Aussetzung der Vollziehung - Sicherheitsleistung wegen Auslandswohnsitzes
BFH 15.9.2015, I B 57/15Der Antragsteller wohnt in Thailand. Er war in den Streitjahren 2004 bis 2008 von dort aus über seinen Vater als Treuhänder mittelbarer Gesellschafter der inländischen K-GmbH und fungierte als Berater dieser Gesellschaft "in allen betrieblichen Fragen". Seit März 2010 ist er Geschäftsführer der K-GmbH. Sein Bruder war in den Streitjahren als Arbeitnehmer für die Gesellschaft tätig.
Nach einer Prüfung der Steuerfahndung rechnete das Finanzamt dem Antragsteller Erlöse aus dem Verkauf von Tonerkartuschen über eBay in den Streitjahren zu. Die Beträge ermittelte die Behörde mithilfe eines Datensatzes, den eBay auf ein Auskunftsersuchen hin an die Steuerfahndung übermittelt hatte. Das Finanzamt war der Ansicht, die Beträge unterlägen der beschränkten Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG (2002). Nach dem DBA-Thailand gebühre Deutschland das Besteuerungsrecht, da die K-GmbH für den Antragsteller einen Warenbestand unterhalten und davon regelmäßig Auslieferungen vorgenommen habe, ohne unabhängiger Vertreter i.S.v. Art. 5 Abs. 6 DBA-Thailand gewesen zu sein. Die zugeflossenen Erlöse seien vom Antragsteller ohne Abzug von Betriebsausgaben zu versteuern, da die K-GmbH sich mit dem Finanzamt darauf verständigt habe, dass sie diese Kosten übernommen habe.
Über die gegen die Einkommensteuerbescheide und Umsatzsteuerbescheide erhobene Klage hat das FG noch nicht entschieden. Nachdem der Antragsteller beim FG die AdV beantragt hatte, hat das Finanzamt die Vollziehung der Bescheide für die Streitjahre wegen ernstlicher Zweifel an deren Rechtmäßigkeit ausgesetzt, die Aussetzung jedoch von Sicherheitsleistungen i.H.v. 73.000 € (Einkommensteuer) bzw. 45.000 € (Umsatzsteuer) abhängig gemacht. Die danach weiterhin beantragte AdV ohne Sicherheitsleistungen hat das FG abgelehnt, weil die Steuerforderungen aufgrund des Auslandswohnsitzes des Antragstellers gefährdet seien. Auch die Beschwerde vor dem BFH blieb erfolglos.
Gründe:
Hinsichtlich der AdV der Einkommensteuerbescheide hatte das FG insoweit zu Recht abgelehnt, die AdV ohne Sicherheitsleistung anzuordnen. Das Verfahren betreffend die AdV der Umsatzsteuerbescheide war gem. § 73 Abs. 1 S. 2 FGO abzutrennen.
Nach § 69 Abs. 2 S. 3 (hier i.V.m. Abs. 3 S. 1 Hs. 2) FGO kann die AdV von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Dies gilt, wenn die spätere Vollstreckung der Steuerforderung infolge der AdV gefährdet oder erschwert erscheint. Eine Gefährdung ist u.a. dann gegeben, wenn die spätere Vollstreckung nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich wäre, wie es etwa der Fall ist, wenn der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz im Ausland hat oder der Steuerbescheid aus anderen Gründen im Ausland vollstreckt werden müsste, ohne dass völkervertraglich gewährleistet ist, dass in dem betreffenden Land wie im Inland vollstreckt werden könnte.
Infolgedessen war hier von einer Gefährdung der Steuerforderungen auszugehen. Der Antragsteller wird im Zeitpunkt einer etwaigen späteren Vollstreckung seinen einzigen Wohnsitz aller Voraussicht nach in Thailand haben. Im Inland gelegenes Vermögen hat er nach eigenen Angaben nicht. Mit Thailand besteht kein zwischenstaatliches Abkommen, das dem Finanzamt mit der Inlandssituation vergleichbare Vollstreckungsmöglichkeiten verschaffen könnte. Der Antragsteller selbst bezeichnete eine Vollstreckung gegen ihn in der Beschwerdebegründung als "aussichtslos".
Dabei ist unerheblich, dass der Antragsteller schon gegenwärtig in Thailand wohnt und die Steuerforderung deshalb schon zum jetzigen Zeitpunkt gefährdet ist. Die Gefährdung der Steuerforderung kann ihren Grund auch in einem zur Zeit der Entscheidung bereits gegebenen Umstand haben. Zwar muss die Gefahr eines Steuerausfalls gerade durch die Gewährung der Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eintreten. Insoweit sind aber auch andere Umstände zu berücksichtigen, die dazu führen können, dass die Steuerforderung ohne die AdV früher realisiert werden könnte als bei Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes.
Die Sicherheitsleistung entfällt letztlich auch nicht aufgrund einer hohen Wahrscheinlichkeit des Obsiegens des Antragstellers im Klageverfahren gegen die Einkommensteuerbescheide. Im vorliegenden Fall hängen die Erfolgschancen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren vor allem davon ab, inwiefern es dem Finanzamt gelingen wird, die von ihm vorausgesetzten Sachverhalte auf tatsächlicher Ebene darzulegen und nachzuweisen. Da es somit in erster Linie um die Feststellung von Tatsachen geht, ist es im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht möglich, eine verlässliche Prognose mit dem Ergebnis einer hohen Wahrscheinlichkeit des Obsiegens des Antragstellers zu treffen.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.