04.07.2024

Anspruch auf Akteneinsicht nach bestandskräftiger Veranlagung; Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO

1. Der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen Antrag auf Einsicht in eine Steuerakte außerhalb eines finanzgerichtlichen Verfahrens besteht nicht, wenn der Steuerpflichtige für den betroffenen Besteuerungszeitraum bereits bestandskräftig veranlagt wurde und die Einsichtnahme der Verfolgung steuerverfahrensfremder Zwecke dienen soll (hier: Prüfung eines Schadenersatzanspruchs gegen den ehemaligen Steuerberater).
2. Der Anspruch auf Auskunftserteilung über die Verarbeitung von personenbezogenen Daten gemäß Art. 15 Abs. 1 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) wird nicht nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DSGVO i.V.m. § 32c Abs. 1 Nr. 1, § 32b Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) ausgeschlossen, wenn hierdurch auch Daten berührt werden, die dem (ehemaligen) Steuerberater der betroffenen Person zuzuordnen sind, allerdings aus einer Erklärung stammen, die der Steuerberater als deren Vertreter im Sinne von § 80 Abs. 1 Satz 1 AO übermittelt hat.
3. Gesetzliche Aufbewahrungsvorschriften für Steuerakten der Finanzverwaltung bestehen nicht, sodass ein Auskunftsrecht über darin enthaltene personenbezogene Daten nicht nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DSGVO i.V.m. § 32c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a AO ausgeschlossen ist.

Kurzbesprechung
BFH v.7.5.2024 - IX R 21/22

AO § 30 Abs 2 Nr. 1, § 32b Abs 1 Nr. 2, 32c Abs 1 Nr. 1, § 32c Abs 1 Nr. 2, § 32c Abs 1 Nr. 3 Buchst a, § 80 Abs 1 S 1, § 91 Abs 1
EUV 2016/679 Art 2 Abs 2 Buchst a, 2016/679 Art 15 Abs 1, 2016/679 Art 15 Abs 3 S 1, 2016/679 Art 15 Abs 4, 2016/679 Art 23 Abs 1 Buchst i
BGB § 242
GG Art 19 Abs 4 GG Art 20 Abs 3
EUGrdRCh Art 41 Abs 1, Art 41 Abs 2


Das FA hatte gegen die Steuerpflichtigen Einkommensteuer für 2015 festgesetzt. Später beantragten diese, Einsicht in ihre Einkommensteuerakte zu erhalten. Sie wollten überprüfen, ob ihr Steuerberater ordnungsgemäße Angaben zu den steuerlichen Verhältnissen gemacht hatte. Dies lehnte das FA ebenso ab, wie den späteren Antrag, Auskunft über die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO durch Einsichtnahme in die Steuerakte zu erteilen.

Im finanzgerichtlichen Verfahren hatten die Steuerpflichtigen Erfolg, das FG verpflichtete das FA, Akteneinsicht zu gewähren und den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch zu erfüllen. Dies sieht der BFH jedoch anders, er hob die von der Vorinstanz ausgesprochene Verpflichtung des FA zur Gewährung von Akteneinsicht auf und wies die Klage insoweit ab.

Der BFH entschied, dass die Steuerpflichtigen die Einsichtnahme erst nach Durchführung der Einkommensteuerveranlagung beantragt hatten, sodass der einer Akteneinsicht innewohnende Anspruch auf rechtliches Gehör vor Erlass einer Verwaltungsentscheidung nicht berührt wird. Das FA ist auch nicht verpflichtet, die Steuerpflichtigen bei deren Prüfung, ob ein Schadenersatzanspruch gegen den Steuerberater besteht, durch eine nachträgliche Akteneinsicht zu unterstützen. Die Steuerpflichtigen verfolgten insofern außerhalb des Besteuerungsverfahrens liegende Zwecke.

Das FA ist aber verpflichtet, den Steuerpflichtigen gemäß Art. 15 DSGVO Auskunft darüber zu erteilen, welche sie betreffenden personenbezogenen Daten verarbeitet worden sind. Gesetzliche Ausschlussgründe lagen im Streitfall nicht vor; insbesondere war kein zu Gunsten des Steuerberaters eingreifendes Steuergeheimnis zu beachten.

Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch ist allerdings nicht einem Akteneinsichtsrecht gleichzusetzen. Denn der Kopienübermittlungsanspruch gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO bezieht sich grundsätzlich nur auf die personenbezogenen Daten selbst und nicht auf Dokumente. Anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn der Steuerpflichtige darlegt, dass die Übersendung von Dokumentenkopien unerlässlich ist, um wirksam datenschutzrechtliche Ansprüche zu verfolgen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
Zurück