenn wegen des Unterlassens der Beiziehung "anderer" Akten die Verletzung der Ermittlungspflicht in Rede steht. Lassen sich entsprechende Umstände oder ein dahingehendes Fehlverhalten nicht nachweisen, gelten nicht aktenkundige Tatsachen folglich nicht als bekannt und erlauben dem Finanzamt eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (BFH v. 18.6.2015 - VI R 84/13).
Gemessen an diesen Grundsätzen war es dem Beklagten nicht verwehrt, die Prüfungsfeststellungen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern. Insoweit basieren die Änderungen (...) nach Aktenlage auf erstmals im Rahmen der Betriebsprüfung dem Betriebsprüfer bekannt gewordenen Tatsachen. Namentlich sind dies nicht verbuchte Umsätze aus Rechnungen des ..., diverse Bareinzahlungen auf das betriebliche Bankkonto, welche teilweise als Einlage, teilweise als nicht erfolgswirksam verbucht wurden, die Abbildung eines darlehensfinanzierten und an einen Mitarbeiter veräußerten Kastenwagens, nicht vorgelegte Leasingverträge für Betriebsfahrzeuge, Fehlbuchungen bei aktiven Rechnungsabgrenzungsposten, sowie Betriebsausgaben für einen lediglich privat genutzten Pkw.
Nach Lage der Akten ist nichts dafür ersichtlich, dass - wie die Klägerin vorträgt - diese Sachverhalte (teilweise) der Veranlagungsdienststelle bereits im Vorfeld der durchgeführten Außenprüfung und vor Erlass der ersten Änderungsbescheide im Rahmen der Veranlagung 2013 bekannt gewesen waren. Aus den eingereichten Steuererklärungen sowie dazugehörigen Einnahmenüberschussrechnungen können diese Tatsachen jedenfalls nicht entnommen werden. Hinweise für die von der Klägerin behaupteten Nachfragen insbesondere zu den Fremdleistungen bzw. anderen steuerlich relevanten Fragen finden sich nicht. Am entsprechenden Telefonvermerk fehlt es ebenso wie an Vermerken bzw. an den damaligen steuerlichen Berater der Klägerin gesandten Schreiben mit Nachfragen. Dass diese damit nicht aktenkundigen Tatsachen dennoch der Veranlagungsdienststelle des Beklagten bekannt waren, hat die insoweit darlegung- und beweisbelastete Klägerin nicht hinreichend dargetan.
FG Hamburg PM Nr. 3 vom 30.9.2020
Die Klägerin wandte sich gegen Änderungsbescheide, welche nach einer bei ihr durchgeführten Außenprüfung des Beklagten ergingen. Die Klägerin war der Ansicht, eine Änderung aufgrund nachträglichen Bekanntwerdens von Tatsachen hätte nicht erfolgen dürfen, da der Beklagten die fraglichen Tatsachen bereits vor der Außenprüfung bekannt gewesen sein müssten, es sich also nicht um "neue" Tatsachen gehandelt habe.
Außerdem könnten Steuerbescheide zum Nachteil des Steuerpflichtigen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nur geändert werden, wenn der für die Änderung maßgebende Sachverhalt geklärt sei. Bestünden Zweifel am Vorliegen der für die Änderung des Bescheids maßgebenden Tatsachen, gehe dies regelmäßig zulasten der Finanzbehörde, weil sie für das Vorliegen dieser Tatsachen die Feststellungslast trage. So habe der Beklagte im Veranlagungsverfahren für die entsprechenden Zeiträume Fragen zu Fremdleistungen und andere steuerlich relevante Fragen gestellt. Der dafür zuständige ehemalige Berater könne leider dazu nicht mehr gehört werden, weil dieser verstorben sei.
Das FG wies die Klage jedoch ab, da die Klägerin nicht den - insoweit ihr obliegenden - Nachweis für die behauptete Kenntnis des beklagten Finanzamts über die relevanten Tatsachen geführt habe. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Die Klage ist nicht begründet. Der Beklagte konnte die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wie vorgenommen ändern.
Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide u.a. dann aufzuheben oder zu ändern, wenn "neue Tatsachen" vorliegen, die zu einer höheren Steuer führen. Eine Tatsache ist "neu", wenn sie das Finanzamt bei Erlass des ursprünglichen oder des im Anschluss daran ergangenen geänderten Steuerbescheides noch nicht kannte. Eine Tatsache gilt allerdings dann nicht als "neu", wenn sie dem Finanzamt bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht (vgl. § 88 AO) nicht verborgen geblieben wäre, sofern der Steuerpflichtige seinerseits seiner Mitwirkungspflicht voll genügt hat. Dabei kommt es für die Frage der Neuheit einer Tatsache nach der ständigen Rechtsprechung des BFH auf die Kenntnis der zur Bearbeitung des Steuerfalles organisatorisch berufenen Dienststelle an.
Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO trägt grundsätzlich das Finanzamt. Die Beweislast dafür, dass dem für die Veranlagung des Steuerpflichtigen zuständigen Sachbearbeiter ausnahmsweise auch nicht aktenkundige Tatsachen dienstlich bekannt waren oder nach dem Inhalt der zu bearbeitenden Steuererklärung oder der präsenten Akten als bekannt zuzurechnen sind, trägt jedoch der Steuerpflichtige. Dies gilt insbesondere dann, wenn wegen des Unterlassens der Beiziehung "anderer" Akten die Verletzung der Ermittlungspflicht in Rede steht. Lassen sich entsprechende Umstände oder ein dahingehendes Fehlverhalten nicht nachweisen, gelten nicht aktenkundige Tatsachen folglich nicht als bekannt und erlauben dem Finanzamt eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (BFH v. 18.6.2015 - VI R 84/13).
Gemessen an diesen Grundsätzen war es dem Beklagten nicht verwehrt, die Prüfungsfeststellungen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern. Insoweit basieren die Änderungen (...) nach Aktenlage auf erstmals im Rahmen der Betriebsprüfung dem Betriebsprüfer bekannt gewordenen Tatsachen. Namentlich sind dies nicht verbuchte Umsätze aus Rechnungen des ..., diverse Bareinzahlungen auf das betriebliche Bankkonto, welche teilweise als Einlage, teilweise als nicht erfolgswirksam verbucht wurden, die Abbildung eines darlehensfinanzierten und an einen Mitarbeiter veräußerten Kastenwagens, nicht vorgelegte Leasingverträge für Betriebsfahrzeuge, Fehlbuchungen bei aktiven Rechnungsabgrenzungsposten, sowie Betriebsausgaben für einen lediglich privat genutzten Pkw.
Nach Lage der Akten ist nichts dafür ersichtlich, dass - wie die Klägerin vorträgt - diese Sachverhalte (teilweise) der Veranlagungsdienststelle bereits im Vorfeld der durchgeführten Außenprüfung und vor Erlass der ersten Änderungsbescheide im Rahmen der Veranlagung 2013 bekannt gewesen waren. Aus den eingereichten Steuererklärungen sowie dazugehörigen Einnahmenüberschussrechnungen können diese Tatsachen jedenfalls nicht entnommen werden. Hinweise für die von der Klägerin behaupteten Nachfragen insbesondere zu den Fremdleistungen bzw. anderen steuerlich relevanten Fragen finden sich nicht. Am entsprechenden Telefonvermerk fehlt es ebenso wie an Vermerken bzw. an den damaligen steuerlichen Berater der Klägerin gesandten Schreiben mit Nachfragen. Dass diese damit nicht aktenkundigen Tatsachen dennoch der Veranlagungsdienststelle des Beklagten bekannt waren, hat die insoweit darlegung- und beweisbelastete Klägerin nicht hinreichend dargetan.