05.08.2021

Ausübung des Wahlrechts nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG durch ausländische Personengesellschaft

Die als Mitunternehmerschaft anzusehende ausländische Personengesellschaft wird für Zwecke der Ermittlung der steuerfreien, dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte als "fiktive" Normadressatin des § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG behandelt; ein danach ggf. bestehendes Gewinnermittlungswahlrecht ist von ihr selbst, nicht von ihren inländischen Gesellschaftern auszuüben. Das (materielle) Gewinnermittlungswahlrecht nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG ist ausgeschlossen, wenn nach ausländischen gesetzlichen Vorschriften eine Buchführungs- und Bilanzierungspflicht besteht. Das Eingreifen der Sperrwirkung setzt nicht voraus, dass die ausländischen gesetzlichen Pflichten mit den deutschen funktions- und informationsgleich sind.

Kurzbesprechung
BFH v. 20.4.2021 - IV R 3/20

AO § 140, § 141, § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 180 Abs. 5 Nr. 1
EStG § 4 Abs. 1, § 4 Abs. 3 S. 1, § 5 Abs. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 DBA LUX Art. 5 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2 S. 2
FGO § 96 Abs. 1 S. 3, § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b, § 155 S. 1
HGB § 242 Abs. 1
ZPO § 293, § 560


Die Steuerpflichtigen - die A-GbR ( GbR 1) und die B-GbR (GbR 2) - sind die ehemaligen inländischen Gesellschafterinnen (Kommanditistinnen) der während des finanzgerichtlichen Verfahrens vollbeendeten C S.à.r.l. & Cie. S.e.c.s. (C oder ausländische Untergesellschaft). Die C war eine im Großherzogtum Luxemburg (Luxemburg) ansässige Personengesellschaft, die einer GmbH & Co. KG inländischen Rechts entsprach. Komplementärin der C war die C S.à.r.l.; die Komplementärin war am Gewinn und Verlust der C nicht beteiligt. Die C betrieb einen Goldhandel.

Die C war nach luxemburgischem Aufsichtsrecht verpflichtet, jährlich eine Bilanz zu erstellen. Sie ist dieser Verpflichtung in den Jahren 2011 und 2012 (Streitjahre) nachgekommen.

Streitig war allein die Höhe der in den Streitjahren 2011 und 2012 nach dem DBA steuerfreien, dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte der C. Im Streitfall waren nach dem DBA steuerfreie, dem Progressionsvorbehalt unterliegende Einkünfte gegeben. Nach dem DBA- Luxemburg sind im Streitfall Unternehmensgewinne (gewerbliche Einkünfte) nach Art. 5 Abs. 1 DBA-LUX 1958 gegeben, für welche Luxemburg das Besteuerungsrecht zusteht. In der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) unterliegen diese Einkünfte gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 DBA-LUX 1958 (vgl. auch § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG) dem Progressionsvorbehalt.

Ein ggf. nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG bestehendes Gewinnermittlungswahlrecht wäre von der C als eigenständigem Gewinnermittlungssubjekt selbst, nicht von ihren inländischen Gesellschaftern auszuüben. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG dürfen Steuerpflichtige als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (nur dann) ansetzen, wenn sie nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und auch (freiwillig) keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen.

Die Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb der (inländischen) Gesellschafter einer inländischen Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG richtet sich nach den §§ 4 ff. EStG. Dabei ist die Personengesellschaft das Subjekt der Gewinnermittlung, obwohl sie nicht das Subjekt der Einkommensteuer ist. Der Personengesellschaft kommt u.a. insoweit partielle Steuerrechtsfähigkeit zu. Die Personengesellschaft ist daher auch die "Steuerpflichtige" i.S. des § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG. Sie hat das Gewinnermittlungswahlrecht nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG auszuüben und verdrängt insoweit die Gesellschafter. Danach ist der Gewinn der Mitunternehmerschaft - ausgehend von der Gewinnermittlungsmethode der Personengesellschaft - einheitlich entweder nach Bilanzierungs- oder nach Überschussgrundsätzen zu ermitteln. Die Gesellschafter können keine davon abweichende Gewinnermittlungsmethode wählen.

Nichts anderes gilt für ausländische Personengesellschaften, sofern Deutschland - wie im Streitfall - die ausländische Personengesellschaft (hier: C) als Mitunternehmerschaft ansieht (sog. Typenvergleich), diese (im Inland nach einem DBA steuerfreie) gewerbliche Einkünfte erzielt und an ihr inländische Gesellschafter beteiligt sind.

Nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO ist eine gesonderte und einheitliche Feststellung (entsprechend § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO) auch vorzunehmen, soweit - wie im Streitfall - die nach einem DBA von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkünfte bei der Festsetzung der Steuern der beteiligten Personen von Bedeutung sind. Die Beteiligung an einer im Ausland ansässigen, als Mitunternehmerschaft zu beurteilenden gewerblich tätigen Gesellschaft führt bei den inländischen Gesellschaftern zu Einkünften gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Danach ist es folgerichtig, in dieser Situation auch die ausländische Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) als Gewinnermittlungssubjekt anzusehen.

Die ausländische Personengesellschaft wird für Zwecke der Ermittlung der nach einem DBA steuerfreien Progressionseinkünfte wie eine inländische Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) behandelt; sie ist insoweit "fiktive" Adressatin des § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG. Allerdings scheidet für ausländische Personengesellschaften eine Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG aus, weil diese Norm mit ihrer Bezugnahme auf die "handelsrechtlichen Grundsätze[n] ordnungsmäßiger Buchführung" das deutsche Handelsrecht meint. Ausländische Abschlüsse können diesen Anforderungen von vornherein nicht entsprechen.

Der anteilige Gewinn der inländischen Gesellschafter ist daher entweder nach § 4 Abs. 1 oder nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Diese Vorschriften richten sich an die ausländische Personengesellschaft, nicht an die inländischen Gesellschafter. Die inländischen Gesellschafter können keine von der Gewinnermittlungsmethode der ausländischen Personengesellschaft abweichende Methode wählen.

Im Streitfall rechtfertigen die bisherigen Feststellungen des FG nicht dessen Entscheidung, der C stehe für Zwecke der Ermittlung der nach dem DBA steuerfreien Progressionseinkünfte das Gewinnermittlungswahlrecht nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG nicht mehr zu. Auch ausländische gesetzliche Vorschriften, die eine Buchführungs- und Abschlusspflicht begründen, können in der im Streitfall vorliegenden Fallkonstellation das (materielle) Gewinnermittlungswahlrecht nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG ausschließen.

Das Eingreifen der Sperrwirkung setzt voraus, dass die ausländischen Gesetze sowohl eine Buchführungs- als auch eine Abschluss- und damit Bilanzierungspflicht normieren. Es ist aber nicht erforderlich, dass die ausländischen gesetzlichen Pflichten mit den deutschen funktions- und informationsgleich sind.

Besteht für die ausländische Personengesellschaft keine Sperrwirkung aufgrund einer gesetzlichen (ausländischen) Buchführungs- und Abschlusspflicht, steht es ihr frei, ihr Wahlrecht entsprechend den inländischen Regeln auszuüben. Diese Grundsätze hatte das FG nicht beachtet.

Das Gewinnermittlungswahlrecht steht nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG nur solchen Steuerpflichtigen (Gewinnermittlungssubjekten) zu, die nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen. Das Bestehen einer gesetzlichen Buchführungs- und Abschlusspflicht sperrt daher die Möglichkeit der Einnahmen-Überschussrechnung. Derartige Pflichten können sich aus außersteuerrechtlichen (vgl. § 140 AO) und steuerrechtlichen Vorschriften (§ 141 AO) ergeben. Nach Auffassung des BFH sind aber in der im Streitfall vorliegenden Fallkonstellation auch ausländische gesetzliche Vorschriften, die eine Buchführungs- und Abschlusspflicht begründen, im Grundsatz geeignet, das (materielle) Gewinnermittlungswahlrecht nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG auszuschließen. Denn auch solche Vorschriften sind "gesetzliche Vorschriften" im Sinne dieser Norm.

Für das Eingreifen der Sperrwirkung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG kommt es jedoch darauf an, dass die ausländischen Gesetze sowohl eine Buchführungs- als auch eine Abschluss- und damit Bilanzierungspflicht normieren. Diese Pflichten hat das FG als Tatsachengericht zu ermitteln. Nach Auffassung des BFH müssen die ausländischen gesetzlichen Vorschriften nicht mit den deutschen Gesetzen funktions- und informationsgleich sein.

Entspricht der ausländische Abschluss nicht der Gewinnermittlung nach deutschem Steuerrecht (§ 4 Abs. 1 EStG), ist eine entsprechende Überleitungsrechnung vorzunehmen. Besteht für eine ausländische Personengesellschaft keine Sperrwirkung aufgrund einer gesetzlichen (ausländischen) Buchführungs- und Abschlusspflicht, steht es ihr frei, in der im Streitfall vorliegenden Fallkonstellation das Wahlrecht als "fiktive" Normadressatin des § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG auszuüben.

Da die Sache nicht spruchreif ist, hob der BFH die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an das FG zurück.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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