Abgrenzung zwischen Leibrente und dauernder Last bei einer bis zum 31.12.2007 vereinbarten Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen
Kurzbesprechung
BFH v. 15.11.2023 - X R 3/21
EStG § 10 Abs 1 Nr. 1a, § 52 Abs. 18 u. 23e
SGB 11 § 15
ZPO § 323
Im Streitfall ging es um die Frage, ob eine 2003 erfolgte Übertragung eines gewerblichen Betriebs gegen Versorgungsleistungen den Übernehmer zum Vollabzug als dauernde Lasten berechtigt. FA und nachfolgend das FG werteten die im Übertragungsvertrag vereinbarten Leistungen als nicht abänderbar und ließen daher nur den Abzug einer Leibrente mit dem Ertragsanteil zu. Zu diesem Ergebnis kam auch der der BFH, der die von dem Steuerpflichtigen eingelegte Revision als unbegründet zurückwies.
Eine zum Vollabzug der Versorgungsleistungen berechtigende dauernde Last erfordert, dass substantiell eine Änderbarkeit der wiederkehrenden Leistungen sowohl zugunsten des Übernehmers als auch zugunsten des Übergebers vereinbart ist. Die Änderbarkeit allein zugunsten einer Partei genügt dagegen nicht. Abänderbarkeit in diesem Sinne bedeutet, dass der Vertrag eine Anpassung nach den Bedürfnissen des Übergebers oder der Leistungsfähigkeit des Übernehmers erlaubt.
Die Verwendung des Begriffs "oder" bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, dass eine Änderbarkeit in dem erforderlichen Maße bereits dann anzunehmen wäre, wenn nur einer der beiden Änderungsgründe vertraglich vorgesehen ist, eine Anpassung aufgrund des anderen Änderungsgrundes aber nicht möglich ist. Dies ergibt sich aus der Herkunft des Vermögensübergabe- und Versorgungsvertrages. Denn mit "Vermögensübergabe" ist ein Vertragstypus umschrieben, der sich grundsätzlich an dem zivilrechtlichen Typus der Hof- und Betriebsübergabe orientiert. Für diesen ist charakteristisch, dass infolge der Übertragung von existenzsicherndem Vermögen zur Weiterführung durch die nachfolgende Generation die Lebensverhältnisse von Übergeber und Übernehmer in besonderer Weise miteinander verknüpft sind. Die Gegenleistung wird nicht nach dem Wert des übergebenen Vermögens, sondern nach dem Versorgungsbedürfnis des Übergebers einerseits und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Übernehmers andererseits bemessen.
Entscheidend ist, ob eine Anpassung von jeder Vertragspartei verlangt werden kann. Dabei gilt zwar der Grundsatz, dass für eine steuerrechtlich zu beachtende Änderungsklausel der Vorbehalt der Rechte aus § 323 ZPO genügt, weil dies so zu verstehen ist, dass der Vertrag nach Maßgabe des materiellen Rechts, auf das diese Vorschrift Bezug nimmt, abänderbar sein soll. Eine solche ausdrückliche Bezugnahme auf § 323 ZPO führt jedoch nicht zur Annahme abänderbarer Leistungen, wenn die Vertragspartner deren Höhe nach dem Inhalt der gesamten Vereinbarungen materiell-rechtlich von Voraussetzungen abhängig gemacht haben, die einer Wertsicherungsklausel entsprechen.
Wiederkehrende Leistungen sind außerdem als nicht abänderbar ‑ und damit lediglich als Leibrente ‑ zu beurteilen, wenn trotz einer allgemeinen Bezugnahme auf § 323 ZPO eine Abänderung infolge eines Mehrbedarfs des Übergebers wegen dauernder Pflegebedürftigkeit oder Heimunterbringung ausgeschlossen ist. Diese Wertung ist gerechtfertigt, wenn nicht ersichtlich ist, in welchen Fällen die Anpassungsklausel angesichts einer vereinbarten, mit Ausnahme der Übernahme des Pflegerisikos recht umfassenden Versorgung der Übergeber überhaupt noch zum Tragen hätte kommen können. Bei der Abgrenzung zwischen Leibrenten und dauernden Lasten ist indes nicht nur auf die vereinbarten Barleistungen, sondern auf die gesamten vereinbarten Versorgungsleistungen abzustellen.
Für die Annahme einer dauernden Last genügt es, wenn der in Rede stehende Mehrbedarf wegen (dauernder) Pflegebedürftigkeit im Versorgungsvertrag wenigstens über einen der drei möglichen Durchführungswege der Pflege abgedeckt wird. Insoweit ist es ausreichend, wenn sich der Vermögensübernehmer zur persönlichen Pflege der Vermögensübergeber (mindestens im Umfang der bis 2016 geltenden Pflegestufe I bzw. des ab 2017 geltenden Pflegegrades 2, vgl. § 15 des Elften Buches Sozialgesetzbuch in der bis 2016 bzw. ab 2017 geltenden Fassung), zur Übernahme von zusätzlichen Kosten für die häusliche Pflege in entsprechendem Mindestumfang oder ‑ so der dritte Durchführungsweg ‑ zur Übernahme der im Rahmen einer externen Pflege entstehenden Kosten in vergleichbarer Höhe verpflichtet hat.
Eine Regelung, die die Anpassung der (persönlichen oder finanziellen) Versorgungsleistungen im Fall des Eintritts (dauernder) Pflegebedürftigkeit oder Heimunterbringung vollständig ausschließt, lässt jedoch die Abänderbarkeit der Leistungen entfallen und steht einer Einordnung der wiederkehrenden Leistungen als dauernde Last entgegen.
Für die Einordnung der Versorgungsleistungen als dauernde Last oder Leibrente ist somit alleinentscheidend, ob die Regelungen im Vermögensübergabe- und Versorgungsvertrag objektiv die Möglichkeit einräumen, dass die laufenden Zahlungen den veränderten Verhältnissen ‑ auch beim Berechtigten ‑ angepasst werden können, ob also trotz des ihn betreffenden Ausschlusses der Abänderung wegen Mehrbedarfs aufgrund dauernder Pflegebedürftigkeit und Heimunterbringung ein relevanter Anwendungsbereich für die Änderbarkeit wegen möglicher Versorgungsbedürfnisse des Übergebers verbleibt.
Dies bedeutet allerdings, dass es auf die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit aufgrund eigener guter Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Übergebers und der gegebenenfalls beträchtlichen Höhe der vereinbarten Bar-Versorgungsleistungen im Zeitpunkt des Abschlusses des Vermögensübergabe- und Versorgungsvertrages ein Mehrbedarf an Unterhalt zu erwarten war, nicht ankommt.
Im Streitfall hatten die Vertragsparteien zwar unter Bezugnahme auf § 323 ZPO vereinbart, dass bei einer Veränderung der für die Berechnung der monatlichen Leistungen maßgeblichen Verhältnisse im wesentlichen Umfang jeder Vertragsteil berechtigt sein solle, im Wege der Klage eine entsprechende Abänderung des geschuldeten Betrags zu verlangen, wobei insbesondere die Leistungsfähigkeit des Übernehmers und die Bedürftigkeit des Übergebers maßgeblich sein sollten. Zugleich wurde in den Übergabevertrag jedoch eine Klausel aufgenommen, wonach eine Abänderung nicht aus dem Mehrbedarf des Berechtigten abgeleitet werden dürfe, der sich infolge der dauernden Pflegebedürftigkeit des Vermögensübergebers oder durch seine Aufnahme in ein Alten- oder Pflegeheim ergebe.
Im Streitfall war das FG erkennbar von einem umfassenden Ausschluss der Anpassung der Leistungen aufgrund eines Mehrbedarfs wegen dauernder Pflegebedürftigkeit ausgegangen und hatte zutreffend entschieden, dass die wiederkehrenden Barleistungen des Steuerpflichtigen nicht als dauernde Last angesehen werden können.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 10 Abs 1 Nr. 1a, § 52 Abs. 18 u. 23e
SGB 11 § 15
ZPO § 323
Im Streitfall ging es um die Frage, ob eine 2003 erfolgte Übertragung eines gewerblichen Betriebs gegen Versorgungsleistungen den Übernehmer zum Vollabzug als dauernde Lasten berechtigt. FA und nachfolgend das FG werteten die im Übertragungsvertrag vereinbarten Leistungen als nicht abänderbar und ließen daher nur den Abzug einer Leibrente mit dem Ertragsanteil zu. Zu diesem Ergebnis kam auch der der BFH, der die von dem Steuerpflichtigen eingelegte Revision als unbegründet zurückwies.
Eine zum Vollabzug der Versorgungsleistungen berechtigende dauernde Last erfordert, dass substantiell eine Änderbarkeit der wiederkehrenden Leistungen sowohl zugunsten des Übernehmers als auch zugunsten des Übergebers vereinbart ist. Die Änderbarkeit allein zugunsten einer Partei genügt dagegen nicht. Abänderbarkeit in diesem Sinne bedeutet, dass der Vertrag eine Anpassung nach den Bedürfnissen des Übergebers oder der Leistungsfähigkeit des Übernehmers erlaubt.
Die Verwendung des Begriffs "oder" bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, dass eine Änderbarkeit in dem erforderlichen Maße bereits dann anzunehmen wäre, wenn nur einer der beiden Änderungsgründe vertraglich vorgesehen ist, eine Anpassung aufgrund des anderen Änderungsgrundes aber nicht möglich ist. Dies ergibt sich aus der Herkunft des Vermögensübergabe- und Versorgungsvertrages. Denn mit "Vermögensübergabe" ist ein Vertragstypus umschrieben, der sich grundsätzlich an dem zivilrechtlichen Typus der Hof- und Betriebsübergabe orientiert. Für diesen ist charakteristisch, dass infolge der Übertragung von existenzsicherndem Vermögen zur Weiterführung durch die nachfolgende Generation die Lebensverhältnisse von Übergeber und Übernehmer in besonderer Weise miteinander verknüpft sind. Die Gegenleistung wird nicht nach dem Wert des übergebenen Vermögens, sondern nach dem Versorgungsbedürfnis des Übergebers einerseits und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Übernehmers andererseits bemessen.
Entscheidend ist, ob eine Anpassung von jeder Vertragspartei verlangt werden kann. Dabei gilt zwar der Grundsatz, dass für eine steuerrechtlich zu beachtende Änderungsklausel der Vorbehalt der Rechte aus § 323 ZPO genügt, weil dies so zu verstehen ist, dass der Vertrag nach Maßgabe des materiellen Rechts, auf das diese Vorschrift Bezug nimmt, abänderbar sein soll. Eine solche ausdrückliche Bezugnahme auf § 323 ZPO führt jedoch nicht zur Annahme abänderbarer Leistungen, wenn die Vertragspartner deren Höhe nach dem Inhalt der gesamten Vereinbarungen materiell-rechtlich von Voraussetzungen abhängig gemacht haben, die einer Wertsicherungsklausel entsprechen.
Wiederkehrende Leistungen sind außerdem als nicht abänderbar ‑ und damit lediglich als Leibrente ‑ zu beurteilen, wenn trotz einer allgemeinen Bezugnahme auf § 323 ZPO eine Abänderung infolge eines Mehrbedarfs des Übergebers wegen dauernder Pflegebedürftigkeit oder Heimunterbringung ausgeschlossen ist. Diese Wertung ist gerechtfertigt, wenn nicht ersichtlich ist, in welchen Fällen die Anpassungsklausel angesichts einer vereinbarten, mit Ausnahme der Übernahme des Pflegerisikos recht umfassenden Versorgung der Übergeber überhaupt noch zum Tragen hätte kommen können. Bei der Abgrenzung zwischen Leibrenten und dauernden Lasten ist indes nicht nur auf die vereinbarten Barleistungen, sondern auf die gesamten vereinbarten Versorgungsleistungen abzustellen.
Für die Annahme einer dauernden Last genügt es, wenn der in Rede stehende Mehrbedarf wegen (dauernder) Pflegebedürftigkeit im Versorgungsvertrag wenigstens über einen der drei möglichen Durchführungswege der Pflege abgedeckt wird. Insoweit ist es ausreichend, wenn sich der Vermögensübernehmer zur persönlichen Pflege der Vermögensübergeber (mindestens im Umfang der bis 2016 geltenden Pflegestufe I bzw. des ab 2017 geltenden Pflegegrades 2, vgl. § 15 des Elften Buches Sozialgesetzbuch in der bis 2016 bzw. ab 2017 geltenden Fassung), zur Übernahme von zusätzlichen Kosten für die häusliche Pflege in entsprechendem Mindestumfang oder ‑ so der dritte Durchführungsweg ‑ zur Übernahme der im Rahmen einer externen Pflege entstehenden Kosten in vergleichbarer Höhe verpflichtet hat.
Eine Regelung, die die Anpassung der (persönlichen oder finanziellen) Versorgungsleistungen im Fall des Eintritts (dauernder) Pflegebedürftigkeit oder Heimunterbringung vollständig ausschließt, lässt jedoch die Abänderbarkeit der Leistungen entfallen und steht einer Einordnung der wiederkehrenden Leistungen als dauernde Last entgegen.
Für die Einordnung der Versorgungsleistungen als dauernde Last oder Leibrente ist somit alleinentscheidend, ob die Regelungen im Vermögensübergabe- und Versorgungsvertrag objektiv die Möglichkeit einräumen, dass die laufenden Zahlungen den veränderten Verhältnissen ‑ auch beim Berechtigten ‑ angepasst werden können, ob also trotz des ihn betreffenden Ausschlusses der Abänderung wegen Mehrbedarfs aufgrund dauernder Pflegebedürftigkeit und Heimunterbringung ein relevanter Anwendungsbereich für die Änderbarkeit wegen möglicher Versorgungsbedürfnisse des Übergebers verbleibt.
Dies bedeutet allerdings, dass es auf die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit aufgrund eigener guter Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Übergebers und der gegebenenfalls beträchtlichen Höhe der vereinbarten Bar-Versorgungsleistungen im Zeitpunkt des Abschlusses des Vermögensübergabe- und Versorgungsvertrages ein Mehrbedarf an Unterhalt zu erwarten war, nicht ankommt.
Im Streitfall hatten die Vertragsparteien zwar unter Bezugnahme auf § 323 ZPO vereinbart, dass bei einer Veränderung der für die Berechnung der monatlichen Leistungen maßgeblichen Verhältnisse im wesentlichen Umfang jeder Vertragsteil berechtigt sein solle, im Wege der Klage eine entsprechende Abänderung des geschuldeten Betrags zu verlangen, wobei insbesondere die Leistungsfähigkeit des Übernehmers und die Bedürftigkeit des Übergebers maßgeblich sein sollten. Zugleich wurde in den Übergabevertrag jedoch eine Klausel aufgenommen, wonach eine Abänderung nicht aus dem Mehrbedarf des Berechtigten abgeleitet werden dürfe, der sich infolge der dauernden Pflegebedürftigkeit des Vermögensübergebers oder durch seine Aufnahme in ein Alten- oder Pflegeheim ergebe.
Im Streitfall war das FG erkennbar von einem umfassenden Ausschluss der Anpassung der Leistungen aufgrund eines Mehrbedarfs wegen dauernder Pflegebedürftigkeit ausgegangen und hatte zutreffend entschieden, dass die wiederkehrenden Barleistungen des Steuerpflichtigen nicht als dauernde Last angesehen werden können.