20.02.2013

Aufhebung der Vollziehung eines dinglichen Arrestes ist auch ohne Sicherheitsleistung möglich

In Fällen, in denen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Anordnung des dinglichen Arrests i.S.d. § 324 Abs. 1 AO bestehen, kann das Gericht die Vollziehung im Einzelfall, insbesondere wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist, auch ohne Sicherheitsleistung aufheben. Dies war in der Rechtsprechung bisher noch ungeklärt.

BFH 6.2.2013, XI B 125/12
Der Sachverhalt:
Das Finanzamt hatte zur Sicherung eines Anspruchs den dinglichen Arrest gem. § 324 Abs. 1 AO in das Vermögen des Antragstellers angeordnet. Dieser sollte in Haftung genommen werden für verkürzte Umsatzsteuer zu Gunsten einer OHG, an der er zu 49,44 % beteiligt war. Die Steuerbehörde war der Ansicht, der Antragsteller sei wegen seiner Teilnahme an einem Umsatzsteuerbetrugsmodell als besonders steuerunehrlich anzusehen. Aufgrund einer nachhaltigen Begehungsweise und der Höhe des bisher festgestellten Steuerschadens sei zudem eine erhebliche kriminelle Energie gegeben. Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei von demjenigen, der sich oder einem Dritten durch eine Straftat einen Vermögensvorteil verschafft hat, zu erwarten, dass er nachhaltige Unternehmungen anstellt, um die Tatvorteile dauerhaft zu sichern.

In den Bescheiden wurde darauf hingewiesen, dass durch Hinterlegung eines Geldbetrages i.H.d. Arrestanordnung die Vollziehung des Arrests gehemmt und die Aufhebung bereits durchgeführter Vollziehungsmaßnahmen erreicht werden könne. Der Antragsteller erhob Sprungklage und beantragte gleichzeitig wegen der bereits andauernden Vollstreckung die Aufhebung der Vollziehung der Arrestanordnung. Er machte geltend, die Hinterlegung des streitigen Arrestbetrages sei nicht möglich, weil ihm nach dem Arrestvollzug kein weiteres freies Vermögen zur Verfügung stehe. Sein Antrag gehe auf Aufhebung der Vollziehungsmaßnahmen ohne Sicherheitsleistung und sei mit diesem Rechtsschutzbedürfnis zulässig. Ferner sei der Antrag auch begründet, weil weder ein Arrestanspruch noch ein Arrestgrund gegeben seien.

Das FG hielt den Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnis für unzulässig. Es war der Auffassung, die Aufhebung der Vollziehung könne grundsätzlich nur gegen Sicherheitsleistung ausgesprochen werden. Auf die Beschwerde des Antragstellers hob der BFH den Beschluss auf und gab dem Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung statt.

Die Gründe:
An der Rechtmäßigkeit der Arrestanordnung bestanden ernstliche Zweifel, die zur Aufhebung der Vollziehung der Arrestanordnung führten.

Zwar kann die für die Steuerfestsetzung zuständige Finanzbehörde zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen den Arrest in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen anordnen, wenn zu befürchten ist, dass sonst die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Schließlich soll dadurch verhindert werden, dass der Steuerpflichtige einen bestehenden Zustand verändert, und die zukünftige Zwangsvollstreckung eines noch zu erlassenden Steuerbescheides gefährdet wird. Durch die Hinterlegung eines Geldbetrages in Höhe der Arrestanordnung kann die Vollziehung des Arrestes gehemmt und die Aufhebung bereits durchgeführter Vollziehungsmaßnahmen erreicht werden.

Nach der Rechtsprechung war bisher jedoch ungeklärt, ob die Aussetzung der Vollziehung der Anordnung auch ohne Sicherheitsleistung gewährt werden kann. Die Vorinstanz hatte den entsprechenden Antrag des Klägers als unzulässig abgewiesen, weil eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung wegen der Dringlichkeit der Maßnahme nicht in Betracht komme. Dem konnte allerdings nicht gefolgt werden, da der Antrag auf Aussetzung ohne Sicherheitsleistung durchaus zulässig war. Denn wenn es das Sicherungsinteresse des Steuergläubigers nach dem Willen des Gesetzgebers zulässt, dass die Vollziehung eines Steuerbescheides ggf. auch ohne Sicherungsleistung ausgesetzt bzw. aufgehoben wird, so muss dies erst recht gelten, wenn der Steueranspruch noch nicht in Steuerbescheiden festgesetzt wurde und es somit nur um die Sicherung einer künftigen Forderung geht.

Dem Antragsteller war auch in der Sache Recht zu geben. Die Beteiligten müssen die entscheidungserheblichen Tatsachen darlegen und glaubhaft machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht. Für die Anordnung einer Sicherheitsleistung heißt das, dass die Finanzbehörde die für eine Gefährdung des Steueranspruchs sprechenden Gesichtspunkte vortragen muss und der Steuerpflichtige ggf. Umstände, die ein Sicherungsbedürfnis der Behörde entfallen oder unangemessen erscheinen lassen. Danach war die Anordnung der Sicherheitsleistung hier aufzuheben, denn das Finanzamt hatte eine Gefährdung des Steueranspruchs nicht schlüssig dargelegt. Die Vermutung, der Antragsteller sei bestrebt und in der Lage, die Geldansprüche des Staates durch Verschiebung oder Beiseiteschaffung etwaigen Vermögens zu verhindern, stellte sich als bloße Behauptung dar.

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BFH PM Nr. 12 vom 20.2.2013
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