Anordnung einer Außenprüfung bei Anfangsverdacht einer Steuerstraftat
BFH v. 14.4.2020 - VI R 32/17
Der Sachverhalt:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung sowie deren nachträglicher Erweiterung. Der Kläger ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Im Prüfungszeitraum war er Gesellschafter der Prozessbevollmächtigten - einer Steuerberatungsgesellschaft - und zugleich bei dieser angestellt. Anfang 2002 übernahm er einen landwirtschaftlichen Pferdezuchtbetrieb, aus dem er seither Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erklärte. Die Veranlagungen zur Umsatzsteuer und zur Einkommensteuer führte zunächst das Finanzamt X und ab 2011 - infolge einer Zuständigkeitsänderung - das Finanzamt Y durch. Im Februar 2008 ersuchte das Finanzamt X das beklagte Finanzamt, bei dem Kläger für die Jahre 2004 bis 2006 eine Außenprüfung durchzuführen. In dem Ersuchen bezog sich das Finanzamt X auf einen Vermerk der Steuerfahndung aus dem Jahr 2003. Danach habe eine dritte - dem Kläger nicht bekannte - Person darauf hingewiesen, dass der Kläger Kosten der privaten Lebensführung und Betriebsausgaben des Zuchtbetriebs in der Gewinnermittlung der Steuerberatungsgesellschaft erfasst habe.
Im November 2009 ordnete das Finanzamt auf Grundlage des § 193 Abs. 1 AO eine steuerliche Außenprüfung beim Kläger an. Geprüft werden sollten die Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2003 bis 2006 sowie die Einkünfte aus Land- und Fortwirtschaft für die Wirtschaftsjahre vom 2003 bis 2007. Die Außenprüfung begann im Dezember 2009. Der Kläger legte gegen die Prüfungsanordnung Einspruch ein. Die Außenprüfung wurde dessen ungeachtet fortgesetzt. Im März 2012 nahm die Steuerfahndung Vorermittlungen gegen den Kläger im Zusammenhang mit dessen Pferdezuchtbetrieb auf. Dabei wurden u.a. Buchführungs- und Belegordner ausgewertet, die in einem gegen den Kläger bei der Staatsanwaltschaft C anhängigen Strafverfahren sichergestellt worden waren. In diesem Verfahren wurde dem Kläger zur Last gelegt, als faktischer Geschäftsführer einer GmbH Umsatzsteuer hinterzogen zu haben. Über das Ergebnis der Vorermittlungen fertigte die Steuerfahndung im Juli 2012 einen Vermerk.
Erst im November 2013 gab die Steuerfahndung dem Kläger die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens im Zusammenhang mit seinem Pferdezuchtbetrieb bekannt und durchsuchte seine Wohnung sowie das Gestüt. Zeitgleich gab das Finanzamt dem Kläger die Erweiterung des Prüfungszeitraums auf die Jahre 2002 sowie 2007 bis 2011 wegen Einkommensteuer, Umsatzsteuer und den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft für die Wirtschaftsjahre 2002 bis 2003 und 2007 bis 2012 bekannt. Zur Begründung führte es aus, es bestehe der Verdacht einer Steuerstraftat. Gegen die Erweiterung der Prüfungsanordnung legte der Kläger ebenfalls Einspruch ein. Das Finanzamt wies die Einsprüche gegen die Prüfungsanordnung und die Prüfungserweiterung als unbegründet zurück. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung der Prüfungsanordnung und der Prüfungserweiterung.
Aufgrund der Aktivitäten der Steuerfahndung stellte das Finanzamt seine Prüfungstätigkeit während des laufenden Klageverfahrens ein. Einen Bericht über das Ergebnis der (erweiterten) Außenprüfung gem. § 202 Abs. 1 Satz 1 AO erstellte es nicht. Die Steuerfahndung vertrat in ihrem Bericht die Auffassung, der Kläger habe den Pferdezuchtbetrieb nicht mit Gewinnerzielungsabsicht, sondern als "verdeckten Liebhabereibetrieb" geführt. Die bei den Einkommensteuerveranlagungen berücksichtigten Verluste aus Land- und Forstwirtschaft seien daher nicht anzuerkennen. Das Finanzamt Y folgte dem Steuerfahndungsbericht und änderte die Einkommensteuerbescheide des Klägers und seiner Ehefrau für die Jahre 2002 bis 2011. Der Kläger hat gegen die Bescheide Einspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist. Bereits zuvor hatte das Finanzamt dem Kläger mitgeteilt, die Außenprüfung sowie deren Erweiterung würden im Hinblick auf den inzwischen ergangenen steuerlichen Bericht der Steuerfahndung von Februar 2016 für beendet erklärt.
Das FG wies die Klage, mit der der Kläger nunmehr im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung und der Prüfungserweiterung begehrte, ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Prüfungsanordnung von November 2009 und die Prüfungserweiterung von Oktober 2013 rechtmäßig sind.
Ob und in welchem Umfang bei einem Steuerpflichtigen nach § 193 AO eine Außenprüfung angeordnet wird, ist eine Ermessensentscheidung, die vom FG nach § 102 FGO nur darauf zu prüfen ist, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten wurden und ob die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen unter Beachtung des Gesetzeszwecks (§ 5 AO) fehlerfrei ausgeübt hat Im Streitfall entsprach die streitbefangene Prüfungsanordnung diesen Vorgaben. Die Außenprüfungen werden von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt (§ 195 Satz 1 AO). Die Zuständigkeit des Finanzamts für den Erlass der angefochtenen Prüfungsanordnung ergibt sich aus § 20 i.V.m. § 23 FA-ZVO. Danach ist abweichend von der Bezirksgliederung des § 2 bei Betrieben aller Größenklassen der Konzerne im Oberfinanzbezirk des Wirtschaftsabschnitts "Land- und Forstwirtschaft" in den Bezirken der Finanzämter X und Y das beklagte Prüfungsfinanzamt für die Anordnung von Außenprüfungen zuständig. In diesem Umfang verdrängt die Prüfungszuständigkeit des Finanzamts die Zuständigkeit der ihm zugewiesenen Finanzämter. Der in A ansässige land- und forstwirtschaftliche Betrieb durfte deshalb weder gem. der Bezirksgliederung vom Finanzamt X (§ 2 FA-ZVO) noch vom Finanzamt Y als Schwerpunktfinanzamt für Steuerfälle mit Einkünften aus Land und Forstwirtschaft (§ 3 Abs. 1 FA-ZVO) geprüft werden.
Die Zuständigkeit des Finanzamts aus § 20 i.V.m. § 23 FA-ZVO ist auch nicht auf die Prüfung seiner Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft beschränkt. Dies wäre nur der Fall, wenn die Einkünfte des Klägers gem. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b AO gesondert festzustellen wären, weil das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 AO) nicht auch für die Steuern vom Einkommen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 AO) zuständig ist. Eine gesonderte Feststellung von Einkünften stand vorliegend jedoch nicht in Rede. Denn der Kläger hatte während des Prüfungszeitraums sowohl seinen Wohnsitz als auch den Sitz seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs in A. Das Finanzamt hat auch die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beim Erlass der Prüfungsanordnung nicht überschritten. Eine Außenprüfung ist nach § 193 Abs. 1 AO u.a. zulässig bei Steuerpflichtigen, die einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten. Weitere Anforderungen enthält die Norm nicht; es handelt sich um eine tatbestandlich voraussetzungslose Prüfungsermächtigung. Im Rahmen des § 193 Abs. 1 AO sind daher Außenprüfungen in den Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Willkürverbots grundsätzlich unbeschränkt zulässig.
Für die Anordnung einer Außenprüfung ist unerheblich, ob hinsichtlich der betroffenen Steuerarten und Besteuerungszeiträume der Anfangsverdacht einer Steuerstraftat besteht. Dies gilt auch, soweit die erstmalige Anordnung einer Außenprüfung in Rede steht. Insoweit ist nicht zwischen erstmaligen Prüfungen und Anschlussprüfungen zu unterscheiden. Denn die Anordnung einer Außenprüfung ist auch zulässig, soweit ausschließlich festgestellt werden soll, ob und inwieweit Steuerbeträge hinterzogen oder leichtfertig verkürzt worden sind. Eine sich insoweit gegenseitig ausschließende Zuständigkeit von Außenprüfung und Steuerfahndung besteht nicht. Es ist möglich und zulässig, dass Ermittlungsmaßnahmen des Außenprüfers eine Doppelfunktion haben: die Ermittlung des steuerlichen und die des strafrechtlichen Sachverhalts. Deshalb war das Finanzamt, selbst für den Fall, dass bei Erlass der Prüfungsanordnung gegen den Kläger ein Anfangsverdacht einer Steuerstraftat vorgelegen haben sollte, zur Anordnung der Außenprüfung befugt. Zwar sind gem. § 393 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO im Besteuerungsverfahren Zwangsmittel (§ 328 AO) gegen den Steuerpflichtigen unzulässig, wenn der Steuerpflichtige dadurch gezwungen wäre, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten. Ist gegen den Steuerpflichtigen ein Strafverfahren eingeleitet worden, ist er gem. § 393 Abs. 1 Satz 4 AO darüber zu belehren, soweit dazu Anlass besteht. Entsprechendes regelt § 10 BpO.
Verstöße hiergegen - insbesondere gegen die Belehrungspflichten und damit gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit - führen jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit einer Prüfungsanordnung. Denn die vorgenannten Regelungen betreffen nicht die Voraussetzungen, unter denen eine Außenprüfung angeordnet werden kann, und damit das "ob", sondern bestimmen, nach welchen rechtstaatlichen Grundsätzen und damit "wie" eine zuvor angeordnete Prüfung durchzuführen ist. Zudem richten sich die Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren und im Strafverfahren nach den für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften. Besteuerungsverfahren und Steuerstrafverfahren stehen grundsätzlich unabhängig und gleichrangig nebeneinander. Im Streitfall entsprach auch die Erweiterung der Prüfungsanordnung auf die bereits mit Ablauf des Jahres 2007 regelverjährte Einkommen- und Umsatzsteuer für 2002 sowie die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Wirtschaftsjahr 1.7.2002 bis 30.6.2003 den verfahrensrechtlichen Regularien, denn das Finanzamt konnte sich ohne Weiteres darauf stützen, "dass nunmehr auch der konkrete Tatverdacht der Steuerhinterziehung begründet war".
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Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung sowie deren nachträglicher Erweiterung. Der Kläger ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Im Prüfungszeitraum war er Gesellschafter der Prozessbevollmächtigten - einer Steuerberatungsgesellschaft - und zugleich bei dieser angestellt. Anfang 2002 übernahm er einen landwirtschaftlichen Pferdezuchtbetrieb, aus dem er seither Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erklärte. Die Veranlagungen zur Umsatzsteuer und zur Einkommensteuer führte zunächst das Finanzamt X und ab 2011 - infolge einer Zuständigkeitsänderung - das Finanzamt Y durch. Im Februar 2008 ersuchte das Finanzamt X das beklagte Finanzamt, bei dem Kläger für die Jahre 2004 bis 2006 eine Außenprüfung durchzuführen. In dem Ersuchen bezog sich das Finanzamt X auf einen Vermerk der Steuerfahndung aus dem Jahr 2003. Danach habe eine dritte - dem Kläger nicht bekannte - Person darauf hingewiesen, dass der Kläger Kosten der privaten Lebensführung und Betriebsausgaben des Zuchtbetriebs in der Gewinnermittlung der Steuerberatungsgesellschaft erfasst habe.
Im November 2009 ordnete das Finanzamt auf Grundlage des § 193 Abs. 1 AO eine steuerliche Außenprüfung beim Kläger an. Geprüft werden sollten die Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2003 bis 2006 sowie die Einkünfte aus Land- und Fortwirtschaft für die Wirtschaftsjahre vom 2003 bis 2007. Die Außenprüfung begann im Dezember 2009. Der Kläger legte gegen die Prüfungsanordnung Einspruch ein. Die Außenprüfung wurde dessen ungeachtet fortgesetzt. Im März 2012 nahm die Steuerfahndung Vorermittlungen gegen den Kläger im Zusammenhang mit dessen Pferdezuchtbetrieb auf. Dabei wurden u.a. Buchführungs- und Belegordner ausgewertet, die in einem gegen den Kläger bei der Staatsanwaltschaft C anhängigen Strafverfahren sichergestellt worden waren. In diesem Verfahren wurde dem Kläger zur Last gelegt, als faktischer Geschäftsführer einer GmbH Umsatzsteuer hinterzogen zu haben. Über das Ergebnis der Vorermittlungen fertigte die Steuerfahndung im Juli 2012 einen Vermerk.
Erst im November 2013 gab die Steuerfahndung dem Kläger die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens im Zusammenhang mit seinem Pferdezuchtbetrieb bekannt und durchsuchte seine Wohnung sowie das Gestüt. Zeitgleich gab das Finanzamt dem Kläger die Erweiterung des Prüfungszeitraums auf die Jahre 2002 sowie 2007 bis 2011 wegen Einkommensteuer, Umsatzsteuer und den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft für die Wirtschaftsjahre 2002 bis 2003 und 2007 bis 2012 bekannt. Zur Begründung führte es aus, es bestehe der Verdacht einer Steuerstraftat. Gegen die Erweiterung der Prüfungsanordnung legte der Kläger ebenfalls Einspruch ein. Das Finanzamt wies die Einsprüche gegen die Prüfungsanordnung und die Prüfungserweiterung als unbegründet zurück. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung der Prüfungsanordnung und der Prüfungserweiterung.
Aufgrund der Aktivitäten der Steuerfahndung stellte das Finanzamt seine Prüfungstätigkeit während des laufenden Klageverfahrens ein. Einen Bericht über das Ergebnis der (erweiterten) Außenprüfung gem. § 202 Abs. 1 Satz 1 AO erstellte es nicht. Die Steuerfahndung vertrat in ihrem Bericht die Auffassung, der Kläger habe den Pferdezuchtbetrieb nicht mit Gewinnerzielungsabsicht, sondern als "verdeckten Liebhabereibetrieb" geführt. Die bei den Einkommensteuerveranlagungen berücksichtigten Verluste aus Land- und Forstwirtschaft seien daher nicht anzuerkennen. Das Finanzamt Y folgte dem Steuerfahndungsbericht und änderte die Einkommensteuerbescheide des Klägers und seiner Ehefrau für die Jahre 2002 bis 2011. Der Kläger hat gegen die Bescheide Einspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist. Bereits zuvor hatte das Finanzamt dem Kläger mitgeteilt, die Außenprüfung sowie deren Erweiterung würden im Hinblick auf den inzwischen ergangenen steuerlichen Bericht der Steuerfahndung von Februar 2016 für beendet erklärt.
Das FG wies die Klage, mit der der Kläger nunmehr im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung und der Prüfungserweiterung begehrte, ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Prüfungsanordnung von November 2009 und die Prüfungserweiterung von Oktober 2013 rechtmäßig sind.
Ob und in welchem Umfang bei einem Steuerpflichtigen nach § 193 AO eine Außenprüfung angeordnet wird, ist eine Ermessensentscheidung, die vom FG nach § 102 FGO nur darauf zu prüfen ist, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten wurden und ob die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen unter Beachtung des Gesetzeszwecks (§ 5 AO) fehlerfrei ausgeübt hat Im Streitfall entsprach die streitbefangene Prüfungsanordnung diesen Vorgaben. Die Außenprüfungen werden von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt (§ 195 Satz 1 AO). Die Zuständigkeit des Finanzamts für den Erlass der angefochtenen Prüfungsanordnung ergibt sich aus § 20 i.V.m. § 23 FA-ZVO. Danach ist abweichend von der Bezirksgliederung des § 2 bei Betrieben aller Größenklassen der Konzerne im Oberfinanzbezirk des Wirtschaftsabschnitts "Land- und Forstwirtschaft" in den Bezirken der Finanzämter X und Y das beklagte Prüfungsfinanzamt für die Anordnung von Außenprüfungen zuständig. In diesem Umfang verdrängt die Prüfungszuständigkeit des Finanzamts die Zuständigkeit der ihm zugewiesenen Finanzämter. Der in A ansässige land- und forstwirtschaftliche Betrieb durfte deshalb weder gem. der Bezirksgliederung vom Finanzamt X (§ 2 FA-ZVO) noch vom Finanzamt Y als Schwerpunktfinanzamt für Steuerfälle mit Einkünften aus Land und Forstwirtschaft (§ 3 Abs. 1 FA-ZVO) geprüft werden.
Die Zuständigkeit des Finanzamts aus § 20 i.V.m. § 23 FA-ZVO ist auch nicht auf die Prüfung seiner Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft beschränkt. Dies wäre nur der Fall, wenn die Einkünfte des Klägers gem. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b AO gesondert festzustellen wären, weil das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 AO) nicht auch für die Steuern vom Einkommen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 AO) zuständig ist. Eine gesonderte Feststellung von Einkünften stand vorliegend jedoch nicht in Rede. Denn der Kläger hatte während des Prüfungszeitraums sowohl seinen Wohnsitz als auch den Sitz seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs in A. Das Finanzamt hat auch die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beim Erlass der Prüfungsanordnung nicht überschritten. Eine Außenprüfung ist nach § 193 Abs. 1 AO u.a. zulässig bei Steuerpflichtigen, die einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten. Weitere Anforderungen enthält die Norm nicht; es handelt sich um eine tatbestandlich voraussetzungslose Prüfungsermächtigung. Im Rahmen des § 193 Abs. 1 AO sind daher Außenprüfungen in den Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Willkürverbots grundsätzlich unbeschränkt zulässig.
Für die Anordnung einer Außenprüfung ist unerheblich, ob hinsichtlich der betroffenen Steuerarten und Besteuerungszeiträume der Anfangsverdacht einer Steuerstraftat besteht. Dies gilt auch, soweit die erstmalige Anordnung einer Außenprüfung in Rede steht. Insoweit ist nicht zwischen erstmaligen Prüfungen und Anschlussprüfungen zu unterscheiden. Denn die Anordnung einer Außenprüfung ist auch zulässig, soweit ausschließlich festgestellt werden soll, ob und inwieweit Steuerbeträge hinterzogen oder leichtfertig verkürzt worden sind. Eine sich insoweit gegenseitig ausschließende Zuständigkeit von Außenprüfung und Steuerfahndung besteht nicht. Es ist möglich und zulässig, dass Ermittlungsmaßnahmen des Außenprüfers eine Doppelfunktion haben: die Ermittlung des steuerlichen und die des strafrechtlichen Sachverhalts. Deshalb war das Finanzamt, selbst für den Fall, dass bei Erlass der Prüfungsanordnung gegen den Kläger ein Anfangsverdacht einer Steuerstraftat vorgelegen haben sollte, zur Anordnung der Außenprüfung befugt. Zwar sind gem. § 393 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO im Besteuerungsverfahren Zwangsmittel (§ 328 AO) gegen den Steuerpflichtigen unzulässig, wenn der Steuerpflichtige dadurch gezwungen wäre, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten. Ist gegen den Steuerpflichtigen ein Strafverfahren eingeleitet worden, ist er gem. § 393 Abs. 1 Satz 4 AO darüber zu belehren, soweit dazu Anlass besteht. Entsprechendes regelt § 10 BpO.
Verstöße hiergegen - insbesondere gegen die Belehrungspflichten und damit gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit - führen jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit einer Prüfungsanordnung. Denn die vorgenannten Regelungen betreffen nicht die Voraussetzungen, unter denen eine Außenprüfung angeordnet werden kann, und damit das "ob", sondern bestimmen, nach welchen rechtstaatlichen Grundsätzen und damit "wie" eine zuvor angeordnete Prüfung durchzuführen ist. Zudem richten sich die Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren und im Strafverfahren nach den für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften. Besteuerungsverfahren und Steuerstrafverfahren stehen grundsätzlich unabhängig und gleichrangig nebeneinander. Im Streitfall entsprach auch die Erweiterung der Prüfungsanordnung auf die bereits mit Ablauf des Jahres 2007 regelverjährte Einkommen- und Umsatzsteuer für 2002 sowie die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Wirtschaftsjahr 1.7.2002 bis 30.6.2003 den verfahrensrechtlichen Regularien, denn das Finanzamt konnte sich ohne Weiteres darauf stützen, "dass nunmehr auch der konkrete Tatverdacht der Steuerhinterziehung begründet war".