27.03.2025

Anscheinsbeweis für Privatnutzung eines Pickup und Anwendung der Ein-Prozent-Regelung

Stellt das Finanzgericht (FG) nur Tatsachen fest, aus denen weder bei einer Einzelbetrachtung noch in ihrer Zusammenschau die Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs abgeleitet werden kann, fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Annahme, mit einem zum Betriebsvermögen gehörenden, typischerweise zum privaten Gebrauch geeigneten Kraftfahrzeug seien möglicherweise keine Privatfahrten unternommen worden. Geht das FG unter diesen Umständen von der Erschütterung des Anscheinsbeweises für die Privatnutzung aus, liegt ein Fehler der Rechtsanwendung vor, der dazu führt, dass der Bundesfinanzhof an die Würdigung des FG nicht gebunden ist.

Kurzbesprechung
BFH v. 16.1.2025 - III R 34/22

EStG § 6 Abs 1 Nr 4 S 2 Halbs 1, EStG § 6 Abs 1 Nr 4 S 3 Halbs 1
FGO § 96 Abs 1 S 1, FGO § 118 Abs 2


Streitig war die Anwendung der sog. 1% - Methode zur Ermittlung des Privatanteils (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) bei einem zum Betriebsvermögen gehörenden Pickup. Während das FG im Klageverfahren dem Steuerpflichtigen folgte, die das Vorliegen einer Privatnutzung bestritt, folgte der BFH dem FA, dass einen Privatanteil nach der 1% - Regelung ermittelt hatte.

Die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Halbsatz 1 EStG beruht auf der Erfahrung, dass Kfz, die ihrer Art nach typischerweise zum privaten Gebrauch geeignet sind und die für Privatfahrten zur Verfügung stehen, regelmäßig auch privat genutzt werden (sogenannter Beweis des ersten Anscheins). Der Anscheinsbeweis kann doch durch den sogenannten Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden.

Hierzu reicht die bloße Behauptung des Steuerpflichtigen, mit dem betrieblichen Kfz sei niemand privat gefahren nicht, um den Beweis des ersten Anscheins einer Privatnutzung eines betrieblich genutzten Kfz zu erschüttern. Trägt der Steuerpflichtige dagegen substantiiert Tatsachen vor, aus denen entweder bei einer Einzelbetrachtung oder in ihrer Zusammenschau die Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs abgeleitet werden kann, beweist er sie gegebenenfalls und gelingt es ihm damit, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, muss das FA eine private Nutzung des betrieblich genutzten Kfz nachweisen. Kann es das nicht, ist die Ein-Prozent-Regelung nicht anwendbar.

Über die Frage, ob der Steuerpflichtige den für eine Privatnutzung sprechenden Beweis des ersten Anscheins entkräftet oder erschüttert hat, entscheidet das FG unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung.

Im Streitfall kam der BFH zu dem Ergebnis, dass die Feststellungen des FG nicht ausreichten, um von einer Entkräftung des Anscheinsbeweises ausgehen zu können.
  • Objektive Umstände, wonach eine Privatnutzung des Pickup im Streitfall in den Monaten März bis Dezember 2015 und im Jahr 2016 (zum Beispiel wegen fehlender Zulassung des Kfz oder fehlender Fahrerlaubnis des Steuerpflichtigen oder der dauerhaften Überlassung an einen Mitarbeiter) nicht in Betracht kam, hatte das FG nicht festgestellt.
     
  • Der Vortrag des Steuerpflichtigen, das Fahrzeug sei seiner Familie für eine Privatnutzung zu groß gewesen, ist nicht geeignet, den für die private Nutzung des Kfz sprechenden Anscheinsbeweis zu entkräften.
     
  • Die Werbefolien des Betriebs auf der Karosserie des Pickup scheiden als Grund für die Erschütterung des Anscheinsbeweises der Privatnutzung des Kfz aus.
     
  • Eine betriebsbedingte Verschmutzung des Pickup wurde vom FG nicht festgestellt und wäre auch kein Umstand, der den Anscheinsbeweis einer Privatnutzung eines betrieblichen Kfz erschüttert, sofern nicht besondere Umstände hinzutreten.
     
  • Der Anscheinsbeweis für eine auch private Nutzung des Pickup wird weder dadurch in Frage gestellt, dass nach dem klägerischen Vortrag für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsplatz ein Kfz nicht erforderlich war, noch dadurch, dass der Pickup betrieblich genutzt wurde und der Steuerpflichtige nach seinem Vortrag während dieser Zeit und während seiner eigenen nichtselbständigen Tätigkeit keine Gelegenheit zu Privatfahrten hatte oder dadurch, dass der Steuerpflichtige in bestimmten Fällen auf alternative Transportmittel zurückgegriffen haben will.
     
  • Auch der Verweis auf das Vorhandensein eines BMW und auf die den Kindern überlassenen Wagen war nicht geeignet, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, dass der Pickup auch privat genutzt wurde.
Verlag Dr. Otto Schmidt