20.06.2024

Anforderungen an das sog. Schonvermögen der unterhaltenen Person beim Abzug von Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastungen

1. Die Wertgrenze in Höhe von 15.500 € (R 33a.1 Abs. 2 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien) für "ein geringes Vermögen" im Sinne des § 33a Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 des Einkommensteuergesetzes (sogenanntes Schonvermögen) ist für das Streitjahr 2019 nicht zu beanstanden.
2. Angesparte und noch nicht verbrauchte Unterhaltsleistungen werden grundsätzlich erst nach Ablauf des Kalenderjahres ihres Zuflusses zu (abzugsschädlichem) Vermögen.

Kurzbesprechung
BFH v. 29.2.2024 - VI R 21/21

EStG § 10 Abs 1 Nr. 3, § 11 Abs 1 S 2, § 32a Abs 1 S 2 Nr. 1, § 33a Abs 1 S 1, § 33a Abs 1 S 2, § 33a Abs 1 S 4 Halbs 1, § 33a Abs 3 S 1
BGB § 1589 S 1, § 1601, § 1612


Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, wird nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG (Streitjahr 2019) dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 9.168 € im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Dieser Höchstbetrag erhöht sich nach § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG um den Betrag der im jeweiligen Veranlagungszeitraum nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG für die Absicherung der unterhaltsberechtigten Person aufgewandten Beiträge; dies gilt nicht für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die bereits nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG anzusetzen sind.

Die von § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG vorausgesetzte gesetzliche Unterhaltsberechtigung der unterstützten Person richtet sich nach dem Zivilrecht. Gesetzlich unterhaltsberechtigt sind diejenigen Personen, denen gegenüber der Steuerpflichtige nach dem BGB unterhaltsverpflichtet ist.

Unter Vermögen im Sinne des § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG ist dabei das Nettovermögen zu verstehen, das heißt der Wert der aktiven Vermögensgegenstände, vermindert um die Schulden des Unterhaltsempfängers. Der Gesetzgeber geht dabei typisierend davon aus, dass bei eigenem, nicht nur geringfügigem Vermögen eine Unterhaltsbedürftigkeit nicht gegeben ist und die Unterhaltsaufwendungen damit nicht zwangsläufig anfallen. Denn der Unterhaltsberechtigte steht grundsätzlich in der Pflicht, eigenes Vermögen im Rahmen des Zumutbaren für seinen Unterhalt einzusetzen und zu verwerten, und zwar ungeachtet der Art der Anlage gegebenenfalls auch durch Substanzverbrauch.

Ob der Unterhaltsempfänger über kein oder nur ein geringes Vermögen im Sinne des § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG verfügt (sogenanntes Schonvermögen), ist unabhängig von der Anlageart nach dem gemeinen Wert des Vermögens beziehungsweise dessen Verkehrswert zu entscheiden; ein Wert von bis zu 15.500 € ist in der Regel gering.

An dieser, von den Finanzbehörden bereits seit 1975 angewandten Wertgrenze (s. R 33a.1 Abs. 2 Satz 3 EStR), an der sich bislang auch die finanzgerichtliche Rechtsprechung orientiert hat, hält der BFH trotz der hieran geäußerten Kritik auch für das Streitjahr 2019 fest.Denn ein Vermögen oberhalb dieser Wertgrenze lässt die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers bei typisierender (steuerlicher) Betrachtung auch im Jahr 2019 entfallen. Dies folgt aus dem Umstand, dass dieser Betrag deutlich über dem für den Veranlagungszeitraum 2019 geltenden Grundfreibetrag in Höhe von 9.168 € (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) liegt und damit zur Sicherung des (Jahres-)Existenzminimums des Unterhaltsberechtigten ausreicht. Auch unterschreitet die dahingehende Quantifizierung jedenfalls nicht das, was das Zivil- und Sozialrecht dem Bedürftigen als "Notgroschen" zugestehen.

Der BFH stellte ferner klar, dass Unterhaltsleistungen nicht in die Berechnung des Vermögens im Sinne des § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG einzubeziehen sind. Denn es handelt sich hierbei um die notwendigen Mittel zur Deckung des Lebensbedarfs. Sie sind zum Verbrauch bestimmt und nicht zur Vermögensbildung vorgesehen. Unterhaltszahlungen lassen die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers nicht entfallen, sie sind ihr vielmehr geschuldet. Dies gilt auch für solche Unterhaltszahlungen, die vom Unterhaltsempfänger bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraums beziehungsweise bis zum unterjährigen Ende der gesetzlichen Unterhaltspflicht angespart und noch nicht verbraucht werden.

Gesetzliche Unterhaltszahlungen, die dazu gedacht sind, eine zivilrechtlich unterhaltsberechtigte Person dazu zu befähigen, die Kosten ihres Lebensunterhalts zu bestreiten, können vor diesem Hintergrund nicht bereits im Zeitpunkt des Zuflusses dem (abzugsschädlichen) Vermögen im Sinne des § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG zugeordnet werden. Angesparte und noch nicht verbrauchte Unterhaltsleistungen werden grundsätzlich erst nach Ablauf des Kalenderjahres ihres Zuflusses zu (abzugsschädlichem) Vermögen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass Unterhaltsleistungen regelmäßig nicht monatsgetreu, sondern im Jahresverlauf schwankend verbraucht werden.
Verlag Dr. Otto Schmidt
Zurück