09.03.2023

Aufhebung eines FG-Urteils gegen den falschen Beklagten

Ein nach einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel gegen den falschen Beklagten ergangenes Urteil des FG ist auf die Revision des falschen Beklagten hin aufzuheben. Der Rechtsstreit ist in einem solchen Fall an das FG zurückzuverweisen, wenn der richtige Beklagte selbst nicht ebenfalls Revision eingelegt hat und der Prozessführung des falschen Beklagten im Revisionsverfahren auch nicht zugestimmt hat.

Kurzbesprechung
BFH v. 13. 12. 2022 - VIII R 33/20

FGO § 57 Nr. 2, § 63 Abs 1 Nr. 1, § 115 Abs. 1, § 122 Abs 1
AO § 122 Abs 5, § 365 Abs 1
FAZustV RP § 2 S 2


Gemäß § 115 Abs. 1 FGO steht den Beteiligten die Revision an den BFH insbesondere dann zu, wenn das FG sie ‑ wie im Streitfall ‑ zugelassen hat. Beteiligte am Verfahren sind gemäß § 57 Nrn. 1 und 2 FGO der Kläger und der Beklagte.

Ist das Urteil gegen einen falschen Beteiligten ergangen, weil das FG einen nach Erhebung der Klage eingetretenen gesetzlichen Beteiligtenwechsel übersehen hat, ist auch ein irrtümlich als Verfahrensbeteiligter Behandelter zur Einlegung der Revision befugt, da er die Möglichkeit haben muss, das zu Unrecht gegen ihn ergangene Urteil zu beseitigen. Die Befugnis eines falschen Beklagten zur Revisionseinlegung besteht in einem solchen Fall neben der Revisionsbefugnis des am Verfahren bislang noch nicht beteiligten, richtigen Beklagten.

Im Streitfall hatte das FG verfahrensfehlerhaft den aus der geänderten Fassung des § 2 FAZVO folgenden gesetzlichen Beteiligtenwechsel nicht beachtet und das Urteil gegen die Landesfinanzkasse (LFK) als die falsche Beklagte erlassen. Bei der FAZVO handelt es sich um die rheinland-pfälzische Landesverordnung über Zuständigkeiten der Finanzämter. Nach § 2 Satz 2 FAZVO in der Fassung vom 24.08.2018, die während der Anhängigkeit des durch das Urteil vom 20.10.2020 abgeschlossenen Klageverfahrens am 29.09.2018 in Kraft trat, ist die LFK zuständig für die Führung der Kassengeschäfte einschließlich der Erteilung von Abrechnungsbescheiden i.S. des § 218 Abs. 2 AO, jedoch mit Ausnahme der Fälle, in denen nach § 36 Abs. 2 Nrn. 2 oder 3 EStG über die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen auf die Einkommensteuer zu entscheiden ist. Zuständig ist nach der Neufassung des § 2 Satz 2 FAZVO das FA als das für den Kläger zuständige Veranlagungsfinanzamt. Danach hatte das FG im Zeitpunkt seiner Entscheidung die LFK zu Unrecht als Beteiligte des Klageverfahrens angesehen.

Das FG hatte somit nicht beachtet, dass durch die Änderung des § 2 FAZVO während des Klageverfahrens auf der Beklagtenseite ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel eintrat. Wird nach der Erhebung der Klage statt der beklagten Behörde eine andere Finanzbehörde zuständig, so bleibt die prozessuale Stellung der beklagten Behörde hiervon grundsätzlich unberührt. Eine Ausnahme gilt insbesondere dann, wenn der Zuständigkeitswechsel auf einem Organisationsakt der Verwaltung beruht. In diesem Fall kommt es zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel dergestalt, dass das neu zuständig gewordene Finanzamt ohne Verfahrensunterbrechung auf der Beklagtenseite in den anhängigen Rechtsstreit eintritt.

Im Streitfall war das FG-Urteil rechtsfehlerhaft, weil das FG die passive Prozessführungsbefugnis der LFK im Urteilszeitpunkt zu Unrecht bejaht hatte. Es hat die LFK weiterhin als Beteiligte angesehen, obgleich ihre passive Prozessführungsbefugnis entfallen und auf das FA übergegangen war.

Mangels Beteiligung des richtigen Beklagten am Revisionsverfahren konnte der BFH nicht in der Sache selbst entscheiden. Denn das zuständige FA hatte weder Revision eingelegt noch hatte es der Prozessführung durch die LFK im Revisionsverfahren zugestimmt. Der BFH hob daher das Urteil der Vorinstanz auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Im zweiten Rechtsgang muss das FG nun unter Beteiligung des zuständigen FA als Beklagte über die Klage entscheiden.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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