31.10.2024

AdV betreffend Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags für eine Photovoltaikanlage

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob ein im Jahr 2021 in Abzug gebrachter Investitionsabzugsbetrag für eine im Jahr 2022 tatsächlich erworbene und nach § 3 Nr. 72 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerbefreite Photovoltaikanlage allein wegen des Inkrafttretens dieser Steuerbefreiung gemäß § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG im Jahr 2021 rückgängig zu machen ist.

Kurzbesprechung
BFH-Beschluss v. 15.10.2024 - III B 24/24 (AdV)

FGO § 69
EStG § 3 Nr. 72, § 7g,
GG Art 2 Abs 1, Art 20 Abs 3


Der Gesetzgeber hat mit dem Jahressteuergesetz 2022 Einkünfte aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage, die bis dato zu steuerpflichtigen gewerblichen Einkünften führen konnten, rückwirkend ab 1.1.2022 mit § 3 Nr. 72 Satz 1 Buchst. a) EStG (unter bestimmten Voraussetzungen) steuerfrei gestellt. In der Besteuerungspraxis haben jedoch Steuerpflichtige im Hinblick auf eine zu errichtende Photovoltaikanlage bereits in 2021 einen gewinnmindernden Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG gebildet. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist dieser aufgrund der Gesetzesänderung nach § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG durch Änderung des Einkommensteuerbescheides 2021 wieder rückgängig zu machen (BMF-Schreiben v. 17.07.2023, IV C 6 - S 2121/23/10001:001 Rn. 19).

Im Streitfall hatte die Vorinstanz im AdV-Verfahren entschieden, dass eine Rückgängigmachung im Jahr des Abzugs zulässig ist, wenn eine Hinzurechnung nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG mangels zu erstellender Gewinnermittlung (aufgrund der Freistellung nach § 3 Nr. 72 EStG) ausgeschlossen ist. Hiergegen hatte der Steuerpflichtige Beschwerde eingelegt. Der BFH folgte dem Aussetzungsbegehren aufgrund ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheides.

Die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 72 EStG wurde zusammen mit dem Nullsteuersatz gemäß § 12 Abs. 3 UStG durch das Jahressteuergesetz 2022 vom 16.12.2022 (BGBl I 2022, 2294) in § 3 EStG angefügt. Nach der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 4 Satz 28 EStG (ursprünglich Satz 27) ist § 3 Nr. 72 EStG für Einnahmen und Entnahmen anzuwenden, die nach dem 31.12.2021 erzielt oder getätigt werden. Aufgrund seiner (unecht) rückwirkenden Inkraftsetzung galt § 3 Nr. 72 EStG schon im Zeitpunkt des Anlagenerwerbs des Antragstellers im November 2022.

Zu einem IAB für eine anzuschaffende Photovoltaikanlage, der bereits im Jahr 2021 in Abzug gebracht wurde, ist dem Gesetz weder in § 7g EStG noch in § 3 Nr. 72 EStG eine ausdrückliche Aussage zu entnehmen. Die Auslegung des Gesetzes ist zweifelhaft und durch die Rechtsprechung des BFH noch nicht geklärt.

Die Regelung des § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG, wonach bei nach Satz 1 insgesamt steuerfreien Einnahmen aus einer Photovoltaikanlage kein Gewinn zu ermitteln ist, schließt die gewinnerhöhende Hinzurechnung des IAB im Anschaffungsjahr nicht notwendigerweise aus. Denn es erscheint durchaus denkbar, § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG dahin auszulegen, dass auch bei der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 72 Satz 1 EStG unterfallenden Photovoltaikanlagen eine steuerpflichtige Hinzurechnung im Jahr der Anschaffung als abschließender Gegenakt zum IAB-Abzug vorgenommen werden kann. Wenn § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG in diesem Sinne auszulegen wäre, entfiele zugleich die Rechtfertigung dafür, die tatbestandlichen Voraussetzungen der speziellen Korrekturvorschrift des § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG schon aufgrund der ab dem Jahr 2022 zu versagenden Möglichkeit der IAB-Hinzurechnung als erfüllt anzusehen.

Der Meinungsstand im Schrifttum ist uneinheitlich und bestätigt die derzeit noch bestehende Unsicherheit der Gesetzesauslegung. Die Frage, wie mit einem IAB zu verfahren ist, der vor dem 01.01.2022 in Anspruch genommen und noch nicht wieder gewinnerhöhend hinzugerechnet wurde, wird für den Fall, dass nach dem 31.12.2021 in eine nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigte Photovoltaikanlage investiert wird, als "äußerst umstritten" beschrieben.

Vor diesem im Wesentlichen ungeklärten rechtlichen Hintergrund folgte der BFH dem Aussetzungsbegehren ohne Sicherheitsleistung. Auf verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der Rückgängigmachung des IAB im Abzugsjahr und auf die Frage, ob insofern ein qualifiziertes Aussetzungsinteresse zu fordern ist, kam es daher im Streitfall nicht mehr an.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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