Auswirkung einer Fiskalerbschaft auf einen Duldungsbescheid
Kurzbesprechung
BFH-Beschluss v. 24.4.2024 - VII R 57/20
AO § 45, § 191 Abs 1 S 2, § 231 Abs 2 S 1 Nr. 3, § 278 Abs 2
AnfG § 1, § 2, § 3
FGO § 118 Abs 2
BGB § 1936
Streitig war, ob ein Duldungsbescheid infolge einer vom FG angenommenen Fiskalerbschaft, die ein Erlöschen der geltend gemachten Abgabenforderungen zur Folge haben könnte, aufrecht erhalten bleiben kann.
Das FA nahm die Klägerin gemäß § 191 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. §§ 1, 3 Abs. 1 AnfG mit Bescheid vom 08.02.2008 auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück in Anspruch. Die Klägerin hatte dieses Grundstück zuvor mit notariellem Kaufvertrag von der Abgabenschuldnerin S erworben. Die Klägerin ist die Schwägerin der S, nämlich die geschiedene Ehefrau des Bruders der S, ... (B).
Als Gegenleistung übernahm die Klägerin in dem Vertrag vom 01.06.2007 eine Briefgrundschuld samt des hierdurch gesicherten Kredits sowie die Verpflichtung zur Zahlung eines weiteren Kaufpreises. Zudem räumte sie der S und deren Ehemann ein lebenslanges dingliches Wohnungsrecht ein und verpflichtete sich, dem Sohn der S ein unwiderrufliches Verkaufsangebot zu unterbreiten.
Das FA erklärte in dem Duldungsbescheid die Anfechtung des Erwerbsvorgangs. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Auch der BFH bestätigte die vom FG vertretene Rechtsauffassung und wies die eingelegte Revision ab.
Wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 AO durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt gemäß § 191 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AO durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 AnfG geltend zu machen ist.
Ein Wahlrecht, ob das FA einen Duldungsbescheid erlässt oder eine auf das Anfechtungsgesetz gestützte Klage erhebt, hat es nicht, weshalb auch diesbezügliche Ermessenserwägungen des FA entbehrlich sind Im Streitfall war das FG zutreffend davon ausgegangen, dass das FA ‑ vor dem Versterben der S ‑ einen Duldungsbescheid gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 und 2 AO i.V.m. §§ 1 ff. AnfG erlassen konnte. Die von S vorgenommene Grundstücksveräußerung benachteiligte das FA als Gläubiger (§ 1 Abs. 1 AnfG).
Bei der Grundstücksveräußerung handelt es sich um eine Rechtshandlung im Sinne des § 1 Abs. 1 AnfG. Dabei handelte die S mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, und die Klägerin kannte diesen Vorsatz der S (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG).
Die Zehn-Jahres-Frist des § 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG war nicht verstrichen. Bei Erlass des ursprünglichen Duldungsbescheids vom 08.02.2008 galt das mit notariellem Vertrag vom 01.06.2007 vorgenommene Rechtsgeschäft, dessen Eintragung im Grundbuch das FG nicht ausdrücklich festgestellt hat, auch gemäß § 8 Abs. 2 AnfG als vorgenommen.
Bei Erlass des Duldungsbescheids vom 08.02.2008 hatte das FA als Gläubiger nach den Feststellungen des FG einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt, und die Abgabenforderungen waren fällig im Sinne des § 2 AnfG.
Die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der S hatte gemäß § 2 AnfG auch nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt. Zudem sind die Änderungsbescheide vom 21.03.2011 bestandskräftig geworden, sodass ein Vorbehalt gemäß § 14 AnfG nicht mehr erforderlich war und das ursprüngliche Fehlen dieses Vorbehalts durch Ergehen der Einspruchsentscheidung geheilt worden ist.
Der Duldungsbescheid war nach dem Versterben der S auch nicht aufzuheben. Dabei kann dahinstehen, ob es infolge des Versterbens der S zu einer Fiskalerbschaft gekommen ist. Denn selbst wenn es zu einer Fiskalerbschaft gekommen und die zugrunde liegende Abgabenschuld der Hauptschuldnerin S gemäß § 47 AO erloschen wäre, ist jedenfalls der materielle Duldungsanspruch nicht untergegangen.
Für die Steuerrückstände der S war auch keine Zahlungsverjährung eingetreten, so dass der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis nicht erloschen ist (§§ 47, 232 AO).
Verlag Dr. Otto Schmidt
AO § 45, § 191 Abs 1 S 2, § 231 Abs 2 S 1 Nr. 3, § 278 Abs 2
AnfG § 1, § 2, § 3
FGO § 118 Abs 2
BGB § 1936
Streitig war, ob ein Duldungsbescheid infolge einer vom FG angenommenen Fiskalerbschaft, die ein Erlöschen der geltend gemachten Abgabenforderungen zur Folge haben könnte, aufrecht erhalten bleiben kann.
Das FA nahm die Klägerin gemäß § 191 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. §§ 1, 3 Abs. 1 AnfG mit Bescheid vom 08.02.2008 auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück in Anspruch. Die Klägerin hatte dieses Grundstück zuvor mit notariellem Kaufvertrag von der Abgabenschuldnerin S erworben. Die Klägerin ist die Schwägerin der S, nämlich die geschiedene Ehefrau des Bruders der S, ... (B).
Als Gegenleistung übernahm die Klägerin in dem Vertrag vom 01.06.2007 eine Briefgrundschuld samt des hierdurch gesicherten Kredits sowie die Verpflichtung zur Zahlung eines weiteren Kaufpreises. Zudem räumte sie der S und deren Ehemann ein lebenslanges dingliches Wohnungsrecht ein und verpflichtete sich, dem Sohn der S ein unwiderrufliches Verkaufsangebot zu unterbreiten.
Das FA erklärte in dem Duldungsbescheid die Anfechtung des Erwerbsvorgangs. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Auch der BFH bestätigte die vom FG vertretene Rechtsauffassung und wies die eingelegte Revision ab.
Wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 AO durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt gemäß § 191 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AO durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 AnfG geltend zu machen ist.
Ein Wahlrecht, ob das FA einen Duldungsbescheid erlässt oder eine auf das Anfechtungsgesetz gestützte Klage erhebt, hat es nicht, weshalb auch diesbezügliche Ermessenserwägungen des FA entbehrlich sind Im Streitfall war das FG zutreffend davon ausgegangen, dass das FA ‑ vor dem Versterben der S ‑ einen Duldungsbescheid gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 und 2 AO i.V.m. §§ 1 ff. AnfG erlassen konnte. Die von S vorgenommene Grundstücksveräußerung benachteiligte das FA als Gläubiger (§ 1 Abs. 1 AnfG).
Bei der Grundstücksveräußerung handelt es sich um eine Rechtshandlung im Sinne des § 1 Abs. 1 AnfG. Dabei handelte die S mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, und die Klägerin kannte diesen Vorsatz der S (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG).
Die Zehn-Jahres-Frist des § 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG war nicht verstrichen. Bei Erlass des ursprünglichen Duldungsbescheids vom 08.02.2008 galt das mit notariellem Vertrag vom 01.06.2007 vorgenommene Rechtsgeschäft, dessen Eintragung im Grundbuch das FG nicht ausdrücklich festgestellt hat, auch gemäß § 8 Abs. 2 AnfG als vorgenommen.
Bei Erlass des Duldungsbescheids vom 08.02.2008 hatte das FA als Gläubiger nach den Feststellungen des FG einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt, und die Abgabenforderungen waren fällig im Sinne des § 2 AnfG.
Die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der S hatte gemäß § 2 AnfG auch nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt. Zudem sind die Änderungsbescheide vom 21.03.2011 bestandskräftig geworden, sodass ein Vorbehalt gemäß § 14 AnfG nicht mehr erforderlich war und das ursprüngliche Fehlen dieses Vorbehalts durch Ergehen der Einspruchsentscheidung geheilt worden ist.
Der Duldungsbescheid war nach dem Versterben der S auch nicht aufzuheben. Dabei kann dahinstehen, ob es infolge des Versterbens der S zu einer Fiskalerbschaft gekommen ist. Denn selbst wenn es zu einer Fiskalerbschaft gekommen und die zugrunde liegende Abgabenschuld der Hauptschuldnerin S gemäß § 47 AO erloschen wäre, ist jedenfalls der materielle Duldungsanspruch nicht untergegangen.
Für die Steuerrückstände der S war auch keine Zahlungsverjährung eingetreten, so dass der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis nicht erloschen ist (§§ 47, 232 AO).