Aufteilung des Besteuerungsrechts für Abfindungen zwischen Tätigkeits- und Ansässigkeitsstaat nach Einfügung des § 50 d Abs. 12 EStG
Hessisches FG v. 27.2.2020 - 9 K 353/19
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten darum, ob und in welcher Höhe eine dem Kläger im Jahr 2017 gezahlte Abfindung iHv 3 Mio € der deutschen Besteuerung unterliegt. Im Jahr des Zuflusses der Abfindung hatte der Kläger seinen Wohnsitz in Großbritannien. Zuvor hatte der Kläger jedoch im Zeitraum vom 1.10.2007 bis 31.12.2016 wechselnde Aufenthalte aufgrund von verschiedenen Arbeitsverhältnissen mit einer deutschen und einer englischen Bank. Zeitweilig hatte er sich auch in Deutschland aufgehalten und hatte Steuererklärungen bei einem deutschen FA abgegeben.
Fraglich war hier, ob und wie die wechselnden Aufenthalte zu berücksichtigen sind und wie sich die zwischenzeitliche Einfügung des § 50 d Abs. 12 EStG zum Ende des Jahres 2016 auswirkt.
Das FG hat eine zeitanteilige Aufsplittung der Abfindung vorgenommen, sodass der im Inland steuerpflichtige Teil 1.3 Mio € und der steuerfreie Teil 1.7 Mio € beträgt.
Die Gründe:
Abzustellen ist gemäß § 11 Abs. 1 EStG auf den Zuflusszeitpunkt der Abfindung im Jahr 2017. In diesem Jahr war der Kläger in Großbritannien ansässig. § 50 d Abs. 12 EStG knüpft bei Abfindungen an die frühere Tätigkeit an. So stellte das FA insoweit zu Recht fest, dass die Abfindung der Tätigkeit folgt. Nach § 50 d Abs. 12 S. 1 EStG gelten Abfindungen somit abkommensrechtlich als "für frühere Tätigkeit geleistetes zusätzliches Entgelt". Die Verknüpfung der Abfindung mit der früheren Tätigkeit hat zur Folge, dass abkommensrechtlich nur dem jeweiligen Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Abfindung zusteht. Da allein auf die Rechtslage im Zuflusszeitpunkt abzustellen ist, kommt es auf die frühere steuerrechtliche Behandlung der damaligen laufenden Zahlungen nicht an; so ist die Frage, ob der Kläger unbeschränkt steuerpflichtig war und auch entsprechende Steuererklärungen beim deutschen FA abgab, unbeachtlich.
Dies gilt auch für den Zeitraum Oktober 2007 bis August 2009, in dem Deutschland nach dem DBA Großbritannien 1964 das Besteuerungsrecht hatte. Wegen Unterschreitens der 183-Tage-Frist seiner Tätigkeit in Großbritannien stünde grundsätzlich für diesen Zeitraum Oktober 2007 bis August 2009 abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht Deutschland zu.
Dieser Tatbestand wird jedoch durch § 50 d Abs. 12 EStG wieder dahingehend eingeschränkt, dass nach Inkrafttreten dieser Norm gezahlte Abfindungen wiederum nur zeitanteilig dem Tätigkeitsstaat zugerechnet werden können. Das bedeutet, dass vorliegend der gesamte Zeitraum von Oktober 2007 bis Dezember 2016 betroffen ist und hinsichtlich der in den jeweiligen DBA-Staaten vorgenommenen Tätigkeiten eine Aufteilung vorzunehmen ist. Der vom Kläger gewählte Aufteilungsmaßstab nach Tagen und Einkommenshöhe, der insoweit rechnerisch auch vom FA nicht in Frage gestellt wird, ist nach Auffassung des Senats sachgerecht, sodass sich hinsichtlich des Aufteilungsmaßstabes die aus dem Tenor ersichtlichen Werte ergeben.
Für Abfindungen, die bis einschließlich 31.12.2016 gezahlt wurden, stellte sich die Rechtslage so dar, dass Abfindungen Art. 15 OECD-MA zugeordnet wurden, wonach die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat zu erfolgen hat, es sei denn, die Arbeit wurde in einem anderen Vertragsstaat ausgeübt (Tätigkeitsstaat). Da nach der Rechtsprechung des BFH, der sich zunächst auch die Verwaltung angeschlossen hat, die gezahlten Abfindungen aus abkommensrechtlicher Sicht kein zusätzliches Entgelt für die bisherige Tätigkeit darstellen, und somit die Besteuerung nicht (ganz oder anteilig) beim Tätigkeitsstaat lag - verblieb es bei "echten" Abfindungen (wie vorliegend) beim Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats. Dies wäre - nach alter Rechtslage - Großbritannien gewesen, zumal auch Konsultationsvereinbarungen (auch i.V.m. einer Rechtsverordnung gemäß § 2 Abs. 2 AO) nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 10.6.2015 - I R 79/13) die Gerichte nicht binden.
Aufgrund dieser vom deutschen Steuergesetzgeber als unbefriedigend empfundenen Situation wurde § 50 d Abs. 12 EStG zum 1.1.2017 eingefügt (sog. treaty override). Nach dessen Satz 1 "gelten" (Fiktion) Abfindungen, die anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, für Zwecke der Anwendung eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung als für frühere Tätigkeiten geleistetes zusätzliches Entgelt. Der von der Rechtsprechung des BFH verneinte Zusammenhang von Abfindung und früherer Tätigkeit wird somit wiederhergestellt. Dies hat zur Folge, dass dem Tätigkeitstaat das Besteuerungsrecht für die dort erbrachte Arbeit zusteht. Während § 49 Abs. 1 Nr. 4 d EStG als Aufteilungsmaßstab auf die jeweils erzielten Einkünfte abstellt, nennt § 50 d Abs. 12 EStG keinen Aufteilungsmaßstab, sodass grundsätzlich eine Aufteilung nach Zeit oder Einkünften möglich ist.
Hessisches Ministerium der Justiz online
Die Beteiligten streiten darum, ob und in welcher Höhe eine dem Kläger im Jahr 2017 gezahlte Abfindung iHv 3 Mio € der deutschen Besteuerung unterliegt. Im Jahr des Zuflusses der Abfindung hatte der Kläger seinen Wohnsitz in Großbritannien. Zuvor hatte der Kläger jedoch im Zeitraum vom 1.10.2007 bis 31.12.2016 wechselnde Aufenthalte aufgrund von verschiedenen Arbeitsverhältnissen mit einer deutschen und einer englischen Bank. Zeitweilig hatte er sich auch in Deutschland aufgehalten und hatte Steuererklärungen bei einem deutschen FA abgegeben.
Fraglich war hier, ob und wie die wechselnden Aufenthalte zu berücksichtigen sind und wie sich die zwischenzeitliche Einfügung des § 50 d Abs. 12 EStG zum Ende des Jahres 2016 auswirkt.
Das FG hat eine zeitanteilige Aufsplittung der Abfindung vorgenommen, sodass der im Inland steuerpflichtige Teil 1.3 Mio € und der steuerfreie Teil 1.7 Mio € beträgt.
Die Gründe:
Abzustellen ist gemäß § 11 Abs. 1 EStG auf den Zuflusszeitpunkt der Abfindung im Jahr 2017. In diesem Jahr war der Kläger in Großbritannien ansässig. § 50 d Abs. 12 EStG knüpft bei Abfindungen an die frühere Tätigkeit an. So stellte das FA insoweit zu Recht fest, dass die Abfindung der Tätigkeit folgt. Nach § 50 d Abs. 12 S. 1 EStG gelten Abfindungen somit abkommensrechtlich als "für frühere Tätigkeit geleistetes zusätzliches Entgelt". Die Verknüpfung der Abfindung mit der früheren Tätigkeit hat zur Folge, dass abkommensrechtlich nur dem jeweiligen Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Abfindung zusteht. Da allein auf die Rechtslage im Zuflusszeitpunkt abzustellen ist, kommt es auf die frühere steuerrechtliche Behandlung der damaligen laufenden Zahlungen nicht an; so ist die Frage, ob der Kläger unbeschränkt steuerpflichtig war und auch entsprechende Steuererklärungen beim deutschen FA abgab, unbeachtlich.
Dies gilt auch für den Zeitraum Oktober 2007 bis August 2009, in dem Deutschland nach dem DBA Großbritannien 1964 das Besteuerungsrecht hatte. Wegen Unterschreitens der 183-Tage-Frist seiner Tätigkeit in Großbritannien stünde grundsätzlich für diesen Zeitraum Oktober 2007 bis August 2009 abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht Deutschland zu.
Dieser Tatbestand wird jedoch durch § 50 d Abs. 12 EStG wieder dahingehend eingeschränkt, dass nach Inkrafttreten dieser Norm gezahlte Abfindungen wiederum nur zeitanteilig dem Tätigkeitsstaat zugerechnet werden können. Das bedeutet, dass vorliegend der gesamte Zeitraum von Oktober 2007 bis Dezember 2016 betroffen ist und hinsichtlich der in den jeweiligen DBA-Staaten vorgenommenen Tätigkeiten eine Aufteilung vorzunehmen ist. Der vom Kläger gewählte Aufteilungsmaßstab nach Tagen und Einkommenshöhe, der insoweit rechnerisch auch vom FA nicht in Frage gestellt wird, ist nach Auffassung des Senats sachgerecht, sodass sich hinsichtlich des Aufteilungsmaßstabes die aus dem Tenor ersichtlichen Werte ergeben.
Für Abfindungen, die bis einschließlich 31.12.2016 gezahlt wurden, stellte sich die Rechtslage so dar, dass Abfindungen Art. 15 OECD-MA zugeordnet wurden, wonach die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat zu erfolgen hat, es sei denn, die Arbeit wurde in einem anderen Vertragsstaat ausgeübt (Tätigkeitsstaat). Da nach der Rechtsprechung des BFH, der sich zunächst auch die Verwaltung angeschlossen hat, die gezahlten Abfindungen aus abkommensrechtlicher Sicht kein zusätzliches Entgelt für die bisherige Tätigkeit darstellen, und somit die Besteuerung nicht (ganz oder anteilig) beim Tätigkeitsstaat lag - verblieb es bei "echten" Abfindungen (wie vorliegend) beim Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats. Dies wäre - nach alter Rechtslage - Großbritannien gewesen, zumal auch Konsultationsvereinbarungen (auch i.V.m. einer Rechtsverordnung gemäß § 2 Abs. 2 AO) nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 10.6.2015 - I R 79/13) die Gerichte nicht binden.
Aufgrund dieser vom deutschen Steuergesetzgeber als unbefriedigend empfundenen Situation wurde § 50 d Abs. 12 EStG zum 1.1.2017 eingefügt (sog. treaty override). Nach dessen Satz 1 "gelten" (Fiktion) Abfindungen, die anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, für Zwecke der Anwendung eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung als für frühere Tätigkeiten geleistetes zusätzliches Entgelt. Der von der Rechtsprechung des BFH verneinte Zusammenhang von Abfindung und früherer Tätigkeit wird somit wiederhergestellt. Dies hat zur Folge, dass dem Tätigkeitstaat das Besteuerungsrecht für die dort erbrachte Arbeit zusteht. Während § 49 Abs. 1 Nr. 4 d EStG als Aufteilungsmaßstab auf die jeweils erzielten Einkünfte abstellt, nennt § 50 d Abs. 12 EStG keinen Aufteilungsmaßstab, sodass grundsätzlich eine Aufteilung nach Zeit oder Einkünften möglich ist.