16.03.2020

Abgabenordnung: Voraussetzungen für offenbare Unrichtigkeit einer Zinsfestsetzung

Beruht die Zinsfestsetzung auf einer, von der Rechtsauffassung der Kläger abweichenden, Anwendung des § 233a Abs. 2a AO sind die Voraussetzungen der Berichtigungsvorschrift des § 129 AO nicht erfüllt. Auch ein Anspruch auf Änderung der Zinsfestsetzungen gem. § 233a Abs. 5 AO scheidet dann aus.

FG Köln v. 27.3.2019 - 3 K 1602/18
Der Sachverhalt:
Die Kläger sind Eheleute, die in den Streitjahren 2007 und 2008 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden waren. Am 6.5.2013 erließ das Finanzamt nach einer Außenprüfung gem. § 164 Abs. 2 AO geänderte und die Vorbehalte der Nachprüfung aufhebende Einkommensteuerbescheide für 2007 und 2008 über "Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer". Neben der geänderten Festsetzung der Einkommensteuer, die u.a. auf Rückgängigmachung von Investitionsabzugsbeträgen gem. § 7g Abs. 3 EStG beruhte, enthielten die Bescheide Festsetzungen von Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO. In den Rechtsbehelfsbelehrungen fand sich jeweils der Hinweis, dass die Festsetzung der Zinsen mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs angefochten werden kann.

Mit Schreiben vom 10.6.2013 legten die Kläger "gegen die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer 2006 bis 2008" sowie gegen den Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 6.5.2013 Einspruch ein. Mit einem weiteren Schriftsatz vom 30.12.2013 beantragten die Kläger "im Rahmen des Einspruchsverfahrens die Korrektur der Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 hinsichtlich der bisherigen Verzinsung aufgrund der Nichtinanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages".

Das Finanzamt wertete das Schreiben vom 30.12.2013 als Einspruch gegen die Zinsfestsetzungen und wies diesen zurück. Die Kläger hielten dagegen, dass kein Bescheid über die Festsetzung von Zinsen vorliege, sondern lediglich eine Abrechnung über Zinsen in dem Bescheid über Einkommensteuer, welche keinen eigenständigen Verwaltungsakt darstelle. Die Kläger stellten einen Antrag auf Änderung der Zinsfestsetzung zur Einkommensteuer 2007 und 2008, den das Finanzamt aber ablehnte. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings wurde die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az.: VIII R 16/19 anhängig.

Die Gründe:
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Berichtigung oder Änderung der Zinsfestsetzungen zur Einkommensteuer 2007 und 2008.

§ 129 Satz 1 AO regelt, dass die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit innerhalb der Verjährungsfrist berichtigen kann. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen (§ 129 Satz 2 AO). § 129 AO gilt auch für die Festsetzung von Zinsen (§ 239 Abs. 1 Satz 1 AO). Nach ständiger BFH-Rechtsprechung handelt es sich um eine offenbare Unrichtigkeit i.S.v. § 129 AO, wenn ein Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist. Davon ist auszugehen bei mechanischen Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehlern. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts eine offenbare Unrichtigkeit aus.

Infolgedessen konnte im vorliegenden Fall nicht von einer offenbaren Unrichtigkeit ausgegangen werden. Anhaltspunkte für ein mechanisches Versehen, das zur Anwendung eines früheren Zinslaufbeginns geführt hatte, waren nicht ersichtlich. Vielmehr beruhte die Zinsfestsetzung auf einer, von der Rechtsauffassung der Kläger abweichenden, Anwendung des § 233a Abs. 2a AO. Doch ein solcher Fall wird von § 129 AO gerade nicht erfasst.

Auch kein Anspruch der Kläger auf Änderung der Zinsfestsetzungen gem. § 233a Abs. 5 AO im Hinblick auf die Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen 2007 und 2008 schied aus. Fehler, die sich allein auf die Zinsfestsetzung beziehen und nicht von der Bindungswirkung des Steuerbescheids umfasst sind, wie etwa die Berücksichtigung eines unrichtigen Wertstellungstages oder sonstige Berechnungsfehler, können nicht über diese Vorschrift, sondern nur nach §§ 239 Abs. 1 i.V.m. §§ 172 ff. AO korrigiert werden. Klärungsbedürftig ist in diesem Zusammenhang somit die Frage, ob der Wegfall der Investitionsabsicht nach § 7g Abs. 3 EStG als rückwirkendes Ereignis in den Einkommensteuerfestsetzungsbescheiden festgestellt wurde, bzw. inwieweit eine solche Feststellung Bindungswirkung für den Zinslaufbeginn in den Zinsbescheiden entfaltet.

Gegen das Vorliegen einer solchen Feststellung im Streitfall sprach, dass sich den Einkommensteuerbescheiden 2007 und 2008 nicht entnehmen ließ, dass die durchgeführte Änderung auf einem rückwirkenden Ereignis gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO beruhte. In den Bescheiden wurde lediglich darauf hingewiesen, dass diese nach § 164 Abs. 2 AO geändert worden waren. Auch darüber hinaus ließ sich den Bescheiden nicht entnehmen, dass die Änderung auf eine Rückgängigmachung gem. § 7g Abs. 3 EStG zurück zu führen, geschweige denn zu welchem Zeitpunkt die Investitionsabsicht gem. § 7g Abs. 3 EStG weggefallen war.
FG Köln online
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