05.08.2014

Begünstigter Veräußerungsgewinn bei Fortführung der Tätigkeit als Sachverständiger nach Übertragung des Anteils an einem Architekturbüro?

Eine begünstigte Teilpraxisveräußerung liegt nur dann vor, wenn sich die freiberufliche Arbeit entweder auf wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten mit zugehörigen unterschiedlichen Kundenkreisen erstreckt oder bei gleichartiger Tätigkeit in voneinander getrennten örtlich abgegrenzten Bereichen ausgeübt wird. Handelt es sich hingegen um eine einheitliche gleichartige freiberufliche Tätigkeit, so kann regelmäßig ausgeschlossen werden, dass Teile der Praxis eine so weitgehende organisatorische Selbstständigkeit erreicht haben, dass sie Teilbetrieben im gewerblichen Bereich gleichgestellt werden können.

FG Münster 4.7.2014, 4 K 2898/12 F
Der Sachverhalt:
Der im Jahr 2010 verstorbene Ehemann der Klägerin (B.) führte zunächst ein Architekturbüro als Einzelunternehmer. Daneben war er als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger tätig. In der Folgezeit gründete er gemeinsam mit seinem bisherigen Angestellten eine GbR, in die er sein Architekturbüro einbrachte. Im Sozietätsvertrag war u.a. geregelt, dass sämtliche Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit der Sachverständigentätigkeit des B. solche der Sozietät darstellten. Der Anteil der Einnahmen aus der Sachverständigentätigkeit machte in den Jahren 2006 bis 2008 etwa 17 bis 18 % der Gesamteinnahmen der GbR aus.

Ende 2008 veräußerte B. seinen Gesellschaftsanteil. Vom vereinbarten Kaufpreis i.H.v. 196.000 € sollten 110.000 € auf den Praxiswert und der Rest auf die Betriebsausstattung entfallen. B. verpflichtete sich dazu, jegliche Betätigung zu unterlassen, mit der er in Wettbewerb zur Geschäftstätigkeit der GbR treten würde. Ausdrücklich ausgenommen von diesem Wettbewerbsverbot wurde die Tätigkeit als Sachverständiger. Im Jahr 2009 übte B. seine Tätigkeit als Sachverständiger weiter aus und übernahm für diese Zwecke eine zuvor bei der GbR beschäftigte Sekretariatsmitarbeiterin.

In ihrer Feststellungserklärung für das Streitjahr 2009 erklärte die GbR u.a. einen Veräußerungsgewinn für B. i.H.v. 210.370 €, der sich aus dem Kaufpreis sowie den Entnahmewerten zweier Fahrzeuge abzüglich der Buchwerte zusammensetzte. Im ursprünglichen Feststellungsbescheid berücksichtigte das Finanzamt noch einen entsprechenden Veräußerungsgewinn und rechnete ihn in vollem Umfang dem B. zu. Diesen Bescheid änderte die Behörde jedoch dahingehend, dass der bisherige Veräußerungsgewinn nunmehr als laufender Gewinn berücksichtigt wurde und führte zur Begründung aus, dass die bisherige Tätigkeit nicht eingestellt worden sei.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab.

Die Gründe:
Das Finanzamt hatte zutreffend keinen begünstigten Veräußerungsgewinn i.S.d. §§ 18 Abs. 3 i.V.m. 16 EStG festgestellt. Hierunter fällt u.a. die Veräußerung des gesamten Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist (§ 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG). Demgegenüber sind Gewinne, die bei der Veräußerung lediglich eines Teils eines solchen Anteils erzielt werden, laufende Gewinne (§ 16 Abs. 1 S. 2 EStG).

Zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen der GbR gehörte auch die öffentliche Bestellung des B. als Sachverständiger und die durch diese langjährig ausgeübte Tätigkeit aufgebauten Kontakte zu Gerichten zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen der GbR. Da die Erlöse aus der Sachverständigentätigkeit ausdrücklich der Tätigkeit der GbR zugeordnet worden waren, wurde diese Tätigkeit in die GbR eingebracht. Sie war für die GbR auch von wesentlicher funktionaler Bedeutung. Die Bestellung als Sachverständiger hatte B. weder übertragen (was rechtlich nicht möglich gewesen wäre) noch hatte er sie zurückgegeben. Er hatte sie vielmehr weiterhin für seine einzelunternehmerische Tätigkeit genutzt.

Insofern lag keine steuerbegünstigte Teilpraxisveräußerung vor, da der B. mit der Fortführung der Sachverständigentätigkeit keinen selbstständigen Teil eines Vermögens i.S.v. § 18 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG veräußert hatte. Eine begünstigte Teilpraxisveräußerung liegt nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn sich die freiberufliche Arbeit entweder auf wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten mit zugehörigen unterschiedlichen Kundenkreisen erstreckt (1. Fallgruppe) oder bei gleichartiger Tätigkeit in voneinander getrennten örtlich abgegrenzten Bereichen ausgeübt wird (2. Fallgruppe). Handelt es sich hingegen - wie hier - um eine einheitliche gleichartige freiberufliche Tätigkeit, so kann regelmäßig ausgeschlossen werden, dass Teile der Praxis eine so weitgehende organisatorische Selbstständigkeit erreicht haben, dass sie Teilbetrieben im gewerblichen Bereich gleichgestellt werden können.

Auch der Umstand, dass eine eigene Schreibkraft eingestellt worden war, führte noch nicht zu einer organisatorischen Verselbstständigung dieses Bereichs i.S. eines Teilbetriebs. Das Gleiche galt für den Umstand, dass B. für die Gutachtertätigkeit häufig sein häusliches Arbeitszimmer genutzt haben soll. Schließlich war die Fortführung der Gutachtertätigkeit auch nicht deshalb für die Annahme einer begünstigten Betriebsveräußerung unschädlich, weil sie als geringfügig anzusehen gewesen wäre. Die teilweise Fortführung der freiberuflichen Tätigkeit ist nur dann als Tätigkeit von geringem Umfang i.d.S. anzusehen, wenn die darauf entfallenden Umsätze in den letzten drei Jahren vor der Veräußerung weniger als 10 % der gesamten Einnahmen ausmachten. Im vorliegenden Fall machte die Gutachtertätigkeit in den Jahren 2006 bis 2008 aber ca. 17 bis 19 % des Gesamtumsatzes der GbR aus.

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