22.04.2021

Abzug des beim Tod des Steuerpflichtigen noch nicht berücksichtigten Teils der Erhaltungsaufwendungen i.S. von § 82b EStDV

Hat der Steuerpflichtige größere Erhaltungsaufwendungen nach § 82b EStDV auf mehrere Jahre verteilt und verstirbt er innerhalb des Verteilungszeitraums, ist der noch nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen im Veranlagungsjahr des Versterbens als Werbungskosten im Rahmen seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen (entgegen R 21.1 Abs. 6 Sätze 2 und 3 EStR 2012).

Kurzbesprechung
BFH v. 10.11.2020 - IX R 31/19

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 21 Abs. 1, § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst r DBuchst aa
EStDV § 11d, § 82b
EStR 2012 R 21.1 Abs. 6 S. 2 u. 3


Streitig war, ob noch nicht berücksichtigte Erhaltungsaufwendungen i.S. des § 82b EStDV im Todesjahr 2016 (Streitjahr) in einer Summe beim Erblasser abziehbar sind oder die Verteilung nach § 82b EStDV beim Erben fortgeführt wird.

Nach § 82b Abs. 1 Satz 1 EStDV kann der Steuerpflichtige größere Aufwendungen für die Erhaltung von Gebäuden, die im Zeitpunkt der Leistung des Erhaltungsaufwands nicht zu einem Betriebsvermögen gehören und überwiegend Wohnzwecken dienen, abweichend von § 11 Abs. 2 EStG auf zwei bis fünf Jahre gleichmäßig verteilen. Wird das Gebäude während des Verteilungszeitraums veräußert, ist der noch nicht berücksichtigte Teil des Erhaltungsaufwands im Jahr der Veräußerung als Werbungskosten abzusetzen (§ 82b Abs.2 Satz 1 EStDV). Das Gleiche gilt, wenn ein Gebäude in ein Betriebsvermögen eingebracht oder nicht mehr zur Einkunftserzielung genutzt wird (§ 82b Abs. 2 Satz 2 EStDV).

§ 82b Abs. 1 EStDV hat zum Zweck, dem Steuerpflichtigen eine bessere Ausnutzung seiner Tarifprogression zu ermöglichen, indem er seine Erhaltungsaufwendungen interperiodisch besser verteilen kann. Der Zweck dieser Regelung geht jedoch ins Leere, wenn infolge des Versterbens des Steuerpflichtigen eine weitere Ausnutzung seiner Tarifprogression nicht möglich ist. Mit dem Tod des Steuerpflichtigen endet die auf ihn als natürliche Person und Steuersubjekt bezogene Einkünfteerzielung. Eine weitere Berücksichtigung der nach § 82b Abs. 1 EStDV verteilten und noch nicht berücksichtigten Aufwendungen ist bei ihm nicht mehr möglich.

In der als Personensteuer ausgestalteten Einkommensteuer ist nur der Steuerpflichtige, der die Aufwendungen getragen hat, nach § 2 Abs. 1 EStG Zurechnungssubjekt der von ihm erzielten Einkünfte. Der bislang nicht berücksichtigte Teil der Aufwendungen kann daher nur im Veranlagungszeitraum des Versterbens berücksichtigt werden. Ansonsten kann die beim Steuerpflichtigen mit dem Abfluss der Aufwendungen erfolgte Minderung seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit nicht im Rahmen der ihn betreffenden Steuerveranlagungen abgebildet werden. Verstirbt der Steuerpflichtige innerhalb des Verteilungszeitraums nach § 82b EStDV, ist daher der noch nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen im Veranlagungszeitraum seines Versterbens als Werbungskosten abzusetzen.

Die steuerliche Situation ist im Todesfall vergleichbar mit den übrigen ausdrücklich in § 82b Abs. 2 EStDV genannten Fällen. § 82 Abs. 2 EStDV geht davon aus, dass vom Veranlagungszeitraum der Veräußerung, der Einbringung in ein Betriebsvermögen oder des Wegfalls der Nutzung des Gebäudes zur Einkunftserzielung (z.B. wegen Selbstnutzung) an die weitere Berücksichtigung der nach § 82b Abs. 1 EStDV verteilten und noch nicht berücksichtigten Aufwendungen nicht mehr möglich ist. Allen diesen Fällen ist gemeinsam, dass eine Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anschließend in der Person des Steuerpflichtigen nicht mehr möglich ist.

Im Streitfall endete mit dem Tod des Ehemanns der Steuerpflichtigen bei diesem die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und die Erben traten als Gesamtrechtsnachfolger (§ 1922 BGB) anstelle des verstorbenen Ehemanns als Vermieter in die sich aus dem Mietverhältnissen ergebenden Rechte und Pflichten ein. Nach dem Tod des Ehemanns erzielten daher die Erben als Erbengemeinschaft die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Objekts. Die vom verstorbenen Ehemann getragenen Erhaltungsaufwendungen und bei diesem abgeflossenen Aufwendungen haben dessen persönliche Leistungsfähigkeit sofort gemindert und sind daher spätestens im Veranlagungszeitraum des Versterbens als Werbungskosten abziehbar.

Für den vom FA geltend gemachten Übergang des nicht berücksichtigten Teils der vom verstorbenen Ehemann getragenen Erhaltungsaufwendungen auf die Erbengemeinschaft besteht dagegen keine gesetzliche Grundlage. Eine ausdrückliche Regelung für die Überleitung von Erhaltungsaufwendungen i.S. von § 82b Abs. 1 EStDV nach dem Tod des Erblassers auf den Eigentümer existiert nicht. Auch eine analoge Anwendung anderer Vorschriften wie z.B. § 11d EStDV scheidet aus. Die vom FA angenommene Übertragung des Werbungskostenabzugs ergibt sich insbesondere nicht aus der Gesamtrechtsnachfolge hinsichtlich des Vermietungsobjekts. Erblasser und Erbe sind verschiedene Rechtssubjekte, die jeweils für sich zur Einkommensteuer herangezogen, deren Einkünfte getrennt ermittelt und dem jeweiligen Einkommensteuerrechtssubjekt zugerechnet werden Daraus ergibt sich, dass die bei dem verstorbenen Ehemann bis zu seinem Tod nicht verbrauchten Erhaltungsaufwendungen nicht auf die Erben als Gesamtrechtsnachfolger übergehen und von diesen nicht als Werbungskosten von den selbst erzielten Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen sind.

Schließlich ermöglicht auch R 21.1 Abs. 6 Satz 2 EStR 2012 keinen Übergang der Erhaltungsaufwendungen. Danach kann im Fall der unentgeltlichen Übertragung des Gebäudeeigentums der Rechtsnachfolger den beim Rechtsvorgänger noch nicht berücksichtigten Teil der Erhaltungsaufwendungen in dem vom Rechtsvorgänger gewählten restlichen Verteilungszeitraum nach § 82b Abs. 1 Satz 1 EStDV geltend machen.

Der BFH hält überdies die Richtlinienregelung für überholt. Sie hatte ihren Sinn in Veranlagungszeiträumen, in denen nach der Rechtsprechung des BFH die Fortführung eines steuerlichen Verlustvortrags des Erblassers bei den Erben möglich war. Hatte der Erblasser den Abzug der Aufwendungen im Jahr der Verausgabung vorgenommen, ging ein dadurch ggf. entstandener und nicht ausgenutzter vortragsfähiger Verlust nach § 10d EStG auf die Erben über. Das gleiche sollte im Fall der Verteilung von größeren Erhaltungsaufwendungen nach § 82b EStDV gelten. Mit der Änderung der Rechtsprechung zur Vererblichkeit des Verlustabzugs nach § 10d EStG ist jedoch der Rechtsgrund für die Regelung in R 21.1 Abs. 6 Satz 2 EStR 2012 entfallen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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