13.01.2016

Aktientausch: Zur Berücksichtigung eines gefallenen Börsenkurses beim Gewinn aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen

Soweit die tatsächlich erhaltene Gegenleistung nicht in Geld, sondern in Sachgütern besteht, ist der Veräußerungspreis mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Für die Bewertung kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erfüllung der Gegenleistungspflicht an, wenn diese von den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns abweichen. Eine Veränderung der wertbestimmenden Umstände wirkt materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns zurück.

BFH 13.10.2015, IX R 43/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger war mit 61 250 Stückaktien (zu 34,02 %) an der N-AG beteiligt. Am 28.2.2002 veräußerte und übertrug er seine Beteiligung in zwei Vorgängen. Aus der Übertragung von 13.258 Aktien auf eine KG erzielte der Kläger einen Gewinn, der vorliegend nicht im Streit ist.

Die übrigen 47.992 Stückaktien erwarb die U-AG. Als Gegenleistung erhielt der Kläger 174.194 neue Aktien der U-AG zum vereinbarten Ausgabekurs von 24 € pro Aktie. Die dafür notwendige Kapitalerhöhung bei der U-AG wurde am 13.12.2002 in das Handelsregister eingetragen. An diesem Tag wurden 174.194 neue Aktien der U-AG dem Depot des Klägers gutgeschrieben. Der Börsenkurs der U-Aktie betrug am 28.2.2002 18,69 € und am 13.12.2002 2,20 €.

Der Kläger ermittelte den Veräußerungsgewinn unter Berücksichtigung des Börsenkurses am 13.12.2002 (2,20 €/Aktie). Das Finanzamt veranlagte den Kläger und die Klägerin, seine mit ihm im Streitjahr zusammenveranlagte Ehefrau, zunächst erklärungsgemäß. Aufgrund einer Kontrollmitteilung von Juli 2007 bewertete das Finanzamt den Veräußerungspreis nun mit dem Börsenkurs vom 28.2.2002 (18,69 €/Aktie) und änderte den Einkommensteuerbescheid entsprechend.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Kläger hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Das FG hat den Veräußerungsgewinn nicht richtig ermittelt.

Die Übertragung von N-Aktien auf die U-AG gegen Übertragung von (neuen) Aktien der U-AG (Aktientausch) stellt eine Veräußerung i.S.v. § 17 EStG dar. Der Gewinn ist aus der Veräußerung am 28.2.2002 entstanden. Besteht die tatsächlich erhaltene Gegenleistung nicht in Geld, sondern in Sachgütern, ist der Veräußerungspreis insoweit mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Grundsätzlich kommt es dafür auf die Umstände im Zeitpunkt der Veräußerung an. Für die Bewertung der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung (Veräußerungspreis) kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erfüllung an, wenn diese von den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns abweichen. Die Veränderung der wertbestimmenden Umstände wirkt materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurück.

Der Große Senat des BFH hat zu § 16 Abs. 2 EStG entschieden, dass es nur auf den tatsächlich erzielten Veräußerungsgewinn ankommt. Dies erfordert es, später eintretende Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis solange und soweit materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt hat. Der VIII. Senat des BFH hat für den Fall, dass die Gegenleistung in börsennotierten Aktien besteht, auf den Börsenkurs im Zeitpunkt der Abtretung der Aktien abgestellt (BFH 19.9.2012, VIII B 90/12). Das ergebe sich aus der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.

Es kommt nicht darauf an, dass der Erwerber im Streitfall die geschuldete Gegenleistung am 13.12.2002 erbracht und damit seine Verpflichtung aus der Aktionärsvereinbarung vollständig erfüllt hat. Zwar trifft es zu, dass es insofern nicht zu einer vertraglichen Leistungsstörung gekommen ist, denn die Vertragsparteien hatten insoweit auf eine Anpassung der Gegenleistung verzichtet und dem Kläger einseitig das Kursrisiko zugewiesen. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Kläger aus dem Vertrag letztlich weniger erhalten hat, als er bei Abschluss des Vertrags annehmen durfte. Aus seiner Sicht unterscheidet sich das Ergebnis deshalb nicht wesentlich von dem, dass ein Teil der Kaufpreisforderung endgültig ausfällt oder eine vereinbarte Teilleistung dauerhaft nicht erbracht wird. Lediglich der Grund für die Einbuße ist ein anderer. Darauf sollte es aber nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH gerade nicht ankommen.

Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil war deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Das FG hat mit bindender Wirkung (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, dass die jungen U-Aktien am Tag der Einbuchung in das Depot des Klägers mit 2,20 € je Aktie zu bewerten waren. Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit; der Senat sieht auch keine Veranlassung, diese Feststellung, die für die Entscheidung des FG nicht tragend war, in Zweifel zu ziehen. Demzufolge ist Klage begründet.

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