18.06.2014

Auswärtige Baustelle auch bei längerfristiger Tätigkeit keine regelmäßige Arbeitsstätte

Eine auswärtige (Groß-)Baustelle ist keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG, auch wenn sie der Arbeitnehmer fortdauernd und immer wieder aufsucht. Denn eine auswärtige Tätigkeitsstätte - wie eine Baustelle - wird nicht durch bloßen Zeitablauf zu einer regelmäßigen Arbeitsstätte i.S.v. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG.

BFH 20.3.2014, VI R 74/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger schloss im August 2006 mit der Arbeitsgemeinschaft (ARGE), die ihren Sitz (Baubüro) in C hat, einen Arbeitsvertrag. Danach sollte der Kläger befristet für die Zeit vom 14.8.2006 bis 30.6.2008 bei der ARGE beschäftigt werden. Als Dienstort wurde die Tunnelbaustelle in C vereinbart. Nachdem das Arbeitsverhältnis in der Folgezeit bis zum 31.12.2008 verlängert worden war, vereinbarten der Kläger und die ARGE im November 2008 die unbefristete Fortführung des Arbeitsverhältnisses über den 1.1.2009 hinaus bis zum Ende der Betonarbeiten des Bauvorhabens in C.

In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2008 und 2009 machte der Kläger bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u.a. für die Fahrten zwischen seiner Wohnung in F und der Baustelle in C Fahrtkosten im Rahmen einer Auswärtstätigkeit geltend, weil eine regelmäßige Arbeitsstätte nicht vorhanden sei. Dementsprechend machte er die tatsächlichen Fahrtkosten mit 0,30 € pro gefahrenem Kilometer als Werbungskosten geltend, und zwar für 48 Fahrten von F nach C (Entfernung = 200 km) und für 230 Fahrten von der Baustellenunterkunft in C zur Baustelle (Entfernung = 18 km). Das Finanzamt berücksichtigte demgegenüber lediglich die Entfernungspauschale als Werbungskosten.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf gab der Klage statt.

Die Gründe:
Das FG hat die regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers zu Unrecht auf der Baustelle in C verortet.

Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen und gem. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu berücksichtigen. Erwerbsaufwendungen sind grundsätzlich auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte. Allerdings sind diese Aufwendungen nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG nur begrenzt nach Maßgabe einer Entfernungspauschale als Werbungskosten zu berücksichtigen. Eine regelmäßige Arbeitsstätte kann nur eine ortsfeste, dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers sein, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, also fortdauernd und immer wieder aufsucht. Regelmäßig handelt es sich dabei um den Betrieb des Arbeitgebers oder einen Zweigbetrieb, nicht aber um die Tätigkeitsstätte in einer betrieblichen Einrichtung des Kunden des Arbeitgebers.

Ist der Arbeitnehmer nicht an einer solchen dauerhaften betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers tätig, liegt regelmäßig eine Auswärtstätigkeit vor mit der Folge, dass die Kosten für beruflich veranlasste Fahrten gem. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG uneingeschränkt zum Abzug zuzulassen sind. Nach diesen Grundsätzen hatte der Kläger keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG. Bauausführungen oder Montagen (§ 12 S. 2 AO) sind keine regelmäßigen Arbeitsstätten i.S.v. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG. Es handelt sich um vorübergehende und nicht um dauerhafte Tätigkeitsstätten, auch wenn dort nach § 12 S. 2 AO eine Betriebsstätte oder Geschäftseinrichtung des Arbeitgebers belegen sein sollte. Dies gilt auch - wie vorliegend - für auswärtige (Groß-)Baustellen.

Eine auswärtige Baustelle ist typisiert betrachtet kein dauerhafter, sondern nur ein vorübergehender - bis zur Fertigstellung des Bauvorhabens zeitlich begrenzter - Tätigkeitsort des Arbeitnehmers. Welche infrastrukturellen Gegebenheiten der Arbeitgeber dort vorhält ist deshalb unerheblich. Ohne Bedeutung ist weiter, ob der Arbeitnehmer die Baustelle fortdauernd und immer wieder (dauerhaft) - u.U. für die gesamte Dauer seines (befristeten) Beschäftigungsverhältnisses - aufsucht. Denn eine auswärtige Tätigkeitsstätte - wie eine Baustelle - wird nicht durch bloßen Zeitablauf zu einer regelmäßigen Arbeitsstätte i.S.v. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG

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