25.06.2013

Aufwendungen für Heileurythmie können außergewöhnliche Belastungen darstellen

Aufwendungen für heileurythmische Behandlungen können als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 EStG berücksichtigt werden, wenn eine vor den Behandlungen ausgestellte ärztliche Verordnung vorliegt. Ob eine Behandlungsmethode auf einem nach medizinischen Erkenntnissen nachvollziehbaren Ansatz beruht, ist nicht aus schulmedizinischer Sicht zu beurteilen, sondern vielmehr nach der naturheilkundlichen Lehre selbst.

Schleswig-Holsteinisches FG 17.4.2013, 5 K 71/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Pensionärin. Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2009 hatte sie Aufwendungen für heileurythmische Behandlungen als außergewöhnliche Belastungen i.S.v. § 33 EStG geltend gemacht. Hierzu legte die Klägerin ärztliche Verordnungen eines Allgemeinmediziners vor, auf denen jeweils "12 x Heileurythmie" verordnet wurde und als Diagnose "Z. n. Discusprolaps" (= Bandscheibenvorfall) sowie chronisch rezidives LWS-Syndrom (= chronisch wiederkehrendes Syndrom der Lendenwirbelsäule) vermerkt war. Die Klägerin reichte Rechnungen einer Heileurythmistin über jeweils 12 Behandlungen ein.

Das Finanzamt berücksichtigte die Aufwendungen i. H.v. 1.080 € allerdings nicht im Einkommensteuerbescheid für 2009. Es war der Ansicht, dass kein hinreichender Nachweis bestehe, dass die Behandlungen im Fall der Klägerin aus ärztlicher Sicht eine zwingend medizinisch notwendige und angemessene Methode gewesen seien. Mit ihrer Klage reichte die Klägerin eine ärztliche Stellungnahme des behandelnden Arztes sowie Studien zur Wirksamkeit der anthroposophischen Medizin ein.

Das FG gab der Klage statt. Allerdings wurde die Revision gegen das Urteil zugelassen. Das Revisionsverfahren ist bei dem BFH unter dem Az.: VI R 27/13 anhängig.

Die Gründe:
Der Einkommensteuerbescheid für 2009 war rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten, soweit außergewöhnliche Belastungen i.H.v. 1.080 € nicht berücksichtigt worden waren.

Der BFH geht davon aus, dass Krankheitskosten - ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung - dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings muss der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit in einer Reihe von Fällen formalisiert nachweisen. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 SGB V ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV (i.d.F. des StVereinfG 2011) durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen; bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung.

Die Behandlungsmethoden der in § 2 Abs. 1 S. 2 SGB V aufgeführten besonderen Therapierichtungen, zu denen die Homöopathie, Anthroposophie und Phytotherapie gehören, sind wissenschaftlich anerkannte Heilmethoden, die nach festgelegten Regeln in der Praxis individuell angewandt und kontinuierlich mit modernen wissenschaftlichen Methoden weiter entwickelt werden (BSG-Urteil v. 22.3.2005, Az.: B 1 A 1/03 R). Infolgedessen waren die im vorliegenden Fall ausgestellten ärztlichen Verordnungen zum Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen ausreichend, da der Nachweis von der Klägerin nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV zu erbringen war. Bei der Heileurythmie handelt es sich nämlich um ein Heilmittel i.S.d. §§ 2 und 32 SGB-V. Die Krankenkassen können derartige Leistungen übernehmen, sind aber nicht dazu verpflichtet (BFH-Urteil v. 8.3.2012, Az.: V R 30/09).

Ein amtsärztliches Gutachten war für den Nachweis der Zwangsläufigkeit nicht erforderlich. Die heileurythmische Behandlung ist als anthroposophische Behandlungsmethode einer der in § 2 Abs. 1 S. 2 SGB V aufgeführten besonderen Therapierichtungen zuzuordnen, zu denen die Anthroposophie gehört. Ob eine Behandlungsmethode auf einem nach medizinischen Erkenntnissen nachvollziehbaren Ansatz beruht, der die prognostizierte Wirkweise der Behandlung auf das angestrebte Behandlungsziel zu erklären vermag, ist nicht aus schulmedizinischer Sicht zu beurteilen. Maßstab ist vielmehr nur die naturheilkundliche Lehre selbst (BFH-Urteil v. 5.10.2011, Az.: VI R 49/10.

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FG Schleswig-Holstein Newsletter v. 25.6.2013
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