30.10.2013

Anspruch auf Kindergeld für Ausländer mit einem Aufenthaltsstatus nach dem NATO-Truppenstatut

In Fällen, in denen ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer einen zum Bezug von Kindergeld berechtigenden Aufenthaltstitel verliert, weil sich sein Aufenthaltsstatus aufgrund seiner Eheschließung mit einer Angehörigen des zivilen Gefolges der NATO-Truppen nunmehr nach dem NATO-Truppenstatut richtet, so hat er dennoch aufgrund einer analogen Anwendung des § 62 Abs. 2 EStG Anspruch auf Kindergeld. Eine Ausnahme gilt, wenn ein Ausländer nur deshalb einen zum Bezug von Kindergeld berechtigenden Aufenthaltstitel verloren hat, weil er nach seiner Eheschließung nicht mehr dem Ausländerrecht, sondern dem NATOTrStat unterliegt.

BFH 8.8.2013, III R 22/12
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist US-amerikanischer Staatsbürger. Er lebt seit seiner frühen Kindheit in Deutschland. Zuletzt war er im Besitz einer im Dezember 1997 erteilten befristeten Aufenthaltserlaubnis nach §§ 15 ff. AuslG 1990; zuvor hatte er eine unbefristete und unbeschränkte Arbeitserlaubnis erhalten. Seit dem Jahr 1990 ist er bei einem deutschen Arbeitgeber sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Er wurde vom Finanzamt als unbeschränkt steuerpflichtig nach § 1 Abs. 3 EStG behandelt.

Nach seiner Heirat im Dezember 1998 mit einer amerikanischen Staatsangehörigen, die zum zivilen Gefolge der US-Streitkräfte gehört, wurde in seinen Reisepass der Stempel "Status of Forces Agreement Identification" (SoFA-Stempel) aufgenommen. Nach einer entsprechenden Aufforderung gab der Kläger seine Aufenthaltserlaubnis zurück. Im Februar 2010 beantragte der Kläger Kindergeld für seine 2007 geborene Tochter. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab, weil der Kläger die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 EStG nicht erfülle.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Der Kläger ist nach § 62 Abs. 1 EStG persönlich anspruchsberechtigt.

Verliert ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer einen zum Bezug von Kindergeld berechtigenden Aufenthaltstitel, weil sich sein Aufenthaltsstatus aufgrund seiner Eheschließung mit einer Angehörigen des zivilen Gefolges der NATO-Truppen nunmehr nach dem NATO-Truppenstatut richtet, so ist er dennoch aufgrund einer analogen Anwendung des § 62 Abs. 2 EStG kindergeldberechtigt. Nach der Senatsentscheidung vom 25.7.2007 (Az.: III R 55/02) widerspräche es dem Zweck der Kindergeldregelung, wenn ausländische Staatsangehörige, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten, voraussichtlich dauerhaft in Deutschland einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen, die in das Sozialversicherungssystem eingegliedert und einkommensteuerpflichtig sind, vom Kindergeld ausgeschlossen würden, weil sie für ihren rechtmäßigen Aufenthalt kraft gesetzlicher Regelung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind und deshalb keinen Aufenthaltstitel erhalten.

Dieser Grundsatz traf auch auf den vorliegenden Fall zu. Der Kläger verlor nur aufgrund seiner Eheschließung einen Aufenthaltstitel, der zum Bezug von Kindergeld berechtigt hätte. Würde er nicht mehr dem NATOTrStat unterliegen - etwa nach einem Arbeitgeberwechsel seiner Ehefrau - so hätte er wieder Anspruch auf einen zum Daueraufenthalt berechtigenden Titel, der ihm einen Anspruch auf Kindergeld verschaffen würde. Zwar hat der Senat entschieden, dass es für die Anspruchsberechtigung nach § 62 Abs. 2 EStG nicht darauf ankommt, ob eine Person einen Anspruch auf einen in der Vorschrift genannten Aufenthaltstitel hat; entscheidend ist aber vielmehr der "Besitz" eines derartigen Titels (BFH-Urt. v. 28.4.2010, Az.: III R 1/08). Von diesem Grundsatz ist allerdings jedenfalls dann eine Ausnahme zu machen, wenn ein Ausländer nur deshalb einen zum Bezug von Kindergeld berechtigenden Aufenthaltstitel verloren hat, weil er nach seiner Eheschließung nicht mehr dem Ausländerrecht, sondern dem NATOTrStat unterliegt.

Der Kindergeldanspruch des Klägers war auch nicht nach Art. 13 Abs. 1 S. 1 NATOTrStatZAbk ausgeschlossen. Der Kläger, der als nichtselbständig Beschäftigter sozialversicherungspflichtig ist, hat rechtliche Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung, die außerhalb seiner Eigenschaft als Ehemann einer Angehörigen des zivilen Gefolges der US-Streitkräfte begründet waren. Seinem Kindergeldanspruch stand somit Art. 13 Abs. 1 S. 1 NATOTrStatZAbk nicht entgegen.

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