26.07.2013

Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG bei Erwerbsvorgängen i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG

§ 16 Abs. 2 GrEStG ist auf einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG anwendbar. Der Steuertatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG ist nicht (mehr) erfüllt, wenn durch einen Anteilsrückerwerb das von dieser Vorschrift vorausgesetzte Quantum von 95 Prozent der Anteile der Gesellschaft unterschritten wird.

BFH 11.6.2013, II R 52/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war an der grundbesitzenden G-GmbH, deren Stammkapital 25.000 € betrug, zunächst mit einem Geschäftsanteil von 16.200 € (64,8 Prozent) beteiligt. F hielt einen Geschäftsanteil von 2.500 € (10 Prozent), die H-AG einen Anteil von 6.300 € (25,2 Prozent). Mit notariell beurkundetem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 18.12.2008 erwarb die Klägerin den Geschäftsanteil der H-AG sowie von F einen Geschäftsanteil i.H.v. 1.250 € (5 Prozent). Damit war die Klägerin mit insgesamt 23.750 € (95 Prozent) an der G-GmbH beteiligt.

Das Finanzamt setzte gegen die Klägerin im Hinblick auf die in ihrer Person i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vereinigten 95 % der Anteile an der G-GmbH Grunderwerbsteuer i.H.v. 20.825 € fest. Während des Einspruchsverfahrens vereinbarte die Klägerin mit F durch notariell beurkundeten Vertrag vom 10.2.2010 die Aufhebung des Kauf- und Abtretungsvertrags vom 18.12.2008 sowie die Rückabtretung des Geschäftsanteils von 1.250 € an der G-GmbH. In demselben Vertrag verkaufte F einen Geschäftsanteil von 1.225 € an die Klägerin und trat diesen an die Klägerin ab. Der Kaufpreisanspruch der F wurde mit dem Anspruch der Klägerin auf Rückerstattung des Kaufpreises aus dem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 18.12.2008 vollumfänglich verrechnet.

Das FG gab der gegen den Grunderwerbsteuerfestsetzungsbescheid gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat zutreffend erkannt, dass die Festsetzung der Grunderwerbsteuer gem. § 16 Abs. 2 GrEStG aufzuheben war.

Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 Prozent der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden würden. Vorliegend war aufgrund des Kauf- und Abtretungsvertrags vom 18.12.2008 durch Vereinigung von 95 Prozent der Anteile an der G-GmbH in der Hand der Klägerin der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Der Aufhebungs- und Übertragungsvertrag vom 10.2.2010 erfüllt die Anforderungen des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG, so dass die Festsetzung der Grunderwerbsteuer für die in der Hand der Klägerin eingetretene Anteilsvereinigung aufzuheben war.

Der zwischen der Klägerin und F geschlossene Vertrag vom 10.2.2010, durch den zum einen der zwischen diesen Vertragsparteien geschlossene Kauf- und Abtretungsvertrag vom 18.12.2008 aufgehoben und die Klägerin sodann einen Geschäftsanteil von 1.225 € an der G-GmbH von F erworben hat, genügt den Anforderungen eines Rückerwerbs i.S.d. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG. Aufgrund des Vertrags vom 10.2.2010 hat sich die Beteiligung der Klägerin an der G-GmbH innerhalb von zwei Jahren seit Entstehung der Steuer aus § 1 Abs. 3 GrEStG auf einen den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht genügenden Anteil von 94,9 Prozent ermäßigt.

Der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG steht nicht entgegen, dass keine vollständige Rückabwicklung sämtlicher Anteilserwerbe, die gem. Vertrag vom 18.12.2008 zur Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG geführt haben, erfolgt ist. Für die Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist allein entscheidend, dass aufgrund des Vertrags vom 10.2.2010 weniger als 95 Prozent der Anteile in der Hand der Klägerin vereinigt wurden und dass hinsichtlich des auf F zurückübertragenen Anteils von 0,1 Prozent eine vollständige Rückübertragung erfolgt ist.

Der Steuertatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG ist ausschließlich dann erfüllt, wenn 95 Prozent der Anteile am Gesellschaftsvermögen in einer Hand vereinigt werden. Wird daher durch Anteilsrückerwerb nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG eine nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG steuerbare Anteilsvereinigung in der Weise beseitigt, dass das von dieser Vorschrift vorausgesetzte Quantum von 95 Prozent der Anteile der Gesellschaft unterschritten wird, ist der Steuertatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG nicht (mehr) erfüllt.

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