13.04.2023

Bankenhaftung nach § 13c UStG bei debitorischem Kontokorrentkonto

Die kontoführende Bank haftet mangels Vereinnahmung nicht nach § 13c UStG, solange die Kreditlinie des Kontokorrentkontos des Steuerschuldners eingehalten wird.

Kurzbesprechung
BFH v. 29. 11. 2022 - XI R 2/22

UStG § 13 Abs. 1, § 13c,
EGRL 112/2006 Art 205


Streitig war, ob die Steuerpflichtige nach § 191 Abs. 1 AO i.V.m. § 13c UStG für Umsatzsteuerschulden einer GmbH haftet.

Soweit der leistende Unternehmer den Anspruch auf die Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG an einen anderen Unternehmer abgetreten und die festgesetzte Steuer, bei deren Berechnung dieser Umsatz berücksichtigt worden ist, bei Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet hat, haftet der Abtretungsempfänger gemäß § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG nach Maßgabe des Absatzes 2 für die in der Forderung enthaltene Umsatzsteuer, soweit sie im vereinnahmten Betrag enthalten ist.

Im Streitfall hatte das FG zu Unrecht angenommen, dass die Steuerpflichtige die streitigen Beträge dadurch vereinnahmt hatte, dass diese in den Monaten Juli und August 2011 dem Kontokorrentkonto der GmbH gutgeschrieben wurden, obwohl bis zum 31.08.2011 die Kreditlinie nicht überschritten worden war.

Eine Vereinnahmung der abgetretenen Forderung i.S. des § 13c UStG liegt unter den gleichen Voraussetzungen vor, wie sie allgemein im Rahmen der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 oder Buchst. b UStG bei der Ist-Besteuerung bestehen. Danach muss der Abtretungsempfänger eine Zahlung aus der abgetretenen Forderung erhalten Im Anwendungsbereich des § 13 UStG liegt bei Überweisungen eine Vereinnahmung im Zeitpunkt der erfolgten Gutschrift auf dem Konto vor. Streitig ist allerdings, ob bereits das Einstellen der Forderung in ein Kontokorrent zur Vereinnahmung i.S. des § 13 UStG führt oder ob eine Vereinnahmung erst mit der Anerkennung des Saldos am Ende eines Abrechnungszeitraums vorliegt.

Wesentlich für die Vereinnahmung i.S. des § 13c Abs. 1 UStG ist, dass der Forderungsbetrag dem Verfügungsbereich des Zedenten in einer Weise entzogen wird, dass er nicht mehr zur Tilgung der Umsatzsteuerschulden zur Verfügung steht. Auf der anderen Seite muss der Betrag dem Zessionar zugänglich gemacht worden sein, so dass er über diesen frei verfügen kann. Entsprechend der Rechtsprechung zu § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 und Buchst. b UStG ist daher auch für die Vereinnahmung i.S. von § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG maßgeblich, dass über die Gegenleistung (als den zu vereinnahmenden Betrag) wirtschaftlich verfügt werden kann. Es kommt somit für die Vereinnahmung i.S. von § 13c UStG nach dem Kriterium der wirtschaftlichen Verfügungsmacht darauf an, ob der Zedent über dieses Konto bei der Gutschrift hinsichtlich des Überweisungsbetrags in der Weise verfügungsberechtigt ist, dass er den Betrag der Gutschrift abheben oder für frei gewählte Überweisungen nutzen kann, oder ob der Zessionar eine ihm zustehende Rechtsmacht ausübt, dies zu verhindern.

Befindet sich das Kontokorrentkonto des Steuerpflichtigen, auf dem die Zahlung der Gegenleistung erfolgt, im Soll, ist für die Frage der wirtschaftlichen Verfügungsmacht Folgendes zu berücksichtigen:

Die Bank des Überweisungsempfängers handelt im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr regelmäßig nur als bloße Leistungsmittlerin, d.h. als Zahlstelle des Überweisungsempfängers. Als solche steht sie in keinerlei Leistungsverhältnis zu dem Überweisenden, so dass sie z.B. grundsätzlich auch nicht in die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung einer Fehlüberweisung eingebunden ist. Sie muss dann auf dem Girokonto eingehende Beträge verbuchen oder herausgeben. Bei einem Kontokorrentkonto werden zudem die einzelnen Gut- und Lastschriften ‑ mit dem Ziel der Verrechnung und Saldofeststellung ‑ in einer einheitlichen Rechnung zusammengefasst. Solange die Verrechnung nicht stattgefunden hat, stehen die aus Ein- und Ausgängen herrührenden einzelnen Posten einander im Kontokorrent gleichwertig gegenüber.

Eine Tilgung tritt gemäß § 355 Abs. 1 HGB erst mit dem ‑ durchweg periodischen ‑ Rechnungsabschluss ein, der die beiderseitigen Forderungen und Leistungen durch Verrechnung ausgleicht. Der rechnerische Überschuss für die eine oder andere Partei bildet eine kausale Saldoforderung, die ihrerseits wieder als Grundlage in eine neue Kontokorrentperiode eingestellt werden kann.

Indem die Bank diese Absprachen einhält und den Giroverkehr fortsetzt, handelt sie vertragsgemäß ("kongruent"). Das setzt insbesondere voraus, dass sie den Kunden weiter in der vereinbarten Weise Verfügungen vornehmen lässt und ihm auch einen vertraglich eingeräumten Kreditrahmen offenhält. Dann bleibt dem Kunden die Möglichkeit, über Eingänge zu seinen Gunsten auch nach eigenem Ermessen wieder zu verfügen. Er allein entscheidet darüber, ob die Darlehensforderung der Bank im vereinbarten Rahmen anwächst oder geringer wird. Erst wenn die Bank Verfügungen des Kunden nicht mehr in der vereinbarten Weise zulässt, kann sie mit Verrechnungen vertragswidrig ("inkongruent") handeln, soweit dadurch im Ergebnis ihre Darlehensforderung vor deren Fälligkeit durch die saldierten Gutschriften zurückgeführt wird.

Wird im Rahmen einer stillen Zession ein Betrag zugunsten einer Bank auf einem debitorisch geführten Kontokorrentkonto gutgeschrieben, liegt die für die Haftung nach § 13c UStG erforderliche Vereinnahmung durch die Bank als Zessionar jedenfalls dann vor, wenn der Bankkunde (Zedent) damit Verbindlichkeiten der Bank tilgt, die durch die zu ihren Gunsten bestehende Abtretung gesichert werden.

Weiter ist bei der Haftung gemäß § 13c UStG von einer Vereinnahmung durch den Zessionar auszugehen, wenn der Zedent über sein beim Zessionar debitorisch geführtes Konto, auf dem die abgetretenen Beträge vereinnahmt werden, nicht mehr frei verfügen kann, da eine erhebliche Überschreitung der vereinbarten Kreditlinie vorliegt und der Zessionar Belastungsbuchungen regelmäßig nicht durchführt. Entscheidend ist hierfür, dass der Zessionar die ihm zustehende Rechtsmacht, Verfügungen des Zedenten zu verhindern, in Einzelfällen ausübt, während er (nur) anderen Weisungen des Zedenten Folge leistet. Damit entscheidet der Zessionar, wie mit den Zahlungseingängen auf dem debitorisch geführten Konto umgegangen wird, so dass der Zessionar als wirtschaftlich Verfügungsberechtigter anzusehen ist. Hieraus folgt, dass es maßgeblich darauf ankommt, ob der Zessionar eine dem Zedenten eingeräumte Kreditlinie beachtet.

Verfügt der Zedent innerhalb der ihm eingeräumten Kreditlinie über das Konto, bleibt wirtschaftlich verfügungsberechtigt der Zedent. Der Zessionar ist dann nicht befugt, über Zahlungseingänge auf dem debitorisch geführten Konto zu verfügen.

Der BFH verwies den Streitfall an die Vorinstanz zurück, die nun feststellen muss, ob und ggf. in welcher Höhe aufgrund der Kündigung des Kreditvertrags zum 31.08.2011 eine Vereinnahmung der streitigen Beträge durch die Steuerpflichtige erfolgt ist, da der A-GmbH eine Dauerfristverlängerung gewährt worden war, die Umsatzsteuer für Juli 2011 daher erst am 10.09.2011 und die Umsatzsteuer für August 2011 erst am 10.10.2011 fällig wurde (§ 18 Abs. 1 Satz 4 UStG, § 46 Satz 1 UStDV) und die Steuerpflichtige durch ihre Kündigung des Kreditvertrags zum 31.08.2011 eine Zahlung dieser Steuerbeträge zum Fälligkeitszeitpunkt verhindert hatte. Dabei muss das FG insbesondere entscheiden, ob und inwieweit die Auffassung der Finanzverwaltung zur Kündigung des Kreditrahmens im Zusammenhang mit Geldeingängen (Abschn. 13c.1 Abs. 24 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 26 UStAE) unter Beachtung der BFH-Rechtsprechung für den Streitfall von Bedeutung ist.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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