15.12.2022

Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein Immobilienobjekt in Grund- und Boden- sowie Gebäudeanteil für Zwecke der AfA

1. Ist für die Anschaffung eines Immobilienobjekts ein Gesamtkaufpreis gezahlt worden, ist der Kaufpreis zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die AfA aufzuteilen. Zunächst sind Boden- und Gebäudewert gesondert zu ermitteln und sodann die Anschaffungskosten nach dem Verhältnis der beiden Wertanteile in Anschaffungskosten für den Grund- und Boden- sowie den Gebäudeanteil aufzuteilen.
2. Für die Schätzung des Werts des Grund- und Boden- sowie des Gebäudeanteils kann die ImmoWertV herangezogen werden; welches Wertermittlungsverfahren anzuwenden ist, ist nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden.
3. Die Wahl der Ermittlungsmethode entzieht sich einer Verallgemeinerung; ein Vorrang bestimmter Wertermittlungsverfahren für bestimmte Gebäudearten besteht nicht.

Kurzbesprechung
BFH v. 20. 9. 2022 - IX R 12/21

EStG § 7 Abs 4, § 7 Abs 5, § 9 Abs 1 S 1, § 21
ImmoWertV § 8 Abs 1 S 2
FGO § 40 Abs 1, § 68 S 1, § 100 Abs 1, § 100 Abs 2, § 127


Streitig war die Aufteilung des Kaufpreises für eine von der Steuerpflichtigen erworbene Eigentumswohnung in die Anschaffungskosten für Grund und Boden sowie für das Gebäude für Zwecke der Ermittlung der Absetzung für Abnutzung (AfA).

Ist für die Anschaffung eines Immobilienobjekts ein Gesamtkaufpreis gezahlt worden, ist der Kaufpreis zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die AfA aufzuteilen. Zunächst sind Boden- und Gebäudewert gesondert zu ermitteln und sodann die Anschaffungskosten nach dem Verhältnis der beiden Wertanteile in Anschaffungskosten für den Grund- und Boden- sowie den Gebäudeanteil aufzuteilen.

Für die Schätzung des Werts des Grund- und Boden- sowie des Gebäudeanteils konnte im Streitfall die ImmoWertV vom 19.05.2010 herangezogen werden, denn sie enthält anerkannte Grundsätze für die Schätzung von Verkehrswerten von Grundstücken. Nach deren Bestimmungen ist der Verkehrswert mit Hilfe des Vergleichswertverfahrens (einschließlich des Verfahrens zur Bodenwertermittlung), des Ertragswertverfahrens, des Sachwertverfahrens oder mehrerer dieser Verfahren zu ermitteln (§ 8 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV). Die Verfahren sind nach der Art des Wertermittlungsobjekts unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und der sonstigen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der zur Verfügung stehenden Daten, zu wählen; die Wahl ist zu begründen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 ImmoWertV). Dabei stehen die ‑ nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu wählenden ‑ Wertermittlungsverfahren einander gleichwertig gegenüber. Der Verkehrswert ist sodann aus dem Ergebnis des oder der herangezogenen Verfahren unter Würdigung seines oder ihrer Aussagefähigkeit zu ermitteln (§ 8 Abs. 1 Satz 3 ImmoWertV).

Im Hinblick auf die Wahl des Bewertungsverfahrens zur Ermittlung der Verkehrswerte von Grund und Boden sowie Gebäude hat der BFH nachfolgende Grundsätze aufgestellt:
 
  • Der BFH hat bei Mietwohngrundstücken im Privatvermögen ‑ jedenfalls in der Vergangenheit ‑ im "Regelfall" eine Kaufpreisaufteilung unter Anwendung des Sachwertverfahrens mit der Erwägung für "angebracht" gehalten, dass für den Erwerb einer solchen Immobilie neben Ertragsgesichtspunkten und der sicheren Kapitalanlage auch die Aussicht auf einen langfristigen steuerfreien Wertzuwachs des Vermögens ausschlaggebend sein könne.
  • Der BFH hat stets betont, dass nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden ist, welches Wertermittlungsverfahren anzuwenden ist.
  • Bei der Bewertung von Mietwohngrundstücken im Privatvermögen hat der BFH auch eine Anwendung des Ertragswertverfahrens für möglich erachtet, wenn dieses zum zutreffenderen Wert geführt und die tatsächlichen Wertverhältnisse besser abgebildet hat.
  • Das Vergleichswertverfahren hat die frühere Rechtsprechung zur Ermittlung des Verkehrswerts des Boden- und des Gebäudeanteils einer privaten Eigentumswohnung als "nicht brauchbar" angesehen, da diese Bewertungsmethode nur erlaube, die Eigentumswohnung als eine Einheit von Miteigentumsanteil und Sondereigentum zu bewerten.


Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat der BFH seine Rechtsprechung in jüngster Zeit dahin fortentwickelt, dass einerseits bei umfassend sanierten, denkmalgeschützten Mietwohngebäuden die Wertanteile für Grund und Boden sowie Gebäude auf der Grundlage des Sachwertverfahrens ermittelt werden können, wenn anderweitig ermittelte Ertrags- und Vergleichswerte die tatsächlichen, an einem angemessenen Kaufpreis zu messenden Wertverhältnisse nicht einmal annähernd abbilden können.

Andererseits kann aber bei Mietwohngebäuden auch das Ertragswertverfahren anzuwenden sein, wenn es sich im Einzelfall ‑ etwa mit Blick auf den Renovierungszustand oder die begehrte innerstädtische Lage ‑ um Renditeobjekte handelt und das Sachwertverfahren nicht in gleicher Weise zur Wertfindung geeignet erscheint, weil der mit dieser Methode ermittelte Wert ganz erheblich von dem zwischen den Kaufvertragsparteien vereinbarten und tatsächlich gezahlten Kaufpreis abweicht.

Der BFH hält an den vorstehenden Rechtsprechungsgrundsätzen zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises durch getrennte Ermittlung des Verkehrswerts von Grund und Boden sowie Gebäude unter Rückgriff auf die (gleichwertigen) Wertermittlungsverfahren der ImmoWertV fest. Er stellte heraus, dass sich aus der bisherigen BFH - Rechtsprechung kein steuerrechtlicher ‑ insbesondere kein typisierender ‑ Vorrang bestimmter Wertermittlungsverfahren für bestimmte Gebäudearten ergibt. Das bedeutet, dass sich die Wahl der Ermittlungsmethode einer Verallgemeinerung schon dem Grunde nach entzieht und auch nicht auf ein ‑ "fallgruppenspezifisch vorrangiges" ‑ Wertermittlungsverfahren beschränkt werden kann; denn einen von der Beurteilung im Einzelfall unabhängigen "Vorrang" einzelner Bewertungsmethoden bei bestimmten Objektarten kann es schon von Gesetzes wegen (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 ImmoWertV) nicht geben.

Aus den Bestimmungen der ImmoWertV ergibt sich auch kein Vorrang bestimmter Wertermittlungsverfahren. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 ImmoWertV sind die Wertermittlungsverfahren vielmehr nach der Art des Wertermittlungsobjekts unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und der sonstigen Umstände des Einzelfalls zu wählen.

Bei der Beantwortung der Frage, nach welchem Wertermittlungsverfahren die Kaufpreisaufteilung im Streitfall vorzunehmen ist, war das FG zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Sachwertverfahren "grundsätzlich vorrangig" sei und auch kein Grund bestehe, von diesem (vermeintlich bestehenden) Vorrangverhältnis abzuweichen. Damit ist das FG rechtfehlerhaft von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen, wonach die Frage, nach welchem Wertermittlungsverfahren die Kaufpreisaufteilung vorzunehmen ist, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beantworten ist und sich die Wahl der Ermittlungsmethode einer Verallgemeinerung entzieht.

Die vom FG vorgenommene rechtswidrige Verengung der Verkehrswertermittlung auf das "vorrangige" Sachwertverfahren führte im Streitfall zu Verkehrswerten, welche der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden können. Denn bei dem im Streitfall zu bewertenden Immobilienobjekt handelte es sich um eine in einer beliebten Ferienregion gelegene, ausschließlich zur Fremdvermietung bestimmte Ferienwohnung. Derartige Objekte werden im Regelfall unter Renditegesichtspunkten erworben. Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerecht, die Aufteilung des Gesamtkaufpreises auf Grund und Boden sowie auf das Gebäude nach Ertragswertgesichtspunkten vorzunehmen.

Der BFH wies den Streitfall an das FG zurück, das nun im zweiten Rechtszug Gelegenheit haben wird, die Aufteilung des Gesamtkaufpreises auf Grund und Boden sowie auf das Gebäude nach Maßgabe der nach Ertragswertgesichtspunkten ermittelten Verkehrswerte sachgerecht zu schätzen.

Verlag Dr. Otto Schmidt
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