01.02.2019

Abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen: Keine Billigkeitsmaßnahme hinsichtlich vortragsfähiger Verluste aus Spekulationsgeschäften

Das FG Köln hat sich vorliegend mit der Frage einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen befasst. Es hat dabei keine Billigkeitsmaßnahme hinsichtlich vortragsfähiger Verluste aus Spekulationsgeschäften im Jahr 2001 festgestellt.

FG Köln v. 5.9.2018 - 5 K 3009/15
Der Sachverhalt:

Die Klägerin war im Streitjahr als Steuerberaterin nichtselbständig tätig. Darüber hinaus hat sie Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, aus Beteiligungseinkünften, aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen, deren Gesamtsumme sich im Streitjahr 2001 auf rd. 1. Mio. DM belief. Darüber hinaus erlitt die Klägerin wegen des Börsencrashs erhebliche Verluste (sonstige Einkünfte) aus Stillhaltergeschäften und anderen privaten Veräußerungsgeschäften. Diese wurden vom Finanzamt wie folgt berücksichtigt: Einnahmen: rd. 5,1 Mio. DM; Ausgaben: rd. 9,7 Mio. DM; Einkünfte: rd. - 4,4 Mio. DM.

Wegen der Verlustausgleichsbeschränkung gem. § 22 Nr. 3 Sätze 3 und 4 EStG erfolgte keine Verrechnung mit den positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten; der verbleibende Verlustvortrag auf den 31.12.2001 wurde entsprechend festgestellt. Gegen den Einkommensteuer- und Verlustfeststellungsbescheid für das Jahr 2001 legte die Klägerin rechtzeitig Einspruch ein und beantragte, die Verluste mit den positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten zu verrechnen. Die gegen diese Bescheide gerichteten Einspruchsverfahren wurden zum Ruhen gebracht. Über die Einsprüche wurde noch nicht entschieden. Im Mai 2015 beantragte die Klägerin für das Streitjahr 2001, aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 163 AO die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag auf 0 DM festzusetzen. Dieser Antrag wurde abgelehnt.

Zu Begründung führte das Finanzamt aus, die in 2001 erlittenen Verluste der Klägerin aus Stillhaltergeschäften und privaten Veräußerungsgeschäften stünden in keinem unmittelbaren Sachzusammenhang mit den positiven Einkünften anderer Einkunftsarten. Die Festsetzung entspreche den Wertungen des Gesetzgebers, der den Ausgleich von Verlusten aus risikobehafteten Stillhaltergeschäften und privaten Veräußerungsgeschäften wie vorliegend beschränken wollte. Ein Ausgleich der festgestellten Verluste sei weiter möglich. Diese seien auch zukünftig mit positiven Einkünften gem. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 3 S. 8 und § 22 Nr. 3 Satz 4 EStG ausgleichsfähig.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Beim BFH anhängige Revision des Finanzamts wird dort unter dem Az. IX B 106/18 geführt.

Die Gründe:

Die Entscheidung des Finanzamts, die begehrte abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO abzulehnen, ist nicht zu beanstanden.

Nach § 163 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden, und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuern unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Sachlich unbillig ist die Festsetzung einer Steuer, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte - im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine Billigkeitsmaßnahme.

Eine Billigkeitsentscheidung darf zudem nicht dazu führen, die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes zu unterlaufen. Sie darf nicht die Wertung des Gesetzes durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes abhelfen. Die Billigkeitsprüfung muss sich je nach Fallgestaltung nicht nur auf allgemeine Rechtsgrundsätze und verfassungsmäßige Wertungen erstrecken; sie verlangt vielmehr eine Gesamtbeurteilung aller Normen, die für die Verwirklichung des in Frage stehenden Steueranspruchs im konkreten Fall maßgeblich sind.

Danach war dem Finanzamt nicht aufzugeben, eine erneute Prüfung der Billigkeitsgründe vorzunehmen. Das Finanzamt konnte keine andere Entscheidung treffen, da eine Unbilligkeit hier nicht vorlag. Die sich vorliegend ergebende zeitliche Streckung des Verlustausgleichs ist sachlich nicht unbillig. Die bisher einhellige Rechtsprechung zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der zeitlichen Streckung des Verlustausgleichs lässt sich auf den Bereich der sachlichen Unbilligkeit dahingehend übertragen, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der Regelungen in § 23 Abs.1 Nr. 4 EStG eine gewisse Härte, nämlich die (vorübergehende) Nichtberücksichtigung von Verlusten aus bestimmten Einkunftsarten in Kauf genommen hat. Würde in einem solchen Falle eine Billigkeitsmaßnahme aus sachlichen Gründen erfolgen, so würde die gesetzliche Regelung letztlich ins Leere laufen und der Gesetzeszweck verfehlt werden.

Eine sachliche Unbilligkeit könnte daher allenfalls in dem hier nicht vorliegenden Fall anzunehmen sein, dass es nicht nur zu einer Beschränkung des Verlustausgleichs im Sinne einer zeitlichen Verschiebung kommt, sondern zu einem endgültigen Ausschluss des Verlustausgleichs aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen. Hierüber war vorliegend aber nicht zu befinden. Die Festsetzung der Einkommensteuer gegenüber der Klägerin ist zudem auch deshalb nicht unbillig, weil die Klägerin selbst entschieden hat, sich am risikoreichen Kapitalmarkt zu betätigen, sie also durch ihr eigene Initiative dazu beigetragen hat, dass ihr ein Verlust entstanden ist, der nach § 22 Nr. 3 Sätze 3 und 4 EStG nicht verrechnet werden konnte. Die Klägerin selbst hat damit die Ursache für das Eintreten ihrer Verluste und der damit greifenden Verlustausgleichsbeschränkung gesetzt, obwohl sie die Besteuerungsfolgen kennen musste.

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