Anwartschaften auf Beteiligungen an Kapitalgesellschaften sind nicht gem. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG steuerbar
BFH 19.2.2013, IX R 35/12Der Kläger erwarb im Juni 1999 ein Anwartschaftsrecht auf zunächst 1.024 Stammaktien der A-AG zum Nennbetrag von 5 € (2 % des Kapitals). Die dingliche Übertragung der Aktien sollte im Juli 2005 erfolgen. Vor der Übertragung der Anteile trat der Verkäufer und Mehrheitsaktionär anlässlich eigener Verkaufsverhandlungen seines gesamten Aktienpaketes an den Kläger mit der Bitte heran, die Erfüllung des Vertrages durch Übereignung der Aktien zunächst zurückzustellen.
Im September 2006 wurden dann sämtliche Anteile der A-AG (einschließlich der von dem Kläger gekauften Anteile) zu einem Preis von 14,85 Mio. € an einen Dritten veräußert. Im Oktober 2006 leistete der Verkäufer eine Ausgleichszahlung i.H.v. 300.000 € an den Kläger, die sich der Höhe nach an dem Anteil der von ihm gekauften Anteile am Gesamtkaufpreis für die AG orientierte. Aufgrund dieser Zahlung erklärte der Kläger alle seine Ansprüche aus dem Aktienkauf- und Übertragungsvertrag aus Juni 1999 als abgegolten.
Mit dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2006 erfasste das Finanzamt die Zahlung von 300.000 € als Einkünfte aus Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG. Später änderte es die Einkommensteuerfestsetzung dahin, dass es die Ausgleichszahlung unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens (§ 3 S. 1 Nr. 40c EStG) i.H.v. 150.000 € als Veräußerungsgewinn gem. § 17 Abs. 1 S. 3 EStG erfasste.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.
Die Gründe:
Zutreffend hatte das FG die Steuerbarkeit der Ausgleichszahlung von 300.000 € verneint.
Die Zahlung führte zum einen nicht zu einem Veräußerungsgewinn des Klägers i.S.v. § 17 Abs. 1 EStG. Der Kläger war an der A-AG im Zeitpunkt, in dem er die Zahlung erhielt, nicht zu mindestens 1 % beteiligt, er hatte lediglich eine Anwartschaft auf eine solche Beteiligung. Trotz des Zustimmungsvorbehalts des Vorstandes zur intendierten Anteilsveräußerung an den Kläger bestand lediglich eine begründete Aussicht auf den Anteilserwerb. Diese Anwartschaft vermittelte daher keine Beteiligung an der Gesellschaft. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG ist auch nicht analog anzuwenden.
Die streitbefangene Zahlung war zum anderen auch nicht gem. § 22 Nr. 3 EStG steuerbar. Eine (sonstige) Leistung i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das weder eine Veräußerung noch einen veräußerungsähnlichen Vorgang im Privatbereich betrifft, Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und eine Gegenleistung auslöst. Wird jedoch das Entgelt dafür erbracht, dass ein Vermögensgegenstand in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird, so gehört das Entgelt nicht zu den Einkünften gem. § 22 Nr. 3 EStG. Dabei ist für die Abgrenzung im Einzelfall der wirtschaftliche Gehalt der zugrundeliegenden Vereinbarung maßgebend. Entscheidend ist nicht, wie die Parteien ihre Leistungen benannt, sondern was sie nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse wirklich gewollt und tatsächlich bewirkt haben.
Im vorliegenden Fall hat das FG bindend festgestellt, dass der Kläger aufgrund der streitbefangenen Zahlung seine Ansprüche aus dem Vertrag aus Juni 1999 als abgegolten erklärt hatte. Damit hatte er sein sich hieraus ergebendes Anwartschaftsrecht auf die Anteile endgültig aufgegeben. Diese Vermögensumschichtung unterlag als veräußerungsähnlicher Vorgang nicht § 22 Nr. 3 EStG. Unerheblich war, ob anders zu entscheiden wäre, wenn es sich bei den 300.000 € um eine Zahlung gehandelt hätte, mit der der Kläger vom Vertrag Abstand genommen hätte.
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