12.03.2020

Beginn des Laufs von Hinterziehungszinsen bei einer durch Unterlassen der Anzeige begangenen Hinterziehung von Schenkungsteuer

Bei einer durch Unterlassen der Anzeige begangenen Hinterziehung von Schenkungsteuer beginnt der Lauf der Hinterziehungszinsen zu dem Zeitpunkt, zu dem das FA bei ordnungsgemäßer Anzeige und Abgabe der Steuererklärung die Steuer festgesetzt hätte. Der Zeitpunkt für den Beginn des Zinslaufs kann unter Berücksichtigung der beim zuständigen FA durchschnittlich erforderlichen Zeit für die Bearbeitung eingegangener Schenkungsteuererklärungen bestimmt werden.

Kurzbesprechung
BFH v. 28.08.2019 - II R 7/17

AO § 235 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1, § 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1
ErbStG § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1, Abs. 7
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1
GG Art. 3 Abs. 1


Gemäß § 235 Abs. 1 Satz 1 AO sind hinterzogene Steuern zu verzinsen. § 235 AO soll dem Nutznießer einer Steuerhinterziehung den durch die Tat erlangten Vorteil, dass er die gesetzlich entstandene Steuer erst zu einem späteren Zeitpunkt zahlen muss, wieder entziehen und die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherstellen.

§ 235 AO ist auch bei einer steuerbefreienden Selbstanzeige anwendbar. Denn die wirksame Selbstanzeige beseitigt als persönlicher Strafaufhebungsgrund nur die Straf- und damit Verfolgbarkeit der Tat.

Voraussetzung des Zinsanspruchs ist eine vollendete Steuerhinterziehung. Der objektive und der subjektive Tatbestand des §370 AO müssen erfüllt sein. Der Steuerschuldner muss eine der in § 370 Abs. 1 AO beschriebenen Tathandlungen mit Vorsatz begangen und dadurch Steuern verkürzt haben. Eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begeht, wer die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt. Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden (§ 370 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 AO).

Der Lauf der Hinterziehungszinsen beginnt grundsätzlich u.a. mit dem Eintritt der Verkürzung (§ 235 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 AO), also mit der Tatvollendung. Ergeht bei einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) kein Steuerbescheid, ist die Tat nach herrschender Meinung bei kontinuierlich abschnittsweise zu veranlagenden Steuern wie der Einkommensteuer erst vollendet und mithin die Steuer verkürzt, wenn das zuständige FA die Veranlagungsarbeiten für den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen hat. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt, zu dem bei ordnungsgemäßer Abgabe der Steuererklärung auch der unterlassende Täter spätestens veranlagt worden wäre.

Im Falle einer Steuer, deren Festsetzung nicht kontinuierlich abschnittsbezogen nach Veranlagungszeiträumen, sondern anlassbezogen wie bei der Schenkungsteuer erfolgt, kann nicht festgestellt werden, wann im Wesentlichen die Bearbeitung der Steuererklärungen und -festsetzungen abgeschlossen ist.

Für den Eintritt der Steuerverkürzung ist bei der Schenkungsteuer als stichtagsbezogener Steuer daher der Zeitpunkt maßgebend, zu dem das FA bei ordnungsgemäßer Anzeige und Abgabe der Steuererklärung die Steuer festgesetzt hätte. Wann dies der Fall ist, ist eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Tatfrage. Dabei kann der Zeitpunkt für den Beginn des Zinslaufs unter Berücksichtigung der beim zuständigen FA durchschnittlich erforderlichen Zeit für die Bearbeitung eingegangener Schenkungsteuererklärungen bestimmt werden.

Bei einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen ist nicht auf die tatsächliche Dauer der Festsetzung der hinterzogenen Schenkungsteuer abzustellen, insbesondere wenn diese durch steuerstrafrechtliche Untersuchungen oder andere hinterziehungsbedingte Umstände beeinflusst ist.

Wer für eine verspätete Festsetzung von Steuern verantwortlich ist, ist unerheblich. Denn § 235 AO soll den steuerlichen Vorteil beim Nutznießer der Steuerhinterziehung abschöpfen. Hinterziehungszinsen stellen keine Strafe dar.

Im entschiedenen Streitfall bewirkte die Steuerpflichtige, dass die geschuldete Schenkungsteuer (zunächst) nicht festgesetzt und dadurch verkürzt wurde, indem sie es entgegen § 30 Abs. 1 ErbStG pflichtwidrig unterließ, die im Jahr 2007 und 2008 erhaltenen Schenkungen dem zuständigen FA anzuzeigen, und dieses in Folge des Unterlassens keine Steuererklärungen nach § 31 Abs. 1 Satz 1 ErbStG anforderte. Außerdem war das FG rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Zinslauf jedenfalls nicht später als zwölf Monate nach der jeweiligen Schenkung begonnen hatte.

Für seine Berechnung hatte das FG die Anzeigefrist beim FA gemäß § 30 Abs.1 ErbStG von drei Monaten, eine - nach § 31 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 7 ErbStG mindestens vom FA zu gewährende - Erklärungsfrist von einem Monat sowie die durchschnittliche Bearbeitungsdauer beim FA herangezogen. Das FG ist auf dieser Grundlage zu der Überzeugung gelangt, dass das FA die Schenkungsteuer bei ordnungsgemäßer Anzeige innerhalb der durchschnittlichen Bearbeitungsdauer festgesetzt hätte. Zugleich hatte es zutreffend festgestellt, dass die Bearbeitungsdauer bei aufgerundet acht Monaten gelegen hat. Nach Hinzurechnung der Fristen des § 30 Abs. 1 ErbStG sowie des § 31 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 7 ErbStG hatte es damit seiner Entscheidung jedenfalls keine zu frühen Zeitpunkte für den Zinslauf zugrunde gelegt.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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