Anwendung der Bruttomethode im Fall der Ausschüttung einer EU-Kapitalgesellschaft an eine deutsche Organgesellschaft
Kurzbesprechung
BFH v. 6.2.2025 - IV R 29/22
KStG § 8b Abs 1, KStG § 8b Abs 2, KStG § 14 Abs 1 S 1, KStG § 14 Abs 1 S 2, KStG § 15 S 1 Nr. 2, KStG § 17 Abs 1 S 1, KStG § 17 Abs 1 S 2, KStG § 34 Abs 10b
EWGRL 435/90 Art 4 Abs 1
AEUV Art 267
EStG § 3 Nr. 40, EStG § 3c Abs 2
Streitig war, ob die Besteuerung von Ausschüttungen einer in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) ansässigen Beteiligungsgesellschaft an eine deutsche Organgesellschaft bei der deutschen Organträger-Personengesellschaft gegen die Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ‑‑ABlEG‑‑ 1990, Nr. L 225, 6, Nr. L 266, 20) ‑‑Mutter-Tochter-Richtlinie (MTR)‑‑, neu gefasst durch Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30.11.2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (Amtsblatt der Europäischen Union 2011, Nr. L 345, 8) verstößt.
Der Steuerpflichtige ist ehemaliger Gesellschafter der A GmbH & Co. KG (A KG), die die finanzgerichtliche Klage erhoben hatte und während des finanzgerichtlichen Verfahrens vollbeendet wurde. Bei dieser handelt es sich um die vormalige B GmbH & Co. KG Holding (B KG), die in 2014 ihre Firma geändert hatte.
Im Jahr 2009 (Streitjahr) waren an der B KG die C GmbH ohne kapitalmäßige Beteiligung als Komplementärin sowie der Steuerpflichtige zu 96 % und die Beigeladene zu 4 % als Kommanditisten beteiligt. In 2014 schied die Beigeladene aus der B KG aus; ihre Anteile gingen im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf den Steuerpflichtigen über. Die C GmbH änderte ihre Firma in 2015 in D GmbH.
Mit Kauf- und Übertragungsvertrag vom 17.3.2020 übertrug der Steuerpflichtige einen Teil seines Anteils an der A KG im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf die E B.V. Nach der Anmeldung zum Handelsregister vom 3.4.2020 traten zu diesem Zeitpunkt der Steuerpflichtige sowie die persönlich haftende Gesellschafterin D GmbH aus der Gesellschaft aus. Das Geschäft der A KG wurde ohne Liquidation mit allen Aktiven und Passiven von der E B.V. übernommen. Am 19.05.2020 erfolgte die Löschung der A KG aus dem Handelsregister.
Die C GmbH war im Streitjahr zu 50 % an einer dänischen Gesellschaft, der FA/S, beteiligt.
Die B KG hielt im Streitjahr 100 % der Anteile an der C GmbH (Komplementärin); es lag somit eine sogenannte Einheits-GmbH & Co. KG vor.
Der BFH entschied, dass das FG n seiner klageabweisenden Entscheidung zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Gewinnausschüttung der FA/S auf der Ebene der B KG unter Berücksichtigung von § 3 Nr. 40, § 3c EStG festzustellen ist (§ 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG).
Aufgrund der bestehenden Organschaft war die Ausschüttung der FA/S in voller Höhe - ohne Anwendung des § 8b KStG - Teil des Einkommens der C GmbH (Organgesellschaft); das Einkommen wird der B KG (Organträgerin) zugerechnet und unterliegt dort - im Hinblick auf die Beteiligung natürlicher Personen - § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG. Daher sind weder das festgestellte Einkommen der Organgesellschaft noch die Feststellung der darin enthaltenen Einkünfte, die unter § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b Abs. 1 und 2 KStG, § 3c Abs. 1 EStG fallen, zu beanstanden. Aus der Mutter-Tochter-Richtlinie folgt nichts anderes.
Die Ausschüttung der F A/S gehört zu den gewerblichen Einkünften der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen C GmbH (§ 8 Abs. 2, Abs. 1 KStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 8 EStG).Wenngleich es sich bei der Beteiligungsgesellschaft FA/S um eine (ausländische) Kapitalgesellschaft handelt, gelangt das sogenannte (nationale) Schachtelprivileg des § 8b Abs. 1 KStG bei der Ermittlung des Einkommens der C GmbH gemäß § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG nicht zur.
Die in § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG geregelte Bruttomethode verstößt auch nicht gegen Art.4 MTR. Gemäß Art. 1 Abs. 1 MTR wendet jeder Mitgliedstaat die Mutter-Tochter-Richtlinie unter anderem an auf Gewinnausschüttungen, die Gesellschaften dieses Staates von Tochtergesellschaften eines anderen Mitgliedstaats zufließen. Dabei steht die Mutter-Tochter-Richtlinie der Anwendung einzelstaatlicher oder vertraglicher Bestimmungen zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Missbräuchen nicht entgegen (Art. 1 Abs. 2 MTR).
Im Streitfall war der (persönliche) Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie nach Art. 1 Abs. 1 1. Spiegelstrich MTR eröffnet. Denn bei der C GmbH handelt es sich um eine Gesellschaft eines Mitgliedstaats im Sinne des Art. 2 Abs. 1 MTR. Zugleich gilt sie aufgrund der Beteiligung an der F A/S von 50 % als Muttergesellschaft im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a MTR. Die FA/S qualifiziert (ebenfalls) als Gesellschaft eines (anderen) Mitgliedstaats sowie als Tochtergesellschaft im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b MTR. Auch die weiteren (sachlichen) Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 MTR waren erfüllt: Der C GmbH waren aufgrund ihrer Beteiligung an der dänischen Tochtergesellschaft Gewinne (Gewinnausschüttungen) zugeflossen, bei denen es sich nicht um Liquidationsgewinne handelte.
Daher sieht Art. 4 Abs. 1 MTR als Rechtsfolge die Freistellung der Gewinne oder die Steueranrechnung vor. Deutschland hat sich mit § 8b Abs. 1 KStG für die Freistellung entschieden.
Den Vorgaben der Mutter-Tochter-Richtlinie widerspricht es nicht, wenn § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG vorschreibt, dass die Regeln des § 8b KStG beziehungsweise des Teileinkünfteverfahrens erst auf der Ebene der Organträgerin zur Anwendung gelangen. Zwar hat die Steuerbefreiung im Grundsatz bei der Muttergesellschaft (Organgesellschaft) als Empfängerin der Gewinnausschüttungen zu erfolgen. Wird deren Einkommen indes einem anderen Rechtsträger (Organträger) im Rahmen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft zugerechnet und von diesem (oder seinen Gesellschaftern) versteuert, ist es angesichts der Systematik der (deutschen) Organschaftsbesteuerung folgerichtig, die Befreiung der Dividendenerträge erst auf der Ebene der Organträger-Personengesellschaft zur Anwendung zu bringen. Hierin liegt keine "Nichtanwendung" der Mutter-Tochter-Richtlinie.
Der BFH sah sich auch nicht verpflichtet, die Rechtsfrage, ob § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG gegen Art. 4 Abs. 1 1. Spiegelstrich MTR verstößt, dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
KStG § 8b Abs 1, KStG § 8b Abs 2, KStG § 14 Abs 1 S 1, KStG § 14 Abs 1 S 2, KStG § 15 S 1 Nr. 2, KStG § 17 Abs 1 S 1, KStG § 17 Abs 1 S 2, KStG § 34 Abs 10b
EWGRL 435/90 Art 4 Abs 1
AEUV Art 267
EStG § 3 Nr. 40, EStG § 3c Abs 2
Streitig war, ob die Besteuerung von Ausschüttungen einer in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) ansässigen Beteiligungsgesellschaft an eine deutsche Organgesellschaft bei der deutschen Organträger-Personengesellschaft gegen die Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ‑‑ABlEG‑‑ 1990, Nr. L 225, 6, Nr. L 266, 20) ‑‑Mutter-Tochter-Richtlinie (MTR)‑‑, neu gefasst durch Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30.11.2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (Amtsblatt der Europäischen Union 2011, Nr. L 345, 8) verstößt.
Der Steuerpflichtige ist ehemaliger Gesellschafter der A GmbH & Co. KG (A KG), die die finanzgerichtliche Klage erhoben hatte und während des finanzgerichtlichen Verfahrens vollbeendet wurde. Bei dieser handelt es sich um die vormalige B GmbH & Co. KG Holding (B KG), die in 2014 ihre Firma geändert hatte.
Im Jahr 2009 (Streitjahr) waren an der B KG die C GmbH ohne kapitalmäßige Beteiligung als Komplementärin sowie der Steuerpflichtige zu 96 % und die Beigeladene zu 4 % als Kommanditisten beteiligt. In 2014 schied die Beigeladene aus der B KG aus; ihre Anteile gingen im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf den Steuerpflichtigen über. Die C GmbH änderte ihre Firma in 2015 in D GmbH.
Mit Kauf- und Übertragungsvertrag vom 17.3.2020 übertrug der Steuerpflichtige einen Teil seines Anteils an der A KG im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf die E B.V. Nach der Anmeldung zum Handelsregister vom 3.4.2020 traten zu diesem Zeitpunkt der Steuerpflichtige sowie die persönlich haftende Gesellschafterin D GmbH aus der Gesellschaft aus. Das Geschäft der A KG wurde ohne Liquidation mit allen Aktiven und Passiven von der E B.V. übernommen. Am 19.05.2020 erfolgte die Löschung der A KG aus dem Handelsregister.
Die C GmbH war im Streitjahr zu 50 % an einer dänischen Gesellschaft, der FA/S, beteiligt.
Die B KG hielt im Streitjahr 100 % der Anteile an der C GmbH (Komplementärin); es lag somit eine sogenannte Einheits-GmbH & Co. KG vor.
Der BFH entschied, dass das FG n seiner klageabweisenden Entscheidung zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Gewinnausschüttung der FA/S auf der Ebene der B KG unter Berücksichtigung von § 3 Nr. 40, § 3c EStG festzustellen ist (§ 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG).
Aufgrund der bestehenden Organschaft war die Ausschüttung der FA/S in voller Höhe - ohne Anwendung des § 8b KStG - Teil des Einkommens der C GmbH (Organgesellschaft); das Einkommen wird der B KG (Organträgerin) zugerechnet und unterliegt dort - im Hinblick auf die Beteiligung natürlicher Personen - § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG. Daher sind weder das festgestellte Einkommen der Organgesellschaft noch die Feststellung der darin enthaltenen Einkünfte, die unter § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b Abs. 1 und 2 KStG, § 3c Abs. 1 EStG fallen, zu beanstanden. Aus der Mutter-Tochter-Richtlinie folgt nichts anderes.
Die Ausschüttung der F A/S gehört zu den gewerblichen Einkünften der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen C GmbH (§ 8 Abs. 2, Abs. 1 KStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 8 EStG).Wenngleich es sich bei der Beteiligungsgesellschaft FA/S um eine (ausländische) Kapitalgesellschaft handelt, gelangt das sogenannte (nationale) Schachtelprivileg des § 8b Abs. 1 KStG bei der Ermittlung des Einkommens der C GmbH gemäß § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG nicht zur.
Die in § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG geregelte Bruttomethode verstößt auch nicht gegen Art.4 MTR. Gemäß Art. 1 Abs. 1 MTR wendet jeder Mitgliedstaat die Mutter-Tochter-Richtlinie unter anderem an auf Gewinnausschüttungen, die Gesellschaften dieses Staates von Tochtergesellschaften eines anderen Mitgliedstaats zufließen. Dabei steht die Mutter-Tochter-Richtlinie der Anwendung einzelstaatlicher oder vertraglicher Bestimmungen zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Missbräuchen nicht entgegen (Art. 1 Abs. 2 MTR).
Im Streitfall war der (persönliche) Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie nach Art. 1 Abs. 1 1. Spiegelstrich MTR eröffnet. Denn bei der C GmbH handelt es sich um eine Gesellschaft eines Mitgliedstaats im Sinne des Art. 2 Abs. 1 MTR. Zugleich gilt sie aufgrund der Beteiligung an der F A/S von 50 % als Muttergesellschaft im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a MTR. Die FA/S qualifiziert (ebenfalls) als Gesellschaft eines (anderen) Mitgliedstaats sowie als Tochtergesellschaft im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b MTR. Auch die weiteren (sachlichen) Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 MTR waren erfüllt: Der C GmbH waren aufgrund ihrer Beteiligung an der dänischen Tochtergesellschaft Gewinne (Gewinnausschüttungen) zugeflossen, bei denen es sich nicht um Liquidationsgewinne handelte.
Daher sieht Art. 4 Abs. 1 MTR als Rechtsfolge die Freistellung der Gewinne oder die Steueranrechnung vor. Deutschland hat sich mit § 8b Abs. 1 KStG für die Freistellung entschieden.
Den Vorgaben der Mutter-Tochter-Richtlinie widerspricht es nicht, wenn § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG vorschreibt, dass die Regeln des § 8b KStG beziehungsweise des Teileinkünfteverfahrens erst auf der Ebene der Organträgerin zur Anwendung gelangen. Zwar hat die Steuerbefreiung im Grundsatz bei der Muttergesellschaft (Organgesellschaft) als Empfängerin der Gewinnausschüttungen zu erfolgen. Wird deren Einkommen indes einem anderen Rechtsträger (Organträger) im Rahmen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft zugerechnet und von diesem (oder seinen Gesellschaftern) versteuert, ist es angesichts der Systematik der (deutschen) Organschaftsbesteuerung folgerichtig, die Befreiung der Dividendenerträge erst auf der Ebene der Organträger-Personengesellschaft zur Anwendung zu bringen. Hierin liegt keine "Nichtanwendung" der Mutter-Tochter-Richtlinie.
Der BFH sah sich auch nicht verpflichtet, die Rechtsfrage, ob § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG gegen Art. 4 Abs. 1 1. Spiegelstrich MTR verstößt, dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.