04.05.2022

Aktenauskunft: DSGVO findet auch auf direkte Steuern Anwendung

Die DSGVO ist im Bereich der Steuerverwaltung auch bei der Verwaltung der direkten Steuern anwendbar. Dem Steuerpflichtigen steht ein Anspruch auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO zu. Die konkrete Ausgestaltung liegt im Ermessen der Finanzbehörde.

Niedersächsisches FG v. 18.3.2021, 7 K 11127/18
Der Sachverhalt:
Die Einkommensteuererklärung 2015 war von einer Steuerberatungsfirma (früherer Steuerberater) für die Kläger eingereicht worden. Der Bescheid wurde an den früheren Steuerberater bekanntgegeben und ist bestandskräftig. Am 10.4.2018 beantragten die Kläger beim Finanzamt Akteneinsicht in ihre Einkommensteuerakte. Die Behörde lehnte den Antrag allerdings ab.

Das Finanzamt war der Ansicht, die AO enthalte, anders als andere Verfahrensordnungen wie etwa § 29 VwVfG und § 147 StPO, für die das Verwaltungsverfahren einen Anspruch auf Gewährung von Einsicht in die Verfahrens- und Ermittlungsakten vorsehe, keine derartige Regelung im steuerlichen Verwaltungsverfahren. Ein solches Einsichtsrecht sei weder aus § 91 Abs. 1 AO und dem hierzu ergangenen AO-Anwendungserlass (AEAO) der Verwaltung Nr. 4 noch aus § 364 AO und dem dazu ergangenen AEAO abzuleiten. Der Steuerpflichtige habe jedoch ein Recht darauf, dass die Finanzbehörde über seinen Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht während eines Verwaltungsverfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen entscheide. Aufgrund der bereits eingetretenen Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides 2015 sei hier jedoch eine Ermessensreduzierung gen Null gegeben.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Die Kläger haben einen Anspruch auf Auskunft aus Art 15 DSGVO.

Die Einkommensteuer ist eine direkte Steuer. Die DSGVO ist zur Überzeugung des Senats im Bereich der Steuerverwaltung auch bei der Verwaltung der direkten Steuern anwendbar. Sie gilt als EU-Verordnung gem. Art. 288 AEUV unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat der Union, ohne dass es einer weiteren Umsetzung durch nationales Recht bedarf. Nach Art. 1 Abs. 2 DSGVO schützt die Verordnung die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten.

Der sachliche Anwendungsbereich ist gem. Art. 2 Abs. 2 DSGVO u.a. mit Blick auf die Kompetenzen der Mitgliedstaaten eingeschränkt. Danach findet die Verordnung gem. Art. 2 Abs. 2 a DSGVO keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Tätigkeit, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt oder gemäß Art. 2 Absatz 2 d DSGVO auf die Datenverarbeitung durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit. Welche Tätigkeiten aus dem Geltungsbereich der Verordnung ausgenommen sein sollen, weil sie nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen (Art. 2 Abs. 2 a DSGVO), führt der Verordnungsgeber nicht explizit aus. In den Erwägungsgründen nennt er beispielhaft die nationale Sicherheit und Datenverarbeitung im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.

Der Bundesgesetzgeber hat die Geltung der DSGVO durch Verweisung in § 2a AO angeordnet. Er hat zum Ausdruck gebracht, dass der bereichsspezifische Datenschutz im Bereich des gesamten Steuerrechts durch die AO und die dieser vorgehende DSGVO geregelt sein soll, allerdings im Bereich der Einzelsteuergesetze gegebenenfalls für deren Bereich modifiziert. Nach dem eindeutigen Wortlaut hat der Gesetzgeber keine Einschränkung dahingehend beabsichtigt, dass die Regelungen der AO bzw. der DSGVO lediglich im Bereich der harmonisierten Steuern und nicht auch im Bereich der direkten Steuern gelten sollten. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BVerwG.

Die Erfüllung des Anspruchs ("Ob" der Auskunftserteilung) steht nicht im Ermessen der Finanzbehörde (Drüen in Tipke/Kruse, § 32c AO, Rn. 12a). Vorschriften zur Form enthält die DSGVO insbesondere in Art. 15 Absatz 3 und Art. 12 Abs. 1 DSGVO. Aus diesen ergibt sich nicht, dass ausschließlich ein Akteneinsichtsrecht zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs in Betracht kommt. Andererseits dürfen dem Steuerpflichtigen bei der Wahrnehmung seiner Rechte auch keine Steine in den Weg gelegt werden, und das Verfahren der Auskunftsgewähr sollte einfach, effektiv und nutzbringend ausgestaltend werden. Immerhin verpflichtet Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DSGVO zur Auskunft "in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form". Das sog. Erleichterungsgebot des Art. 12 Abs. 2 Satz 1 DSGVO fordert zudem die Erleichterung der Wahrnehmung der Rechte durch den Verantwortlichen, so dass sich je nach den Umständen des Einzelfalls - stets unter Wahrung des Steuergeheimnisses - ein Akteneinsichtsrecht als die zweckmäßigste Form der Auskunftserteilung erweisen kann.

Nach § 32d AO bestimmt jedoch die Finanzbehörde das Verfahren, insbesondere die Form der Information oder der Auskunftserteilung, nach pflichtgemäßem Ermessen.

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