Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 7 AO bei Hinterziehung derselben Steuer durch den Erblasser und den Erben
Kurzbesprechung
BFH v. 21.6.2022 - VIII R 26/19
AO § 45, § 153 Abs. 1, § 169 Abs. 2 S. 2, § 171 Abs. 7, § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 370, § 376
Im Streitfall begann die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres, in dem die Erblasser die Einkommensteuererklärung für das jeweilige Streitjahr abgegeben hatten (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Sie verlängerte sich aufgrund der unstreitigen Steuerhinterziehungen des Erblassers für jedes Streitjahr auf zehn Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO).
Die durch die Steuerhinterziehungen des Erblassers für die Streitjahre in Gang gesetzten zehnjährigen Festsetzungsfristen liefen für die Steuerpflichtigen als Gesamtrechtsnachfolgerinnen jeweils bis zum Ablauf des Zehnjahreszeitraums weiter. Denn die Eigenschaft einer Steuer, hinterzogen zu sein, haftet der Steuer als solcher an und geht mit dem Übergang der Steuerschuld nach § 45 Abs. 1 AO auf den Gesamtrechtsnachfolger über.
Die von den Steuerpflichtigen als Erbinnen durch Unterlassen der Erklärungsberichtigungen begangenen Steuerhinterziehungen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 AO) lösten für die Einkommensteuer der Streitjahre keine erneute zehnjährige Festsetzungsfrist aus. Zwar ist auch eine Steuerhinterziehung eines Erben geeignet, die Festsetzungsfrist für den übergegangenen Steueranspruch auf zehn Jahre zu verlängern. Die Steuerhinterziehung des Erben bewirkt jedoch nur dann eine Fristverlängerung auf zehn Jahre, wenn es sich bei dieser ‑ anders als im Streitfall ‑ um eine erstmalige Verlängerung der Festsetzungsfrist aufgrund einer Steuerhinterziehung handelt. Im Streitfall war die zehnjährige Festsetzungsfrist für alle Streitjahre zum Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsbescheide noch nicht abgelaufen.
Der Ablauf der Festsetzungsfristen war gem. § 171 Abs. 7 AO gehemmt, da Fälle des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO vorlagen und die Verfolgung der Steuerstraftaten der Steuerpflichtigen noch nicht verjährt war.
Nach § 171 Abs. 7 AO endet die Festsetzungsfrist in den Fällen der Verlängerung der Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist. Nach dem Wortlaut des § 171 Abs. 7 AO setzt die Hemmung der Festsetzungsverjährung nicht voraus, dass die noch nicht verjährte Steuerstraftat bzw. Steuerordnungswidrigkeit die Tat ist, die zur Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO geführt hat. Erforderlich ist allein, dass eine verlängerte steuerliche Festsetzungsfrist vorliegt und die Verfolgungsverjährung für eine dieselbe Steuerschuld betreffende Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit noch nicht eingetreten ist.
Die Steuerpflichtigen waren nach dem Erbfall gem. § 153 Abs. 1 AO zur Anzeige und Berichtigung der Einkommensteuererklärungen der Erblasser für die Streitjahre verpflichtet. Aufgrund ihres bereits vor dem Tod des Erblassers erlangten Wissens erkannten sie unmittelbar nach dem Erbfall und damit noch vor dem jeweiligen Ablauf der auf zehn Jahre verlängerten Festsetzungsfrist, dass die von den Erblassern ursprünglich abgegebenen Einkommensteuererklärungen unvollständig waren und dass es dadurch in den Streitjahren zu Einkommensteuerverkürzungen gekommen war. Sie traf als Gesamtrechtsnachfolgerinnen deshalb nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 AO die Verpflichtung, dies dem FA unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen.
Dieser Verpflichtung waren sie jedoch bewusst nicht nachgekommen. Sie hatten das FA auf diese Weise pflichtwidrig über die steuerlich erheblichen Kapitalerträge in Unkenntnis gelassen und dadurch die Einkommensteuer der Streitjahre verkürzt (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 AO). Die Anzeige- und Berichtigungspflicht wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Erbe bereits vor dem Tod des Erblassers Kenntnis von dem Kapitalvermögen im Ausland und der Abgabe unrichtiger Steuererklärungen hatte, da für die nachträgliche Kenntnis auf den Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge, d.h. auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers abzustellen ist.
Verlag Dr. Otto Schmidt
AO § 45, § 153 Abs. 1, § 169 Abs. 2 S. 2, § 171 Abs. 7, § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 370, § 376
Im Streitfall begann die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres, in dem die Erblasser die Einkommensteuererklärung für das jeweilige Streitjahr abgegeben hatten (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Sie verlängerte sich aufgrund der unstreitigen Steuerhinterziehungen des Erblassers für jedes Streitjahr auf zehn Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO).
Die durch die Steuerhinterziehungen des Erblassers für die Streitjahre in Gang gesetzten zehnjährigen Festsetzungsfristen liefen für die Steuerpflichtigen als Gesamtrechtsnachfolgerinnen jeweils bis zum Ablauf des Zehnjahreszeitraums weiter. Denn die Eigenschaft einer Steuer, hinterzogen zu sein, haftet der Steuer als solcher an und geht mit dem Übergang der Steuerschuld nach § 45 Abs. 1 AO auf den Gesamtrechtsnachfolger über.
Die von den Steuerpflichtigen als Erbinnen durch Unterlassen der Erklärungsberichtigungen begangenen Steuerhinterziehungen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 AO) lösten für die Einkommensteuer der Streitjahre keine erneute zehnjährige Festsetzungsfrist aus. Zwar ist auch eine Steuerhinterziehung eines Erben geeignet, die Festsetzungsfrist für den übergegangenen Steueranspruch auf zehn Jahre zu verlängern. Die Steuerhinterziehung des Erben bewirkt jedoch nur dann eine Fristverlängerung auf zehn Jahre, wenn es sich bei dieser ‑ anders als im Streitfall ‑ um eine erstmalige Verlängerung der Festsetzungsfrist aufgrund einer Steuerhinterziehung handelt. Im Streitfall war die zehnjährige Festsetzungsfrist für alle Streitjahre zum Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsbescheide noch nicht abgelaufen.
Der Ablauf der Festsetzungsfristen war gem. § 171 Abs. 7 AO gehemmt, da Fälle des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO vorlagen und die Verfolgung der Steuerstraftaten der Steuerpflichtigen noch nicht verjährt war.
Nach § 171 Abs. 7 AO endet die Festsetzungsfrist in den Fällen der Verlängerung der Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist. Nach dem Wortlaut des § 171 Abs. 7 AO setzt die Hemmung der Festsetzungsverjährung nicht voraus, dass die noch nicht verjährte Steuerstraftat bzw. Steuerordnungswidrigkeit die Tat ist, die zur Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO geführt hat. Erforderlich ist allein, dass eine verlängerte steuerliche Festsetzungsfrist vorliegt und die Verfolgungsverjährung für eine dieselbe Steuerschuld betreffende Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit noch nicht eingetreten ist.
Die Steuerpflichtigen waren nach dem Erbfall gem. § 153 Abs. 1 AO zur Anzeige und Berichtigung der Einkommensteuererklärungen der Erblasser für die Streitjahre verpflichtet. Aufgrund ihres bereits vor dem Tod des Erblassers erlangten Wissens erkannten sie unmittelbar nach dem Erbfall und damit noch vor dem jeweiligen Ablauf der auf zehn Jahre verlängerten Festsetzungsfrist, dass die von den Erblassern ursprünglich abgegebenen Einkommensteuererklärungen unvollständig waren und dass es dadurch in den Streitjahren zu Einkommensteuerverkürzungen gekommen war. Sie traf als Gesamtrechtsnachfolgerinnen deshalb nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 AO die Verpflichtung, dies dem FA unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen.
Dieser Verpflichtung waren sie jedoch bewusst nicht nachgekommen. Sie hatten das FA auf diese Weise pflichtwidrig über die steuerlich erheblichen Kapitalerträge in Unkenntnis gelassen und dadurch die Einkommensteuer der Streitjahre verkürzt (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 AO). Die Anzeige- und Berichtigungspflicht wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Erbe bereits vor dem Tod des Erblassers Kenntnis von dem Kapitalvermögen im Ausland und der Abgabe unrichtiger Steuererklärungen hatte, da für die nachträgliche Kenntnis auf den Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge, d.h. auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers abzustellen ist.