14.02.2019

Anspruch des Bauunternehmers auf Zahlung eines Restwerklohns in Höhe des Umsatzsteuerbetrags wegen Nichtabführens der Umsatzsteuer durch den Bauträger

Sind ein Bauunternehmer und ein Bauträger bei einem zwischen ihnen vor Erlass des Urteils des BFH vom 22.8.2013 (V R 37/10) abgeschlossenen und durchgeführten Bauvertrag übereinstimmend von der Steuerschuldnerschaft des Bauträgers gem. § 13b Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1 UStG 2011 ausgegangen, steht dem Bauunternehmer aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung ein Anspruch auf Zahlung des Restwerklohns in Höhe des Umsatzsteuerbetrags zu, wenn der Bauträger die Umsatzsteuer nicht an die Finanzverwaltung abgeführt hat und deshalb für den Bauunternehmer die Gefahr entsteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner die Umsatzsteuer entrichten zu müssen.

BGH v. 13.12.2018 - IX ZR 66/18
Der Sachverhalt:

Der klagende Freistaat S, macht aus abgetretenem Recht einer Tischlerei (im Folgenden: Bauunternehmerin) als Restwerklohn einen Anspruch auf Zahlung eines Umsatzsteuerbetrags i.H.v. rd. 6.200 € geltend. Die Bauunternehmerin erbrachte für die Beklagte, einen Bauträger, im Jahr 2011 Innentreppenarbeiten. Vereinbarungsgemäß rechnete sie ihre Leistungen i.H.v. rd. 33.700 € netto ab und führte in der Rechnung aus: "Gemäß § 13b Umsatzsteuergesetz sind Sie [= die Beklagte] Schuldner der Umsatzsteuer." Dieser Hinweis entsprach der Anwendung von § 13b UStG in der damaligen bundesweiten Praxis der Finanzämter. Die Beklagte zahlte den Rechnungsbetrag an die Bauunternehmerin, führte jedoch die Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt ab.

Mit Urteil vom 22.8.2013 (V R 37/10) entschied der BFH, dass § 13b Abs. 2 Satz UStG 2005 [= § 13b Abs. 5 Satz 2 Halbs. 1 UStG 2011] entgegen der einschlägigen Umsatzsteuer-Richtlinie (Abschn. 182a Abs. 11 UStR 2005) einschränkend dahin auszulegen sei, dass es für den Übergang der Steuerschuldnerschaft darauf ankomme, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte bauwerksbezogene Werklieferung oder sonstige Leistung selbst zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet. Dies treffe auf Bauträger nicht zu, die die erbrachten Leistungen für die Bebauung eigener, zur Veräußerung vorgesehener Grundstücke verwenden.

In der Folge korrigierte die Bauunternehmerin auf Veranlassung des Finanzamts ihre gegenüber der Beklagten gelegte Rechnung und wies nunmehr zusätzlich - unter Berücksichtigung eines Skontoabzugs - die Umsatzsteuer i.H.v. rd. 6.200 € aus. Im Juli/August 2015 schlossen der Kläger und die Bauunternehmerin unter Bezug auf § 27 Abs. 19 UStG einen Vertrag, durch den die Bauunternehmerin ihren zivilrechtlichen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe der Umsatzsteuer an Erfüllungs statt an den Kläger abtrat. Mit Schreiben von August 2015 forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung des Umsatzsteuerbetrags bis September 2015 auf. Der Kläger erhob im Jahr 2016 Klage. Die Beklagte, die der Auffassung ist, der Anspruch bestehe nicht, erhob vorsorglich die Einrede der Verjährung.

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Die Revision des Beklagten hatte vor dem BGH - mit Ausnahme der Höhe des Zinsanspruchs - keinen Erfolg.

Die Gründe:

Das OLG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger aus abgetretenem Recht der Bauunternehmerin als Restwerklohn Zahlung des Umsatzsteuerbetrags i.H.v. 6.200 € von der Beklagten verlangen kann.

Der Kläger ist kraft Abtretung durch die Bauunternehmerin Inhaber des Restwerklohnanspruchs. Ob und inwieweit die Wirksamkeit dieser Abtretung über die zivilrechtlichen Regeln (§ 398 ff. BGB) hinaus von einer Anwendung des § 27 Abs. 19 UStG, kann auf sich beruhen. Jedenfalls bestehen keine Bedenken gegen die Anwendung der Vorschrift. Gem. § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme errichtet hatte, Steuerschuldner zu sein. Nach § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG steht § 176 AO der Änderung nicht entgegen. § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG enthält eine Abtretungsregelung, wobei § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG die Erfüllungswirkung dieser Abtretung regelt. § 27 Abs. 19 USt ist in der einschränkenden Auslegung durch den BFH sowohl verfassungsgemäß als auch unionrechtskonform. Der Senat schließt sich der diesbezüglichen Auffassung des BFH an. Die Revision zeigt keine Argumente auf, die Anlass zu einer abweichenden Auffassung geben.

Sind ein Bauunternehmer und ein Bauträger bei einem zwischen ihnen vor Erlass des Urteils des BFH vom 22.8.2013 (V R 37/10) abgeschlossenen und durchgeführten Bauvertrag übereinstimmend von der Steuerschuldnerschaft des Bauträgers gem. § 13b Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1 UStG 2011 ausgegangen, steht dem Bauunternehmer danach aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung ein Anspruch auf Zahlung des Restwerklohns in Höhe des Umsatzsteuerbetrags zu, wenn der Bauträger die Umsatzsteuer nicht an die Finanzverwaltung abgeführt hat und deshalb für den Bauunternehmer die Gefahr entsteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner die Umsatzsteuer entrichten zu müssen. Die Verjährung dieses Anspruchs beginnt in einem solchen Fall gem. § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Bauunternehmer davon Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Die für das Entstehen des Anspruchs maßgebliche Gefahr, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner die Umsatzsteuer abführen zu müssen, ist jedenfalls nicht vor dem Urteil des BFH vom 22.8.2013.

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